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Patient mit chronischen Kopfschmerzen – Kasuistik: Never give up!

Patient mit chronischen Kopfschmerzen – Kasuistik: Never give up!

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Der Patient litt sichtlich – keine Therapie konnte ihm helfen. Viele Jahre lang suchte der Kollege nach der Ursache der chronischen Kopfschmerzen des Patienten. Bis schließlich ein neues ­Untersuchungsverfahren die Lösung fand …

Seit zwanzig Jahren begleite ich einen Patienten mit chronischen Kopfschmerzen. Er war eine Herausforderung für mich, da scheinbar nichts half. Über die Jahre hatte er zahlreiche Spezialisten konsultiert – HNO-Ärzte, Neurologen, Psychologen. Mehrere MRT-Untersuchungen von Kopf und Halswirbelsäule wurden durchgeführt, verschiedenste Schmerzmittel ausprobiert, unzählige Physiotherapiesitzungen absolviert. Doch die Kopfschmerzen blieben.

Seine Diagnose: Trigeminusneuralgie

Trigeminusneuralgie ist ein Nervenleiden, das den fünften Hirnnerv betrifft. Diese Art von Schmerz ist bekannt und in der Regel gut behandelbar – allenfalls auch operativ. Doch bei meinem Patienten waren alle therapeutischen Versuche, alle Ansätze erfolglos. Zwei Jahre, drei Jahre, fünf Jahre – irgendwann weiß man als Arzt: Eine neue Diagnose wird höchst unwahrscheinlich. Wir Hausärzte arbeiten mit Hypothesen, die immer wieder überprüft werden müssen. Werde ich dem Patienten und seinem Problem gerecht, kann ich es lösen?

Mehr als nur ein gelegentliches Ziehen

Kopfschmerzen betreffen etwa 75 % der Bevölkerung irgendwann im Leben. Doch in diesem Fall war es weit mehr als nur ein gelegentliches Ziehen. Der Mann litt sichtlich. Wir probierten weiter, forschten, versuchten andere Ansätze. Eine dritte MRT? Warum nicht? Doch die Ergebnisse blieben immer gleich. Wir traten auf der Stelle.

Die Wende durch neue Diagnostik

Erst der Besuch in einer spezialisierten HNO-Praxis brachte die Wende. Dort schlug man eine DVT-Untersuchung vor – digitale Volumentomographie, ein Verfahren ähnlich dem CT, das vor allem für die Gesichtsschädeldiagnostik eingesetzt wird. Diese Technologie ist noch relativ neu und war bis vor einigen Jahren in vielen Praxen gar nicht verfügbar. Genau hier lag der Schlüssel zur Lösung des Problems.

Die Untersuchung brachte etwas ans Licht, das bisher unentdeckt geblieben war: eine Verlängerung des Processus styloideus. Etwa 4–7 % der Bevölkerung haben diese anatomische Besonderheit. In den meisten Fällen bleibt sie unbemerkt. Doch bei 4–10 % der Betroffenen führt sie zu Symptomen – ein Zustand, der als Eagle-Syndrom bekannt ist, benannt nach dem US-amerikanischen HNO-Arzt Watt Weems Eagle, der es 1937 erstmals beschrieb.

Endlich ein neuer Ansatz gefunden

Was das bedeutet? Der verlängerte Fortsatz kann auf den Trigeminusnerv drücken und dadurch atypische Kopfschmerzen auslösen. Endlich hatten wir einen neuen Ansatz. Bei meinem Patienten entschied man sich für einen operativen Eingriff, bei dem der Processus styloideus entfernt wurde. Alternativ wäre auch eine Cortison-Infiltration möglich gewesen. Der Kopfschmerz war nach der Operation schlagartig verschwunden.

Lektion für die Praxis

Für mich als Hausarzt war dieser Fall eine wertvolle Lektion und ich denke, alle Kollegen kennen solche Verläufe. Jahrelang hatte ich das Gefühl, dass der Patient wirklich leidet und wir keinen Erfolg in der Behandlung haben. Die Diagnose schien festzustehen, die Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Ich wehrte mich auch nicht gegen eine erneute Überweisung an einen Spezialisten, weil ich ein ungutes Gefühl hatte. Doch der Patient und ich haben nicht aufgegeben – und das ist eine der wichtigsten Botschaften, die ich aus dieser Erfahrung mitnehme. Manchmal braucht es Geduld, manchmal neue Technologien oder schlicht den Mut, weiter zu suchen, auch wenn der Weg mühsam erscheint. Der medizinische Fortschritt hat uns letztlich den Weg zur Lösung eröffnet. Und für meinen Patienten war es ein Wendepunkt, der ihn nach vielen Jahren zurück ins schmerzfreie Leben geführt hat.

Autor: Dr. med. Giovanni Fantacci

Bildquelle: © Daniels C/peopleimages.com– stock.adobe.com

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