Die klinischen Phänotypen der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sind äußerst vielfältig. Um diese systematisch zu erfassen, wurde nun ein Ordnungssystem mit drei anatomischen Determinanten entwickelt – die OPM-Klassifikation.
Dass es sich bei der neuen Klassifikation nicht um ein rein semantisches Thema handelt, berichtete Prof. Dr. med. Thomas Meyer, Charité – Universitätsmedizin Berlin, beim diesjährigen DGN-Kongress: „Die ALS-Phänotypen korrelieren mit der Prognose, dem Überleben sowie dem Neurofilament.“ Darüber hinaus reduziere die Differenzierung von solchen Phänotypen die Heterogenität in klinischen Studien. „Das könnte dazu beitragen, die Krisensituation zu verbessern, dass es seit dreißig Jahren große Schwierigkeiten gibt, neue Medikamente für die ALS zu entwickeln“, so Meyer.
Ordnung durch drei anatomische Determinanten
Mit der neuen OPM-Klassifikation können die vielfältigen Varianten der ALS entsprechend geordnet werden [1]: Das Akronym setzt sich zusammen aus den Begriffen Onset – wo beginnt die Erkrankung, Propagation – wie schnell schreitet sie vertikal voran, sowie der Motoneuron-Symptome. „Ebenso wie die Erkrankung nicht statisch ist, ist es auch die neue Klassifikation nicht“, führte der Experte aus. Während die O-Achse unverändert bleibt, können sich die P- und M-Achsen im Krankheitsverlauf verändern und entsprechend dokumentiert werden. Dieser unabhängige Prognosefaktor kann als Entscheidungskriterium für die Behandlungsoptionen herangezogen werden.
Ein Bogen für die OPM-Klassifikation steht gratis zum Download unter https://als-opm.org/ zur Verfügung, aktuell auf Deutsch und Englisch. Weitere Sprachen sind in Vorbereitung. „Im spezialisierten Umfeld werden nur wenige Minuten benötigt, um die Klassifikation durchzuführen“, meinte Meyer. Dies lasse sich gut in den klinischen Alltag integrieren.
Klassifikation wird weiter evaluiert
Im Rahmen eines internationalen Konsensus-Prozesses werde die OPM-Klassifikation laut dem Experten weiterentwickelt. Aktuell laufe ein größeres Projekt, das die ALS-OPM-Klassifikation in Korrelation zur ALS-Funktionsskala und Neurofilament erforscht – rund 4.600 ALS-Betroffene nehmen multizentrisch daran teil. Eine Implementierung der OPM-Klassifikation in Studien und Medikamentenentwicklung könne hilfreich sein. Im Speziellen nannte Meyer hier die Integration in Prädiktionsmodelle sowie Ein- und Ausschlusskriterien. Zudem könne langfristig ein drug targeting für spezifische Phänotypen möglich werden.
Martha-Luise Storre
Quelle: Wissenschaftliches Symposium „Vielfalt in der Einheit: klinische und molekulare Heterogenität neurodegenerativer Bewegungsstörungen und Motoneuronerkrankungen“ im Rahmen des DGN-Kongresses am 13. November 2025 in Berlin und online.
Literatur:
Meyer T et al. Motor phenotypes of amyotrophic lateral sclerosis – a three-determinant anatomical classification based on the region of onset, propagation of motor symptoms, and the degree of upper and lower motor neuron dysfunction. Neurol Res Pract 2025 28;7(1):27.



