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Gesund oder ungesund altern – welche Parameter sind entscheidend?: Kenngrößen des Alterns

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Viele Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens zahlreiche Erkrankungen; andere dagegen bleiben bis ins hohe Alter weitgehend gesund. Worin unterscheiden sich diese Alterstypen und welche Umstände führen dazu, dass Menschen gesünder oder weniger gesund altern?

Als zentraler Faktor für ungesundes Altern gilt das „Entzündungsaltern“ (Inflamm-aging) – ein Zustand chronisch erhöhter, oft auch systemischer Entzündung, ohne akute Infektion. Dem chronischen Zustand geht häufig eine subklinische Entzündung (silent Inflammation) voraus. Diese kann aufgrund zahlreicher Auslöser entstehen, die sich teilweise im Labor nachweisen lassen. Dazu zählen etwa persistierende Viren, Bakterien, Zellabbauprodukte, Nahrungsantigene, oxidierte und fehlgefaltete Proteine, Mykotoxine, toxische Metalle, Stress, intestinale proinflammatorische Erreger oder eine gestörte Darmbarriere. Je nach Anzahl der Reize, der Dauer der Exposition sowie der individuellen Empfindlichkeit können sich daraus chronische Entzündungen entwickeln.

Chronische Entzündungen und verstärkte Alterung

Entzündungsreaktionen sind sehr komplex, doch vereinfacht gesagt, umfassen sie drei Schritte: Gefahr erkennen, Gefahr abwehren und anti-inflammatorische Gegenregulation (Eingrenzung und Reparatur entstandener Schäden). Kommt es durch persistierende oder sich akkumulierende Reize zu einer dauerhaften Entzündung, entsteht ein Ungleichgewicht, bei dem die Gefahrenabwehr übermäßig zunimmt und die Gegenregulation zu schwach ausfällt. Dieses Ungleichgewicht betrifft nicht nur das Immunsystem, sondern wirkt sich auch auf Organsysteme wie das Nervensystem, das Mikrobiom, den Darm sowie das Hormonsystem aus. Aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs kann eine persistierende Entzündung eine katabole Stoffwechsellage verursachen, die beispielsweise mit Osteoporose, Osteopenie, Muskelabbau, Kachexie und Typ-2-Diabetes assoziiert ist.

Darüber hinaus führen anhaltende Entzündungen auch zum Verlust von (hämatopoetischen) Stammzellen, wodurch sich deren Regenerationskapazität deutlich verringert. Eine weitere Folge der anhaltenden Entzündung ist oxidativer Stress. Dieser hält einerseits die Entzündungsprozesse aufrecht, indem freie Sauerstoffradikale (ROS, reactive oxygen species) proinflammatorische Signalwege aktivieren; andererseits verursachen ROS zelluläre (DNA-)Schäden sowie mitochondriale Dysfunktionen, die ebenfalls zum Alterungsprozess beitragen. Daher ist es ratsam, antioxidative Kapazitäten soweit wie möglich zu optimieren, um die Schäden so gering wie möglich zu halten.

Immunoseneszenz: Treiber des Inflammagings

Zum Alterungsprozess tragen auch altersbedingte Veränderungen im zellulären Immunsystem bei. Eine wichtige Rolle spielt hier der Thymus, in dem die Reifung von T-Zellen stattfindet. Die Aktivität des Thymus nimmt im Verlauf des Lebens immer weiter ab. Es werden also immer weniger T-Zellen gebildet, wodurch sich bei konstanter Antigen-Konfrontation die T-Zell-Rezeptor-Diversität verringert – und somit auch die Fähigkeit, auf neue Antigene zu reagieren. Folglich ist beispielsweise bei Patientinnen und Patienten mit frühkindlicher Thymektomie eine vorzeitige Immunseneszenz zu beobachten.

