Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) lud auf dem DDG-Kongress Ende Mai in Berlin zu einem Symposium mit dem Titel „Die neue Bundesregierung: Neustart oder Handbremse für die Präventionspolitik in Deutschland?“ ein. Drei Referenten beleuchteten zentrale Herausforderungen und Potenziale ernährungspolitischer Maßnahmen in Deutschland anhand von Beispielen aus der Tabak-, Alkohol- und Ernährungspolitik.
Marike Andreas aus Heidelberg machte deutlich, dass trotz gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Wirksamkeit strukturpolitischer Maßnahmen – wie Zuckersteuern, Werbeverbote oder kostenfreies Schulessen – bisher kaum politische Umsetzung erfolgt sei. Dabei zeige eine repräsentative Befragung von rund 2000 Personen eine breite Zustimmung in der Bevölkerung zu vielen dieser Maßnahmen. „Besonders Werbeverbote und kostenloses Schulessen stoßen auf große Akzeptanz, während strengere Eingriffe wie höhere Steuern auf tierische Produkte oder rein vegetarisches Schulessen weniger Unterstützung finden“, so Andreas. Entscheidend für die Zustimmung seien nicht nur die wahrgenommene Effektivität, sondern auch die als gerecht empfundene Wirkung der Maßnahmen. Andreas betonte, dass die politische Umsetzung nicht an mangelnder Akzeptanz scheitere, sondern vielmehr an einem schwachen politischen Engagement.
Steuererhöhungen und Werbeverbote
Katrin Schaller, Heidelberg, zog Parallelen aus der Tabak- und Alkoholpolitik zur Ernährungspolitik. Anhand der WHO-Tabakrahmenkonvention zeigte sie, wie internationale Verträge und nationale Umsetzungen – etwa durch Steuererhöhungen und Werbeverbote – zu einem Rückgang des Tabakkonsums führten. Je stärker der Widerstand der Industrie, desto wirkungsvoller waren die Maßnahmen. „Für Alkohol gibt es bislang keine vergleichbare Strategie, obwohl Alkohol ebenso gesundheitsschädlich ist wie Tabak“, so Schaller. Sie forderte eine politische Gesamtstrategie, die durch eine gesundheitsfördernde Mehrwertsteuer, Werbebeschränkungen und verbindliche Regelwerke ein Umfeld schaffe, in dem gesunde Entscheidungen leichter fallen.
Besteuerung ungesunder Lebensmittel
Tobias Effertz, Hamburg, thematisierte die Zunahme von Adipositas in Deutschland, deren Anteil von 12,2 % im Jahr 2003 auf 19,7 % im Jahr 2023 gestiegen ist. „Mit der Adipositas nehmen auch die Kosten für das Gesundheitssystem zu“, so Effertz. Eine Lösung sieht er in der Besteuerung ungesunder Lebensmittel, was über Preiserhöhungen die Nachfrage senken kann. Meta-Analysen belegten, dass solche Steuern – wenn sie spürbar sind – besonders bei einkommensschwächeren Gruppen und Jugendlichen wirken. „Internationale Beispiele wie Mexiko, Kalifornien oder das Vereinigte Königreich zeigen, dass Zuckersteuern den Konsum senken können, jedoch auch Ausweichreaktionen auftreten“, erklärte er. Erfolgreiche Modelle würden sich durch hohe Steuerlasten, breite Anwendung und ergänzende Maßnahmen wie Werbeverbote auszeichnen. Die DANK-Studie von 2017 simulierte die Auswirkungen einer angepassten Mehrwertsteuer in Deutschland. Demnach ließe sich Adipositas um bis zu 12,5 % senken, bei gleichzeitigen Einsparungen von mehreren Milliarden Euro im Gesundheitswesen.
Alle drei Referenten waren sich einig, dass es trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse und gesellschaftlicher Akzeptanz an politischem Mut fehle, konsequente und wirksame Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Sie forderten daher eine aktive Rolle der Wissenschaft in politischen Entscheidungsprozessen sowie eine kohärente Public-Health-Strategie, die Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung gemeinsam adressiert.
Autorin: Sonja Buske
Quelle: DDG-Kongress, Berlin, Mai 2025, DANK-Symposium: „Die neue Bundesregierung: Neustart oder Handbremse für die Präventionspolitik in Deutschland?



