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Harnwegsinfekte: Neue Therapieansätze jenseits von Antibiotika

Illustration einer Frau mit Beschwerden im Bereich der Harnwege, umgeben von Symbolen wie Blase, Nieren, Medikamenten und Toiletten.

Harnwegsinfekte: Neue Therapieansätze jenseits von Antibiotika

Fachartikel

Allgemeinmedizin

Nieren und Harnwege

mgo medizin Redaktion

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7 MIN

Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Harnwegsinfektionen (HWI) zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im ambulanten Bereich. Angesichts zunehmender Antibiotikaresistenzen rückt die nicht antimikrobielle Behandlung stärker in den Fokus. Dieser Beitrag beleuchtet auf Basis der AWMF-Leitlinie Harnwegsinfektionen von 2024 ­aktuelle Empfehlungen nicht antimikrobieller Behandlungsoptionen und deren Rezidivprophylaxe und geht ergänzend auf das Potenzial der bislang nicht etablierten Phagentherapie ein.

Etwa 50 % aller Frauen entwickeln einmal im Leben einen Harnwegsinfekt (HWI). Der häufigste Erreger ist mit 77 % Escherichia coli, gefolgt von Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis.

Zu den häufigsten Risikofaktoren für das Auftreten eines Harnwegsinfektes zählen Diabetes mellitus, Geschlechtsverkehr, Postmenopause, Adipositas, die Anwendung von Diaphragmen und Spermiziden sowie weitere komplizierende Faktoren wie anatomische und funktionelle Veränderungen (bspw. Nierenbeckenabgangsstenosen, Urolithiasis etc.).

Rezidivierende Harnwegsinfekte tre­ten per definitionem mindestens zweimal innerhalb von sechs Monaten oder dreimal innerhalb eines Jahres auf. Von rund 50 % der Frauen, die einmal im Leben einen Harnwegsinfekt entwickeln, erleiden rund 25 % eine Reinfektion. Klinisch bestehen Symptome wie Algurie, Dysurie, Pollakisurie, suprapubische Schmerzen und Makrohämaturie.

Zur Diagnose führt neben den bestehenden Symptomen ein Urin­befund mit Nachweis von ≥ 103 KBE / ml im Urin und ein kultureller Nachweis von Bakterien, voraus­gesetzt, es handelt sich um Rein­kulturen typischer Uropathogene. Zur Einschätzung der bestehenden Symptome und Berücksichtigung von Differenzialdiagnosen können bei Bedarf auch Fragebögen wie der ACSS (Acute Cystitis Symptom Score) eingesetzt werden.

Für die Behandlung ist es entscheidend, zwischen einer unkomplizierten und einer komplizierten Harnwegsinfektion zu differenzieren.

Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten liegen im Harntrakt keine funktionellen oder anatomischen Behinderungen, keine Nierenfunktionsstörung und keine relevanten Komorbiditäten vor, die einen Harnwegsinfekt begünstigen.     

Des Weiteren sollten Patientengruppen mit unkomplizierten HWI unterschieden wer­den in:

  • nicht schwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen,
  • Schwangere ohne sonstige relevante ­Begleiterkrankungen,
  • Frauen in der Postmenopause ohne ­sonstige relevante Begleiterkrankungen,
  • jüngere Männer ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen,
  • Patienten mit Diabetes mellitus und ­stabiler Stoffwechsellage und ohne ­sonstige relevante Begleiterkrankungen,
  • geriatrische Patienten mit mehr als zwei behandlungsbedürftigen Systemerkrankungen.

Durch diese Einteilung können notwendige Unterscheidungen bei Dia­gnostik und Therapie erfolgen. So sollte bspw. bei jüngeren Männern ohne relevante Begleiterkrankung eine differenzierte Ursachenabklärung erfolgen und die Prostata als ggf. mitbetroffenes parenchyma­töses Organ bei der Therapie mit­berücksichtigt werden.