Auch die T-Zellen selbst unterliegen einem Alterungsprozess (replikative Seneszenz), in dessen Verlauf ihre Proliferationsfähigkeit abnimmt. Durch diesen Mechanismus schützt sich der Körper vor der Weitergabe von T-Zellen mit DNA-Schäden. Das Problem dabei ist allerdings, dass seneszente T-Zellen vermehrt zytotoxische und pro-entzündliche Substanzen ausschütten (wie Granzym, Perforin sowie IFN-g, TNF-a). Zusätzlich sind sie resistent gegenüber Apoptose (programmierter Zelltod) und gegenüber Immuntoleranz-Mechanismen. Diese Eigenschaften stellen einen wichtigen Treiber des Inflammagings dar. Die Folge: erhöhtes Krebsrisiko, mehr Autoimmunerkrankungen, geringere Immunität gegenüber bekannten Erregern sowie eine verminderte Fähigkeit, auf neue immunologische Herausforderungen (z.B. Impfstoffe) zu reagieren. Die Alterung der T-Zellen (und aller anderen lebenden, menschlichen Zellen) hängt von der Telomerlänge ab. Diese nimmt mit jeder Replikation ab und führt – wenn sie eine kritische Länge erreicht hat – zum Absterben der Zelle.

Beeinflussbarer Alterungsmarker: BDNF

Die Veränderungen der Darmmikrobiota sind bei gesundem und ungesundem Altern eigentlich vergleichbar, sie treten bei gesundem Altern nur deutlich später auf. Wichtige Kennzeichen der intestinalen Alterung sind: geringere Diversität, verminderte Anzahl an Butyratbildnern und mehr proinflammatorische Bakterien. Interessante „Agingmarker“ sind dabei kurzkettige Fettsäuren (SCFA, short chain fatty acids) sowie BDNF (brain derived neurotrophic factor). SCFA üben nicht nur lokale Effekte im Darm aus (z.B. antiinflammatorische Wirkung), sondern beeinflussen auch das zentrale Nervensystem. Hier unterdrücken sie beispielsweise das Hungergefühl und stimulieren die Synthese des BDNF im Hippocampus. Der neuronale Wachstumsfaktor BDNF fördert das Wachstum von Neuronen und Synapsen, stärkt das Langzeitgedächtnis, abstraktes Denken und die geistige Flexibilität.

Erniedrigte BDNF-Spiegel im Blut finden sich bei Patientinnen und Patienten mit chronischem Stress, Depression, Schlafstörungen und – wie so oft – bei Älteren. Dabei ist der BDNF-Abfall im Alter individuell unterschiedlich ausgeprägt. Zugleich zeigen Studien, dass das Serum-BDNF ein entscheidender Faktor bezüglich der Schrumpfung des Hippocampus und dem Gedächtnisverlust im späten Erwachsenenalter ist. Die gute Nachricht ist, dass bereits moderater Sport sowie ballaststoffreiche Nahrung den BDNF-Spiegel erhöhen und die Gedächtnisleistung verbessern können.

Klotho – was ist dran?

Vor einigen Jahren wurde das Anti-Aging-Hormon Klotho intensiv diskutiert, da bei Menschen mit höheren Klotho-Spiegeln eine verlängerte Lebenserwartung beobachtet wurde. Dagegen waren niedrigere Klotho-Spiegel eher mit altersbedingten Erkrankungen wie Arteriosklerose, Nierenschäden oder Alzheimer assoziiert. Die Konzentration im Blut lässt sich therapeutisch erhöhen, etwa mit Metformin, Losartan, Vitamin D, Raucherentwöhnung, antioxidativen Maßnahmen und wiederum durch moderaten Sport. Das ist ein extrem spannender Parameter, über den wir möglicherweise noch einiges hören werden.

Dr. rer. nat. Marion Hofmann-Aßmus

Quelle: Online-Seminar: „Die Biologie und Immunologie des (gesunden) Alterns“, am 30.04.2025, Veranstalter: IMD Labor Berlin

© Jacob Lund – stock.adobe.com

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