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Chikungunya, Dengue und Co – die Bedrohung rückt näher: Viel Neues von der STIKO zu Reise-Impfungen

Chikungunya, Dengue und Co – die Bedrohung rückt näher: Viel Neues von der STIKO zu Reise-Impfungen

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Eigentlich exotische ­Infektionen kommen 
immer näher. Dem trägt 
die ­STIKO Rechnung, indem sie außer der Reihe ihre 
Impfempfehlungen ­geändert, erweitert und konkretisiert hat. Ein Überblick

Da muss schon ein ganz besonderer Anlass vorliegen, wenn die STIKO mitten im Jahr ihre Empfehlungen ändert, erweitert, konkretisiert. Und in der Tat sind die Bedrohungen vor allem durch die „Reise-Krankheiten“ Dengue-Fieber und Chikungunya aus exotischer Ferne in allernächste Nähe gerückt. Der Klimawandel macht’s möglich! Nicht-Reise-assoziierte, also autochthone Fälle von Chikungunya traten eben erst in nächster Nähe zur wärmsten Region Deutschlands auf, im dem Breisgau benachbarten Elsass. Doch auch Italien und Spanien melden die ersten solchen lokalen Übertragungen von Dengue.

Chikungunya (CHIKV)

Diese Viruserkrankung tritt am häufigsten in Afrika, Asien, der Karibik sowie in Süd- und Mittelamerika auf, wobei immer mehr Fälle auch in Europa (ganz überwiegend bei Reiserückkehrern) und den USA gemeldet werden.

Chikungunya wird von Mücken übertragen, am häufigsten von Aedes aegypti und Aedes albopictus, die auch Dengue- und Zika-Viren übertragen können. Im sylvatischen Zyklus zirkuliert CHIKV zwischen nicht-menschlichen Primaten und anderen Säugetieren sowie Mücken. Eine Virusübertragung kann in nahe gelegene menschliche Populationen erfolgen, die in oder in der Nähe der waldreichen Umgebung leben. Im urbanen Zyklus wird das Virus in städtischen Gebieten durch Aedes-Mücken zwischen Menschen übertragen, wobei der Mensch während eines Ausbruchs als Hauptreservoir dient. Die kurze Inkubationszeit beträgt nur drei bis sieben Tage.

Häufige Symptome sind Fieber, Hautausschlag, Kopf- und Muskelschmerzen und plötzlich auftretende schwere Arthralgie, vor allem bei Kindern auch Husten und Erbrechen sowie Rhinitis und Hepatomegalie. Der Name Chikungunya leitet sich von einem tansanischen Wort für „der gekrümmt Gehende” ab, um die Art und Weise zu beschreiben, wie schwer betroffene Patienten aufgrund lähmender Schmerzen oft ein massiv gebücktes Aussehen annehmen. Die meisten Infektionen verlaufen mild, nur etwa 2 % führen zu schweren Symptomen. Selten kann eine Enzephalitis ausgelöst werden. Die meisten Betroffenen erholen sich innerhalb einer Woche bis zehn Tage nach Krankheitsbeginn. Aber 30 bis 40 % der Betroffenen entwickeln die beschriebenen chronischen Gelenkschmerzen und Arthritiden, manchmal auch verbunden mit Fatigue-Symptomen, die Monate oder sogar Jahre anhalten können. Es stehen keinerlei kausale, nur symptomatische Behandlungsoptionen zur Verfügung.

Umso wichtiger ist es, die Potenziale der Prävention gezielt und sinnvoll einzusetzen. Da das allgemeine Risiko bei Reisen in Endemiegebiete als gering einzustufen ist, aber entscheidend steigt bei einer Reise in ein aktuelles Ausbruchsgebiet, wird die Impfung von der STIKO bei Reisen in Gebiete empfohlen, für die ein aktuelles Chikungunya-Ausbruchsgeschehen bekannt ist, oder bei wiederholten Aufenthalten in einem Endemiegebiet, sowie für Personen, bei denen ein erhöhtes Risiko für eine Chronifizierung oder einen schweren Krankheitsverlauf besteht.

Die STIKO empfiehlt hierfür einen der beiden verfügbaren Impfstoffe gegen Chikungunya einzusetzen in einem 1-Dosis-Schema (auch da für die beiden erst seit kurzem zur Verfügung stehenden Impfstoffe noch keine Daten bezüglich der Notwendigkeit einer Auffrischimpfung vorhanden sein können).

  1. Den attenuierten Lebendimpfstoff Ixchiq für Personen im Alter von zwölf bis 59 Jahren. Die Altersbegrenzung nach oben wurde am 11.7.2025 von der EMA und in den Fachinformationen aufgehoben, aber (noch) nicht in der STIKO-Empfehlung. Ixchiq ist – wie andere Lebendimpfstoffe auch – kontraindiziert für Schwangere, Stillende und immunsupprimierte Personen.
  2. Den Totimpfstoff Vimkunya ohne solche Einschränkungen für alle Personen im Alter von zwölf Jahren und darüber, ohne Altersbegrenzung nach oben.