Die aktuelle Leitlinie zu urologischen Infektionen der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) von 2025 geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie führt zur Klassifikation von Harnwegsinfektionen eine neue Unterteilung ein, die die bisherigen Kategorien „unkompliziert“ und „kompliziert“ ersetzt. Diese traditionelle Unterscheidung sei zwar einfach, aber potenziell irreführend, da sie die Therapieentscheidung wesentlich beeinflussen kann. Stattdessen empfiehlt die EAU-Leitlinie eine Einteilung in lokalisierte und systemische HWIs:

  • Lokalisierte HWI (z. B. Zystitis): Infektion mit typischen Symptomen wie Dysurie, Harndrang oder suprapubischen Schmerzen, aber ohne Anzeichen einer systemischen Infektion. Diese Form betrifft beide Geschlechter und lässt sich meist ambulant behandeln.
  • Systemische HWI: Infektionen mit systemischen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Delir, Hypotonie oder Flankenschmerzen, gegebenenfalls zusätzlich zu lokalen Beschwerden. Diese Form kann auf ernste Krankheitsbilder wie eine Pyelo­nephritis oder Prostatitis hindeuten und erfordert oft eine weiterführende Diagnostik (z. B. Blutuntersuchungen, Bildgebung) und eine stationäre Behandlung.

Ein zentrales Element der neuen Klassifikation ist die Berücksichtigung von Risikofaktoren, die den Krankheitsverlauf erschweren oder den Therapieerfolg gefährden können. Dazu zählen unter anderem:

  • anatomische oder funktionelle Anomalien des Harntrakts,
  • Harnwegskatheter,
  • frühere Antibiotikatherapien,
  • Grunderkrankungen wie Diabetes, Nierenfunktionsstörungen oder neurologische ­Erkrankungen,
  • Immunschwäche,
  • Alter,
  • Schwangerschaft,
  • vorangegangene endoskopische Eingriffe.

Die Leitlinie betont, dass Risikofaktoren bei beiden Formen – lokalisiert und systemisch – auftreten können und entsprechend in der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Wichtig ist auch, dass das männliche Geschlecht allein kein Risikofaktor mehr ist, da dies durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse nicht gestützt wird.

Ziel dieser neuen Klassifikation ist es, die klinische Kommunikation zu vereinheitlichen, eine präzisere Dia­gnostik zu fördern und eine angemessene, risikoangepasste Therapie zu ermöglichen.

Therapie

Aufgrund der zunehmenden Resistenzlage ist die Entscheidung zwischen einer asymptomatischen Bakteriurie und einer klinisch relevanten Keimbelastung besonders wichtig. Prinzipiell gilt, dass eine asymptomatische Bakteriurie in der Regel nicht behandelt werden soll. Eine Ausnahme stellen hierbei schwangere Frauen dar.

Die im Jahr 2024 aktualisierte S3-Leitlinie der AWMF betrachtet den Einsatz von Antibiotika bei HWI differenzierter und gibt neue evidenzbasierte Empfehlungen zum Einsatz nicht antimikrobieller Substanzen. Bei einem auf die Harnblase begrenzten Harnwegsinfekt ohne komplizierende Faktoren ist grundsätzlich mit einer hohen Spontanheilungsrate zu rechnen (28 − 42 % in ca. 7 − 9 Tagen). So kann der Einsatz verschiedener nicht antibiotischer Substanzen die Symptomatik mildern und den undifferenzierten Einsatz von Antibiotika einsparen. Hierbei ist eine partizipative Entscheidungsfindung von Patientinnen und Patienten und behandelnden Ärztinnen und Ärzten notwendig.

Etwa 50 % aller Frauen entwickeln einmal im Leben einen Harnwegsinfekt (HWI). Der häufigste Erreger ist mit 77 % Escherichia coli, gefolgt von Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis.

Zu den häufigsten Risikofaktoren für das Auftreten eines Harnwegsinfektes zählen Diabetes mellitus, Geschlechtsverkehr, Postmenopause, Adipositas, die Anwendung von Diaphragmen und Spermiziden sowie weitere komplizierende Faktoren wie anatomische und funktionelle Veränderungen (bspw. Nierenbeckenabgangsstenosen, Urolithiasis etc.).

Rezidivierende Harnwegsinfekte tre­ten per definitionem mindestens zweimal innerhalb von sechs Monaten oder dreimal innerhalb eines Jahres auf. Von rund 50 % der Frauen, die einmal im Leben einen Harnwegsinfekt entwickeln, erleiden rund 25 % eine Reinfektion. Klinisch bestehen Symptome wie Algurie, Dysurie, Pollakisurie, suprapubische Schmerzen und Makrohämaturie.

