Menschen mit Typ-2-Diabetes haben nicht nur ein erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, sondern auch eine schlechtere Prognose nach der Diagnose. Die Ursachen dieses Zusammenhangs waren bislang nur teilweise verstanden. Eine aktuelle, groß angelegte Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), publiziert im Journal of Clinical Oncology, liefert jetzt neue, differenzierte Erkenntnisse: Entscheidend ist offenbar, wie „immunaktiv“ das Tumormikromilieu ist – also wie viele Immunzellen im und um den Tumor nachweisbar sind.
Studien-Highlights: Immunzell-Score als Prädiktor für Risiko und Verlauf
Im Rahmen einer bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie mit 4.724 Teilnehmern (darunter 2.321 Darmkrebspatienten) wurde der Immunstatus der Tumoren anhand eines Immunzell-Scores (ICS) bewertet. Dieser Score basiert auf der Dichte von CD3+ und CD8+ T-Zellen sowohl am invasiven Rand als auch im Tumorkern. Die Tumoren wurden in drei Gruppen unterteilt: hohe, mittlere und niedrige Immunzellinfiltration (ICSHi, ICSInt, ICSLow).
Das zentrale Ergebnis:
- Diabetiker mit Tumoren niedriger Immunzellinfiltration (ICSLow) hatten ein signifikant erhöhtes Darmkrebsrisiko (Odds Ratio 1,80) und eine deutlich schlechtere Prognose (Hazard Ratio für krebsspezifisches Überleben 1,99; für krankheitsfreies Überleben 1,53) im Vergleich zu Nichtdiabetikern.
- Bei Tumoren mit hoher Immunzellinfiltration (ICSHi) war das Risiko für Diabetiker hingegen nicht signifikant erhöht.
- Das bedeutet: Der negative Einfluss von Typ-2-Diabetes auf das Darmkrebsrisiko und die Prognose ist vor allem auf Tumoren mit schwacher Immunüberwachung begrenzt.
Pathophysiologie: Wie beeinflusst Diabetes das Tumormikromilieu?
Die Autoren vermuten, dass chronisch erhöhte Blutzucker- und Insulinwerte bei Typ-2-Diabetes nicht nur das Wachstum von Krebszellen fördern, sondern auch die Energieversorgung und Funktion der Immunzellen im Tumorgewebe beeinträchtigen. Dadurch wird die lokale Immunabwehr geschwächt – Tumoren mit ohnehin geringer Immunzellinfiltration („immunkalte“ Tumoren) sind besonders betroffen. Umgekehrt scheint eine starke Immunantwort im Tumor den negativen Einfluss des Diabetes zu kompensieren.
Klinische Konsequenzen: Präzisionsprävention und individualisierte Therapie
Für die diabetologische Praxis ergeben sich daraus mehrere wichtige Implikationen:
- Die immunologische Charakterisierung von Darmtumoren (z.B. durch Bestimmung des Immunzell-Scores) könnte helfen, Hochrisikopatienten zu identifizieren, die von intensiveren Vorsorge- und Therapiestrategien profitieren.
- Diabetiker mit niedrigem Immunzell-Score könnten gezielt für frühere oder häufigere Darmkrebsscreenings und engmaschigere Nachsorge angesprochen werden.
- Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer guten Blutzuckereinstellung und zeigen, dass zusätzlich immunmodulatorische Ansätze in der Forschung und Therapie berücksichtigt werden sollten.
Fazit für die Praxis
Die Studie belegt erstmals, dass Typ-2-Diabetes das Darmkrebsrisiko und die Prognose abhängig vom Immunstatus des Tumors beeinflusst. Für Diabetologen heißt das:
- Die Einschätzung des individuellen Risikos sollte künftig neben klassischen Risikofaktoren auch den Immunstatus des Tumors berücksichtigen.
- Präventions- und Behandlungsstrategien können durch die Integration von metabolischen und immunologischen Aspekten optimiert werden.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Diabetologie, Onkologie und Pathologie wird immer wichtiger, um Patienten mit Typ-2-Diabetes bestmöglich zu versorgen.
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