Und die STIKO erweitert ihre Empfehlung selbst auf Personen, die gezielte Tätigkeiten mit Chikungunya-Viren gemäß Biostoffverordnung ausüben. Auch diese sollten einen der beiden Impfstoffe unter Berücksichtigung der jeweiligen Altersgruppen als beruflich indizierte Impfung erhalten.

Der zuständige Ausschuss der EMA betonte im Juli 2025, dass der Lebend-Impfstoff Ixchiq nur nach sorgfältiger Abwägung von Risiken und Nutzen verwendet werden sollte, wenn ein erhebliches Risiko einer Chikungunya-Infektion besteht und nach sorgfältiger Bewertung des individuellen Nutzen-Risiko-Profils. Gesundheitsfachkräfte werden daran erinnert, dass Ixchiq bei immungeschwächten Personen aufgrund des erhöhten Komplikationsrisikos durch Lebendimpfstoffe weiterhin kontraindiziert ist.

Dengue-Fieber

Dies ist weltweit die häufigste durch Stechmücken (vor allem Aedes-Arten, seltener durch Tigermücken) übertragene humanpathogene Virus-Erkrankung. Aktuelle Daten: Jährlich über 400 Millionen Infizierte, über 100 Millionen Krankheitsfälle, von denen mehr als 40.000 letal verlaufen. In den letzten 20 Jahren kam es zu einer mehr als Verzehnfachung der gemeldeten Fälle dieser eine hohe Morbidität, aber geringe Mortalität induzierenden Erkrankung. Bei weitem am häufigsten kommt es zu einem asymptomatischen Verlauf, was bezüglich der Impfung von erheblicher Bedeutung ist.

Das manifeste Krankheitsbild äußert sich meist durch grippeähnliche Symptome wie hohes Fieber, starke, oft hinter den Augen lokalisierte Kopfschmerzen, dazu Muskel- und Gelenk-, manchmal auch Bauchschmerzen, die ebenfalls sehr ausgeprägt sein können. Dengue trägt daher auch die Bezeichnung „Knochenbrecher-Fieber“. Unspezifische Exantheme und eine Lymphadenopathie können das Fieber weiter begleiten. Besonders bei wiederholten Infektionen und bei Kindern kann es zu bedrohlichen Verläufen mit – auch inneren – Blutungen, Schockzuständen und (Poly-)Organversagen kommen. Häufig dagegen sind lang anhaltende Fatigue-artige Müdigkeits- und Erschöpfungszustände.

Auch gegen das Dengue-Fieber steht uns keine spezifische Therapie zur Verfügung, aber effiziente, Todesfälle verhindernde symptomatische Behandlungsmöglichkeiten.

Da es bei Primär-Infektionen nur selten zu schweren Verläufen kommt und bei „Dengue-Naiven“ eine Impfstoff-Effizienz nicht gesichert werden konnte, empfiehlt die STIKO eine Impfung mit dem einzigen zugelassenen Lebendimpfstoff Qdenga nur nach laborchemisch gesicherter Erstinfektion ab dem Alter von vier Jahren vor Reisen mit erhöhtem Expositionsrisiko (z.B. längerer Aufenthalt) in Endemie-Gebiete. Haupt-Endemiegebiet (hier über 75 % aller Fälle) ist Südostasien. Vorkommen gibt es weiter in Afrika, Mittel- und Südamerika – und aktuell eben auch in Frankreich, Italien, Spanien.

Die Impfung erfolgt durch zwei Dosen Qdenga im Mindestabstand von drei Monaten. Keine Impfung erhalten dürfen Schwangere, Stillende und Immunsupprimierte. Diese Impfung soll ebenso bei beruflicher Exposition erfolgen.

Der Impfstoff Qdenga ist kombinierbar mit Gelbfieber- und Hepatitis-A-Impfstoffen. Die Koadministration mit anderen Impfstoffen ist in Prüfung. Derzeit liegen noch keine Daten zur evtl. Notwendigkeit von Auffrisch-Impfungen vor. Die STIKO wird die Datenlage kontinuierlich prüfen und die bestehende Empfehlung – sofern notwendig – anpassen.

Da Reisende das Virus verbreiten und damit autochthone Infektionen induzieren können, hat das RKI diese Empfehlung ausgesprochen: Mückenschutz für 14 Tage nach Rückkehr aus einem Endemie-/Risikogebiet – auch wenn Symptomfreiheit besteht!

MPox

Auch zu MPox hat die STIKO aktuell ihre Impf-Empfehlung überarbeitet und erheblich erweitert.

Indikation zur präventiven Impfung:

  • Als Indikationsimpfung: Personen mit einem erhöhten Expositionsrisiko (z.B. Männer und trans- sowie nicht-binäre Personen, die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln, sowie Sexarbeitende). Dabei sind die Packungsbeilage/Fachinformation exakt zu beachten.
  • Als beruflich bedingte Impfung: Personen, die gezielte Tätigkeiten mit Mpox-Viren (MPXV) gemäß Biostoffverordnung ausüben (z.B. in Forschungseinrichtungen oder Laboratorien).