Zur Diagnose führt neben den bestehenden Symptomen ein Urin­befund mit Nachweis von ≥ 103 KBE / ml im Urin und ein kultureller Nachweis von Bakterien, voraus­gesetzt, es handelt sich um Rein­kulturen typischer Uropathogene. Zur Einschätzung der bestehenden Symptome und Berücksichtigung von Differenzialdiagnosen können bei Bedarf auch Fragebögen wie der ACSS (Acute Cystitis Symptom Score) eingesetzt werden.

Für die Behandlung ist es entscheidend, zwischen einer unkomplizierten und einer komplizierten Harnwegsinfektion zu differenzieren.

Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten liegen im Harntrakt keine funktionellen oder anatomischen Behinderungen, keine Nierenfunktionsstörung und keine relevanten Komorbiditäten vor, die einen Harnwegsinfekt begünstigen.     

Des Weiteren sollten Patientengruppen mit unkomplizierten HWI unterschieden wer­den in:

nicht schwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen,

Schwangere ohne sonstige relevante ­Begleiterkrankungen,

Frauen in der Postmenopause ohne ­sonstige relevante Begleiterkrankungen,

jüngere Männer ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen,

Patienten mit Diabetes mellitus und ­stabiler Stoffwechsellage und ohne ­sonstige relevante Begleiterkrankungen,

geriatrische Patienten mit mehr als zwei behandlungsbedürftigen Systemerkrankungen.

Durch diese Einteilung können notwendige Unterscheidungen bei Dia­gnostik und Therapie erfolgen. So sollte bspw. bei jüngeren Männern ohne relevante Begleiterkrankung eine differenzierte Ursachenabklärung erfolgen und die Prostata als ggf. mitbetroffenes parenchyma­töses Organ bei der Therapie mit­berücksichtigt werden.

Die aktuelle Leitlinie zu urologischen Infektionen der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) von 2025 geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie führt zur Klassifikation von Harnwegsinfektionen eine neue Unterteilung ein, die die bisherigen Kategorien „unkompliziert“ und „kompliziert“ ersetzt. Diese traditionelle Unterscheidung sei zwar einfach, aber potenziell irreführend, da sie die Therapieentscheidung wesentlich beeinflussen kann. Stattdessen empfiehlt die EAU-Leitlinie eine Einteilung in lokalisierte und systemische HWIs:

Lokalisierte HWI (z. B. Zystitis): Infektion mit typischen Symptomen wie Dysurie, Harndrang oder suprapubischen Schmerzen, aber ohne Anzeichen einer systemischen Infektion. Diese Form betrifft beide Geschlechter und lässt sich meist ambulant behandeln.

Systemische HWI: Infektionen mit systemischen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Delir, Hypotonie oder Flankenschmerzen, gegebenenfalls zusätzlich zu lokalen Beschwerden. Diese Form kann auf ernste Krankheitsbilder wie eine Pyelo­nephritis oder Prostatitis hindeuten und erfordert oft eine weiterführende Diagnostik (z. B. Blutuntersuchungen, Bildgebung) und eine stationäre Behandlung.

Ein zentrales Element der neuen Klassifikation ist die Berücksichtigung von Risikofaktoren, die den Krankheitsverlauf erschweren oder den Therapieerfolg gefährden können. Dazu zählen unter anderem:

anatomische oder funktionelle Anomalien des Harntrakts,

Harnwegskatheter,

frühere Antibiotikatherapien,

Grunderkrankungen wie Diabetes, Nierenfunktionsstörungen oder neurologische ­Erkrankungen,

Immunschwäche,

Alter,

Schwangerschaft,

vorangegangene endoskopische Eingriffe.

Die Leitlinie betont, dass Risikofaktoren bei beiden Formen – lokalisiert und systemisch – auftreten können und entsprechend in der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Wichtig ist auch, dass das männliche Geschlecht allein kein Risikofaktor mehr ist, da dies durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse nicht gestützt wird.

Ziel dieser neuen Klassifikation ist es, die klinische Kommunikation zu vereinheitlichen, eine präzisere Dia­gnostik zu fördern und eine angemessene, risikoangepasste Therapie zu ermöglichen.

