Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Verordnungsmöglichkeit von Lipidsenkern, wie z.B. den Statinen, bei hohem kardiovaskulärem Risiko an den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse angepasst.
Liegt bei einer Patientin oder einem Patienten das Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden bei mindestens 10 %, können nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) jetzt Lipidsenker (wie z. B. Statine) verordnet werden, auch ohne dass bereits eine behandlungsbedürftige Erkrankung nachgewiesen wurde.
Bislang lag die Risikoschwelle nach der Arzneimittel-Richtlinie bei mindestens 20 %. Von einem hohen Risiko ist nach Maßgabe des G-BA zudem bei Diabetes mellitus Typ 1 mit Mikroalbuminurie sowie bei familiärer Hypercholesterinämie oder einer genetisch bedingten Störung des Cholesterinstoffwechsels auszugehen. Hier ist die Verordnungsmöglichkeit zukünftig generell gegeben. Darüber hinaus hat der G-BA Gruppen definiert, bei denen bereits unterhalb von 10 % ein hohes kardiovaskuläres Risiko bestehen kann. Hier sollen aber nur wenige Gruppen von Betroffenen, bei denen risikoverstärkende Faktoren vorliegen, betroffen sein, wie beispielsweise Menschen mit einer bestimmten schweren psychischen Erkrankung oder einer HIV-Infektion.
Ziel des Beschlusses des G-BA sei es, durch den Einsatz von Lipidsenkern Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen und die Lebenserwartung zu verlängern.
Hintergrund
Im bisher nur als Entwurf vorliegenden Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) wird geregelt:
„Versicherte mit hohem Risiko auf ein kardiovaskuläres Ereignis haben Anspruch auf Lipidsenker. Das Nähere, insbesondere zur Höhe der Ereignisrate, ab der ein Einsatz von Lipidsenkern medizinisch zweckmäßig ist, regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6. In diesen Richtlinien legt der G-BA auch die Komorbiditäten fest, bei denen ein Einsatz von Lipidsenkern unabhängig von bestimmten Ereignisraten medizinisch zweckmäßig ist.“
In der Begründung zu dem genannten Gesetzesabschnitt heißt es: „Viele große Studien haben nachgewiesen, dass Lipidsenker in vielen Fällen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken und die Lebenserwartung verlängern können.
Zur Vorbeugung schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle soll daher die Verordnungsfähigkeit von Statinen auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und medizinischer Leitlinien in bestimmten Risikokonstellationen gestärkt werden […] Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sollen so die Möglichkeit erhalten, Lipidsenker für Patientinnen und Patienten frühzeitiger als zuvor und entsprechend ihrem individuellen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verordnen.“
Fazit
Vorsicht ist trotzdem oder sogar gerade wegen des Beschlusses des G-BA bei der Verordnung von Lipidsenkern geboten. Er ist kein „Freifahrtschein“ für die Verordnung von Lipidsenkern in der Primärprävention. Geregelt ist in der Arzneimittel-Richtlinie immer noch, dass „Lipidsenker grundsätzlich von der Verordnung ausgeschlossen sind. Ausnahmen bestehen bei familiärem Chylomikronämie-Syndrom und zur Sekundärprävention nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ausnahmsweise können Lipidsenker aber auch verordnet werden, wenn ein hohes individuelles Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall besteht. Zu den Risikofaktoren gehören – neben zu hohen Blutfettwerten – unter anderem Alter, Geschlecht, Herzerkrankungen in der Familie und Rauchen.
Vor dem Einsatz von Lipidsenkern ist eine Anpassung des Lebensstils die erste Option zur Vorbeugung. So gesehen besteht potenziell bei einer primärpräventiven Verordnung von Lipidsenkern immer noch eine nicht unerhebliche Regressgefahr, die man aktuell nur mit einer Verordnungsbegründung durch Angabe einer der o. g. Diagnosen nach ICD 10 vermeiden kann.
Autor: Dr. med. Gerd W. Zimmermann, Allgemeinarzt Hofheim am Taunus
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