Zur praktischen Durchführung der präventiven Impfung rät die STIKO: Für die Grundimmunisierung werden bei Personen ab zwölf Jahren subkutan zwei Impfstoffdosen Imvanex (Modified Vaccinia Ankara, Bavarian Nordic [MVA-BN]) im Mindestabstand von 28 Tagen verabreicht.

Bei immunkompetenten Personen, die in der Vergangenheit gegen Pocken (Variola major) geimpft worden sind, reicht eine einmalige Impfung aus.

Immundefiziente Personen (z.B. HIV-Infizierte) sollen unabhängig von einer Pockenimpfung in der Vergangenheit eine zweimalige Impfung zum Schutz gegen Mpox erhalten.

Indikation zur postexpositionellen Impfung:

  • Nach engem körperlichem Kontakt über nicht intakte Haut oder über Schleimhäute (z.B. sexuelle Kontakte, zwischenmenschliche Kontakte von Haushaltsangehörigen) oder nach längerem ungeschützten face-to-face-Kontakt in weniger als 1 Meter Abstand mit einer an Mpox erkrankten Person (z.B. Haushaltskontakte) und nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material (z.B. Kleidung oder Bettwäsche von Erkrankten).
  • Nach engem Kontakt ohne ausreichende persönliche Schutzausrüstung (Handschuhe, FFP2-Maske/medizinischer Mund-Nasen-Schutz und Schutzkittel) zu einer Person mit einer bestätigten Mpox-Erkrankung, ihren Körperflüssigkeiten (z.B. Nadelstichverletzung) oder zu potenziell infektiösem Material (z.B. Kleidung oder Bettwäsche von Erkrankten) in der medizinischen Versorgung.
  • Für Personal in Laboratorien, die akzidentell ungeschützten Kontakt zu Laborproben haben, die nicht inaktiviertes Mpox-Virus-(MPXV-)Material enthalten, insbesondere wenn Virusanreicherungen in Zellkulturen vorgenommen werden.

Zur praktischen Durchführung der postexpositionellen Impfung rät die STIKO konkret: Postexpositionelle Impfung mit Imvanex (Modified Vaccinia Ankara, Bavarian Nordic [MVA-BN]) von asymptomatischen Personen ab zwölf Jahren frühestmöglich in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen nach der Exposition.

Wenn nach Verabreichung der postexpositionellen Impfung keine Mpox-Erkrankung aufgetreten ist und ein anhaltendes Expositionsrisiko besteht, sollte eine zweite Impfstoffdosis in einem Mindestabstand von 28 Tagen zur ersten Impfstoffdosis verabreicht werden, um die Grundimmunisierung abzuschließen.

Bei immunkompetenten Personen, die in der Vergangenheit gegen Pocken (Variola major) geimpft worden sind, reicht eine einmalige Impfstoffgabe aus.

Riegelungs-Impfung

Bei örtlichen Infektionshäufungen (Ausbrüchen) kann eine Riegelungsimpfung von Personen ab zwölf Jahren erfolgen, auch ohne Nachweis eines direkten oder indirekten Kontakts zu einer erkrankten Indexperson.

Zur praktischen Durchführung siehe unter Postexpositionelle Impfung.

Auch zur Mpox-Impfung konnte die STIKO bisher keine Empfehlung zu einer evtl. erforderlich werdenden Auffrisch-Impfung entwickeln.

Gelbfieber

Erinnert werden soll daran, dass die STIKO bereits 2022 eine solche Auffrisch-Empfehlung zur Gelbfieber-Impfung ausgesprochen hat: Sind zehn oder mehr Jahre nach einer Gelbfieber-Impfung vergangen, so sollte vor erneuter oder bei fortgesetzter Exposition eine einmalige Auffrischimpfung erfolgen. Nach einer zweiten Dosis seien keine weiteren Auffrischimpfungen notwendig.

Leider kann die STIKO zu manch weiteren, uns konkret auf Reisen und immer mehr auch in der Heimat bedrohenden Erkrankungen, wie Zika-, Oropouche-Virus, West-Nil-Fieber, Ebola, aber auch Malaria (noch) keine Impf-Empfehlungen geben. Sei es, dass noch keine sicher schützenden und nebenwirkungsarmen Impfstoffe entwickelt werden konnten, oder aber, dass solche bei uns noch nicht zugelassen wurden, bzw. nicht zur Verfügung stehen. Hier empfiehlt die STIKO die Durchführung eines konsequenten Mückenschutzes.

Zu sehr vielen weiteren Reise-Risiken hat die STIKO aber in ihrem Epidemiologischen Bulletin 14/2025 auf weit über 200 Seiten präzise, auch auf einzelne Länder und spezielle Reiserisiken bezogene Empfehlungen publiziert, die nur darauf warten, dass wir diese an unsere Patienten weitergeben.

Autor: Dr. med. Ulrich Enzel

© Aedes aegypti – stock.adobe.com

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