Therapie

Aufgrund der zunehmenden Resistenzlage ist die Entscheidung zwischen einer asymptomatischen Bakteriurie und einer klinisch relevanten Keimbelastung besonders wichtig. Prinzipiell gilt, dass eine asymptomatische Bakteriurie in der Regel nicht behandelt werden soll. Eine Ausnahme stellen hierbei schwangere Frauen dar.

Die im Jahr 2024 aktualisierte S3-Leitlinie der AWMF betrachtet den Einsatz von Antibiotika bei HWI differenzierter und gibt neue evidenzbasierte Empfehlungen zum Einsatz nicht antimikrobieller Substanzen. Bei einem auf die Harnblase begrenzten Harnwegsinfekt ohne komplizierende Faktoren ist grundsätzlich mit einer hohen Spontanheilungsrate zu rechnen (28 − 42 % in ca. 7 − 9 Tagen). So kann der Einsatz verschiedener nicht antibiotischer Substanzen die Symptomatik mildern und den undifferenzierten Einsatz von Antibiotika einsparen. Hierbei ist eine partizipative Entscheidungsfindung von Patientinnen und Patienten und behandelnden Ärztinnen und Ärzten notwendig.

Abb.: Erstlinien-Antibiotika bei unkomplizierter Harnwegsinfektion

Dies trifft ebenso auf die Rezidivprophylaxe rezidivierender HWI zu. Bei allen Harnwegsinfektionen bildet die Aufklärung über modifizierbare Risikofaktoren die Basis der Therapie. Hierzu gehören die Trinkmenge (2 − 3 Liter / Tag), Miktionskontrolle (häufige Miktion, kein Pressen, keine Anspannung), Sexualverhalten (Blasenentleerung nach Geschlechtsverkehr innerhalb von 10 − 15 Minuten) sowie eine adäquate Genital­hygiene.

Als Erstlinienmittel bleiben Antibiotika wie Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Pivmecillinam unter Berücksichtigung lokaler Resistenzlagen und substanzbedingter Kollateralschäden bestehen. Fluorchinolone sollten ebenso wie Cotrimoxazol und Cefpodoxim-Proxetil nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden.

Die Indikation zu einer Antibiotikatherapie sollte kritisch gestellt werden. Alternativ können suppor­­ti­ve Phytotherapeutika wie Kapuzinerkresse- / Meerrettichextrakte, Canephron und Cranberries, D-Mannose und anti-inflammatorische NSAIDs wie Ibuprofen eingesetzt werden. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass Faktoren wie eine inkomplette Ausheilung, eine zusätzliche Antibiotikatherapie oder die Entwicklung einer Pyelonephritis unter den Erfolgsraten der Antibio­tikatherapie lagen. Insgesamt lässt sich jedoch durch diese nicht-Antibiotika-haltige Akuttherapie eine Einsparung des Antibiotikaeinsatzes von 63 % erzielen.

Wagenlehner et al. konnten beispielsweise zeigen, dass das Phytotherapeutikum Canephron über sieben Tage eingenommen, der Einmalgabe von Fosfomycin nicht unterlegen ist und eine vergleichbare Symptomlinderung zeigt. Nach entsprechender Aufklärung sollte man daher Patientinnen und Patienten mit einer akuten unkomplizierten Zystitis eine nicht antibio­tische Behandlung anbieten.

Bei rezidivierenden unkomplizierten Zystitiden kann eine Immunisierung mit Impfstoffen wie Urovaxom und Urovac die Rate an rezidivierenden Harnwegsinfekten senken. Postmenopausale Frauen profitieren von einer lokalen vaginalen Östrogenisierung, die mit einer Senkung der Rezidivrate von Harnwegsinfekten verbunden sein kann.

Ausblick

Angesichts des bestehenden hohen Antibiotikaeinsatzes und zunehmender Resistenzen rücken Bakteriophagen als gezielte, bakterien­tötende Viren in den Fokus urolo­gischer Forschung. In der Medizin werden sie derzeit als potenzielle Alternative oder Ergänzung zu ­Antibiotika erforscht und könnten beispielsweise bei Wundinfektionen, Harnwegsinfektionen und Pneumonien therapeutisch eingesetzt werden.

