Das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ), die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und das Universitätsklinikum Düsseldorf haben erstmals umfassend untersucht, wie gut Mitochondrien in verschiedenen Organen Ketonkörper für die Energiegewinnung nutzen – mit aufschlussreichen Ergebnissen für Typ-2-Diabetes und MASLD (Fettleber).
Die Leber spielt eine zentrale Rolle für die Energiespeicherung und -versorgung des Körpers. Insbesondere in Phasen niedriger Glukoseverfügbarkeit bildet sie Ketonkörper aus Fettsäuren. Diese kleinen Moleküle dienen als alternativer Energieträger für Organe wie Herz, Skelettmuskulatur, Nieren und weitere Gewebe. Ein erhöhter Ketonspiegel kann bei gesunden Menschen die Energieproduktion unterstützen. Entscheidend ist jedoch, ob die Mitochondrien – die „Kraftwerke“ der Zelle – diese Ketonkörper tatsächlich effizient verwerten können.
„Ketonkörper sind mehr als nur ein alternativer Brennstoff unter bestimmten Bedingungen – sie sind ein wichtiger Energielieferant für sämtliche Lebensformen. In unserer Studie haben wir untersucht, ob die Mitochondrien von Menschen mit Diabetes oder Fettlebererkrankung sie weiterhin wirksam nutzen können.“
Prof. Michael Roden, Wissenschaftlicher Direktor und Sprecher des Vorstands des DDZ
sowie Direktor der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf
Innovative Messmethode: Hochauflösende Respirometrie
Die Forschenden analysierten zahlreiche Gewebeproben von übergewichtigen Menschen mit und ohne Typ-2-Diabetes beziehungsweise mit und ohne MASLD. Mithilfe eines neuartigen Ansatzes, der auf hochauflösender Respirometrie basiert, konnten sie erstmals die mitochondriale Energieproduktion aus Ketonkörpern direkt messen.
„Frühere Studien betrachteten lediglich die Konzentrationen von Ketonkörpern im Blut oder in Organen. Unser Ansatz bildet hingegen die ketonkörpergetriebene Energieproduktion der Mitochondrien in ihrer natürlichen zellulären Umgebung ab und liefert so ein wesentlich repräsentativeres Bild metabolischer Veränderungen.“
Dr. Cesare Granata, leitender Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am DDZ
In die Untersuchung flossen Daten und Proben aus mehreren Studien des DDZ und UKD ein, darunter die BARIA-DDZ-Studie, die Deutsche Diabetes-Studie (GDS) und die METAB-HTx-Studie.
Zentrale Ergebnisse: Einschränkung der Energiegewinnung bei Insulinresistenz
Die Ergebnisse waren eindeutig: Sowohl bei Typ-2-Diabetes als auch bei MASLD erzeugen Mitochondrien weniger Energie aus Ketonkörpern. In Herz- und Skelettmuskelzellen übergewichtiger Menschen mit Typ-2-Diabetes sowie in Leberzellen übergewichtiger Personen mit MASLD zeigte sich im Vergleich zu den jeweiligen Kontrollgruppen eine schlechtere Verwertung der Ketonkörper zur Energiegewinnung.
„Interessanterweise war dieser Defekt stärker ausgeprägt als der allgemeine Rückgang der Mitochondrienfunktion. Das deutet darauf hin, dass der Ketonkörper-Stoffwechsel bei Insulinresistenz besonders anfällig ist.“
Dr. Elric Zweck, Erstautor und Gastwissenschaftler am DDZ sowie
Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie am UKD und der HHU
Weiterführende Informationen aus der Originalpublikation
Die im Fachjournal EBioMedicine veröffentlichte Studie von Zweck et al. liefert erstmals einen umfassenden Einblick in die mitochondriale Verwertung von Ketonkörpern bei Typ-2-Diabetes, Adipositas und MASLD. Mithilfe hochauflösender Respirometrie wurde direkt gemessen, wie effizient Herz, Skelettmuskel, Niere und Leber Ketonkörper zur Energiegewinnung nutzen. Die Ergebnisse zeigen, dass die mitochondriale Oxidation von Ketonkörpern in insulinresistenten Zuständen in allen untersuchten Organen deutlich eingeschränkt ist. So war die ketonkörperabhängige Energieproduktion im Herzen und Skelettmuskel von Menschen mit Typ-2-Diabetes um rund 30 Prozent reduziert, in der Niere von adipösen Mäusen um etwa 15 Prozent und in der Leber von Patienten mit MASLD um knapp 30 Prozent niedriger als bei den jeweiligen Kontrollgruppen. Besonders auffällig war, dass dieser Defekt spezifisch stärker ausgeprägt war als der allgemeine Rückgang der Mitochondrienfunktion – was auf eine besondere Störanfälligkeit des Ketonkörperstoffwechsels bei Insulinresistenz hinweist. Die Autoren konnten zudem zeigen, dass insbesondere die Verwertung von Acetoacetat im diabetischen Herzen beeinträchtigt ist. Die Ergebnisse wurden durch umfangreiche molekulare und statistische Analysen abgesichert und legen nahe, dass therapeutische Ansätze künftig gezielt die mitochondriale Nutzung von Ketonkörpern verbessern sollten, da eine reine Erhöhung der Ketonkörper im Blut nicht ausreicht, wenn die mitochondriale Verwertung limitiert bleibt. Die Studie eröffnet damit neue Perspektiven für die Diagnostik und Therapie von Diabetes und Fettleber.
Klinische Bedeutung und Ausblick
Die Ergebnisse legen nahe, dass eine Erhöhung des Ketonkörperspiegels allein – etwa durch diätetische Maßnahmen oder Supplementierung – für Menschen mit Typ-2-Diabetes oder MASLD möglicherweise nicht ausreicht, um die Energieproduktion zu verbessern, wenn die Mitochondrien diese nicht effizient verwerten können. Zukünftige therapeutische Ansätze sollten daher darauf abzielen, die Nutzung von Ketonkörpern durch die Mitochondrien gezielt zu verbessern und die metabolische Flexibilität wiederherzustellen.
Das Forschungsteam möchte in weiteren Studien die zugrunde liegenden Mechanismen des veränderten Ketonkörper-Stoffwechsels weiter untersuchen, um neue Therapieoptionen für Menschen mit Diabetes und Fettleber zu entwickeln.
Fazit
Die Studie liefert wichtige Impulse für die Entwicklung neuer Therapien bei Typ-2-Diabetes und MASLD. Die gezielte Förderung der mitochondrialen Ketonkörpernutzung könnte künftig ein Schlüssel zur Verbesserung der Energieversorgung und Stoffwechselgesundheit sein – und eröffnet neue Perspektiven für die diabetologische Behandlung.
Quelle: Deutsches Diabetes Zentrum (DDZ) (Düsseldorf, 21. November 2025). Menschen mit Diabetes oder Fettlebererkrankung können weniger effektiv Energie aus Ketonkörpern gewinnen [Pressemitteilung].
Originalpublikation: Zweck E, Piel S, Schmidt JW, Scheiber D, Schön M, Kahl S, Burkart V, Dewidar B, Remus R, Chadt A, Al-Hasani H, Mastrototaro L, Aubin H, Boeken U, Lichtenberg A, Distler J, Polzin A, Kelm M, Westenfeld R, Wagner R, Schrauwen P, Szendroedi J, Roden M, Granata C. Impaired mitochondrial ketone body oxidation in insulin resistant states. EBioMedicine. 2025 Nov 11;122:106007. doi: 10.1016/j.ebiom.2025.106007. [Paper]