Dabei kommen entweder einzelne Phagen (Mono-Phagen) oder sogenannte „Phagencocktails“ zur Anwendung. Bisherige Daten lassen darauf schließen, dass Phagen in vielen Fällen sowohl eine mikrobielle Clearance als auch symptomatische Besserung bewirken können. So ergab eine systematische Übersichtsarbeit von 2023 bei insgesamt 55 UTI-Studien mit Phagen, dass in 62 % der Fälle eine vollständige Keimfreiheit in der Urinkultur und in 97 % eine klinische Verbesserung erreicht werden konnte.

Kombinierende Strategien – d. h. Phagen und Antibiotika – scheinen in bisherigen Studien noch effektiver zu wirken. Beispielsweise führten Kombinationstherapien bei Acinetobacter-Biofilmen und UPEC-Infektionen (uropathogener E. coli) zu deutlich reduzierter Bakterienlast im Vergleich zur Monotherapie. Phagentherapien gelten bisher insgesamt als gut verträglich, wobei in klinischen Studien meist nur milde unerwünschte Wirkungen wie lokale Reizungen, Fieber oder immunologische Reaktionen beschrieben wurden. Mögliche Risiken wie Endotoxinausschüttung durch bakterielle Lyse oder die Immunisierung gegen Phagenpräparate erfordern jedoch eine sorgfältige Auswahl und Aufbereitung der Phagen sowie standardisierte Herstellungsverfahren.

Trotz teils hoher Initialkosten – insbesondere bei personalisierten Phagenpräparaten – zeigt sich die Phagentherapie bei multiresistenten Infektionen als potenziell kosten­effizient. Durch gezielte bakterielle Elimination, Reduktion von Rückfällen und Einsparung von Antibiotikaeinsätzen könnte sie langfristig sowohl klinisch als auch gesundheitsökonomisch vorteilhaft sein.

Bakteriophagen zeigen bereits heute eine bemerkenswerte Effizienz bei Harnwegsinfekten – insbeson­dere in Kombination mit Antibiotika und bei biofilmassoziierten oder multiresistenten Erregern. Dennoch sind standardisierte Protokolle, kontrollierte Großstudien sowie anwendungsfreundliche Darreichungsformen noch Gegenstand aktueller Forschung.

Fazit

Die aktuelle S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen (AWMF, 2024) rückt bei unkomplizierten Harnwegsinfekten die nicht antimikrobiellen Behandlungsstrategien stärker in den Fokus, um den häufigen Einsatz von Antibiotika und damit verbundene Resistenzentwicklungen gezielt zu reduzieren.
Als mögliche zukünftige Ergänzung könnten Bakteriophagen eine innovative Therapieoption darstellen, die insbesondere bei wiederkehrenden oder resistenten Infektionen neue Perspektiven eröffnet.
Abb.: Erstlinien-Antibiotika bei unkomplizierter Harnwegsinfektion

Dies trifft ebenso auf die Rezidivprophylaxe rezidivierender HWI zu. Bei allen Harnwegsinfektionen bildet die Aufklärung über modifizierbare Risikofaktoren die Basis der Therapie. Hierzu gehören die Trinkmenge (2 − 3 Liter / Tag), Miktionskontrolle (häufige Miktion, kein Pressen, keine Anspannung), Sexualverhalten (Blasenentleerung nach Geschlechtsverkehr innerhalb von 10 − 15 Minuten) sowie eine adäquate Genital­hygiene.

Als Erstlinienmittel bleiben Antibiotika wie Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Pivmecillinam unter Berücksichtigung lokaler Resistenzlagen und substanzbedingter Kollateralschäden bestehen. Fluorchinolone sollten ebenso wie Cotrimoxazol und Cefpodoxim-Proxetil nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden.

Die Indikation zu einer Antibiotikatherapie sollte kritisch gestellt werden. Alternativ können suppor­­ti­ve Phytotherapeutika wie Kapuzinerkresse- / Meerrettichextrakte, Canephron und Cranberries, D-Mannose und anti-inflammatorische NSAIDs wie Ibuprofen eingesetzt werden. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass Faktoren wie eine inkomplette Ausheilung, eine zusätzliche Antibiotikatherapie oder die Entwicklung einer Pyelonephritis unter den Erfolgsraten der Antibio­tikatherapie lagen. Insgesamt lässt sich jedoch durch diese nicht-Antibiotika-haltige Akuttherapie eine Einsparung des Antibiotikaeinsatzes von 63 % erzielen.

Wagenlehner et al. konnten beispielsweise zeigen, dass das Phytotherapeutikum Canephron über sieben Tage eingenommen, der Einmalgabe von Fosfomycin nicht unterlegen ist und eine vergleichbare Symptomlinderung zeigt. Nach entsprechender Aufklärung sollte man daher Patientinnen und Patienten mit einer akuten unkomplizierten Zystitis eine nicht antibio­tische Behandlung anbieten.

Bei rezidivierenden unkomplizierten Zystitiden kann eine Immunisierung mit Impfstoffen wie Urovaxom und Urovac die Rate an rezidivierenden Harnwegsinfekten senken. Postmenopausale Frauen profitieren von einer lokalen vaginalen Östrogenisierung, die mit einer Senkung der Rezidivrate von Harnwegsinfekten verbunden sein kann.

Ausblick

Angesichts des bestehenden hohen Antibiotikaeinsatzes und zunehmender Resistenzen rücken Bakteriophagen als gezielte, bakterien­tötende Viren in den Fokus urolo­gischer Forschung. In der Medizin werden sie derzeit als potenzielle Alternative oder Ergänzung zu ­Antibiotika erforscht und könnten beispielsweise bei Wundinfektionen, Harnwegsinfektionen und Pneumonien therapeutisch eingesetzt werden.

Dabei kommen entweder einzelne Phagen (Mono-Phagen) oder sogenannte „Phagencocktails“ zur Anwendung. Bisherige Daten lassen darauf schließen, dass Phagen in vielen Fällen sowohl eine mikrobielle Clearance als auch symptomatische Besserung bewirken können. So ergab eine systematische Übersichtsarbeit von 2023 bei insgesamt 55 UTI-Studien mit Phagen, dass in 62 % der Fälle eine vollständige Keimfreiheit in der Urinkultur und in 97 % eine klinische Verbesserung erreicht werden konnte.

Kombinierende Strategien – d. h. Phagen und Antibiotika – scheinen in bisherigen Studien noch effektiver zu wirken. Beispielsweise führten Kombinationstherapien bei Acinetobacter-Biofilmen und UPEC-Infektionen (uropathogener E. coli) zu deutlich reduzierter Bakterienlast im Vergleich zur Monotherapie. Phagentherapien gelten bisher insgesamt als gut verträglich, wobei in klinischen Studien meist nur milde unerwünschte Wirkungen wie lokale Reizungen, Fieber oder immunologische Reaktionen beschrieben wurden. Mögliche Risiken wie Endotoxinausschüttung durch bakterielle Lyse oder die Immunisierung gegen Phagenpräparate erfordern jedoch eine sorgfältige Auswahl und Aufbereitung der Phagen sowie standardisierte Herstellungsverfahren.

Trotz teils hoher Initialkosten – insbesondere bei personalisierten Phagenpräparaten – zeigt sich die Phagentherapie bei multiresistenten Infektionen als potenziell kosten­effizient. Durch gezielte bakterielle Elimination, Reduktion von Rückfällen und Einsparung von Antibiotikaeinsätzen könnte sie langfristig sowohl klinisch als auch gesundheitsökonomisch vorteilhaft sein.

Bakteriophagen zeigen bereits heute eine bemerkenswerte Effizienz bei Harnwegsinfekten – insbeson­dere in Kombination mit Antibiotika und bei biofilmassoziierten oder multiresistenten Erregern. Dennoch sind standardisierte Protokolle, kontrollierte Großstudien sowie anwendungsfreundliche Darreichungsformen noch Gegenstand aktueller Forschung.

Fazit

Die aktuelle S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen (AWMF, 2024) rückt bei unkomplizierten Harnwegsinfekten die nicht antimikrobiellen Behandlungsstrategien stärker in den Fokus, um den häufigen Einsatz von Antibiotika und damit verbundene Resistenzentwicklungen gezielt zu reduzieren.
Als mögliche zukünftige Ergänzung könnten Bakteriophagen eine innovative Therapieoption darstellen, die insbesondere bei wiederkehrenden oder resistenten Infektionen neue Perspektiven eröffnet.

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