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Wechsel der Praxisverwaltungssoftware: Die PVS – oder 
hin, ohne ­zurück

Wechsel der Praxisverwaltungssoftware: Die PVS – oder 
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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Unsere Praxis ist das Abenteuer eingegangen, die Praxisverwaltungssoftware zu wechseln. Welchen Gefahren wir begegneten und ob wir obsiegten, erfahren Sie hier.
Ein Kommentar von „Der Allgemeinarzt“-Herausgeber Dr. med. Torben Brückner

Teil 1

Vor einigen Jahren bin ich in eine Gemeinschaftspraxis eingetreten und wusste nichts über die Besonderheit Praxisverwaltungssoftware (PVS). Ich ließ mir zuvor die Wirtschaftszahlen der letzten Jahre zeigen, die Räumlichkeiten. Lernte die MFAs und die Patienten bei Hospitationen kennen. Letztlich fiel die Entscheidung auch aufgrund der Wohnortnähe. Dass aber die PVS eines der entscheidendsten Kriterien bei Praxiseintritt oder -übernahme sein kann, wurde mir erst als Praxisinhaber über die Zeit so richtig bewusst. 

Dabei lernte ich in meiner Weiterbildungszeit zahlreiche PVS kennen. Im Krankenhaus erlebte ich Programme, die fast gar nicht benutzt wurden, papierne Akten gewälzt und Röntgenanmeldungen noch gefaxt wurden; oder aber auch solche Programme, mit denen ich sogar die Medikamente verordnen konnte und schwere Visitenwagen mit richtigen Computern noch durch die Gegend schob.

In meiner Praxiszeit erfuhr ich von meinen weiterbildenden Ärztinnen bzw. Ärzten nichts von der Bedeutung der PVS. Ich weiß letztlich bis heute nicht mal, wie die Programme im Nachhinein hießen. Ich benutzte sie einfach mehr schlecht als recht. Vielleicht hatte alles auch noch nicht so eine große Bedeutung vor zehn Jahren, weil außer, dass das Internet mal nicht funktionierte oder der Server neu zu starten war, gab es eher seltener Computerprobleme.

Immer wieder tägliche Fehlermeldungen

So durfte ich als Praxisinhaber die Zeit des Einzugs der Telematik in die Praxen live miterleben, als man anfing die Hoheit über die Praxis-EDV vollständig abzugeben und sich richtig zu binden. Wir erhielten dafür Jahre später eAU, eRezept oder die elektronische Patientenakte (ePA). Leider aber dafür immer wieder tägliche Fehlermeldungen – mal funktionierte dies nicht oder das nicht. Ich verbrachte teilweise mehr Zeit damit, meinem Computersystem zu helfen als meinen Patienten. Die Wartezeit, die ich am Telefon in der Warteschleife in der Hotline der PVS verbrachte, hätte kein Patient in unserem Wartezimmer mitgemacht. Mal klappte eine e-Funktion nicht, mal sponn die Verbindung zum Drucker oder alles ging nicht mehr, was eigentlich das am einfachsten zu lösende Problem war: Häufigste Lösung – einfach alles herunterfahren und gucken, was kommt. Ach, wenn nur bei allen Dingen im Leben ein Neustart nutzen würde.

Praxis-Berater wie „Zolleintreiber des Königs“

Der Wunsch nach einem Wechsel der PVS wuchs in mir über die Jahre. Darunter das Leiden durch die „Praxis-Berater“ des aktuellen PVS-Unternehmens, die von Zeit zu Zeit in die Praxis kamen wie „Zolleintreiber des Königs“ und von Dingen redeten, von denen sie genau wussten, dass man es nicht mehr richtig verstand und sie nur noch (verkaufssteigernde) Angst hinterließen.

Doch wie wechseln? MFAs bzw. Ärztinnen und Ärzte in der Praxis sollen mitgenommen werden. Schließlich geht es nicht nur um ein neues Sonogerät oder geänderte Terminkalender. Das am häufigsten genutzte Werkzeug einer Praxis wird grundlegend verändert.
Wie gingen also wir vor? Erstmal machten wir uns Mut mit: „Der Weg ist das Ziel“ oder „Eine Reise von 1.000 Meilen beginnt mit einem ersten Schritt“ und fragten Kolleginnen und Kollegen, die wir kannten in der näheren Umgebung und weiter weg, welche PVS sie benutzten und nach dem Für-und-Wider.

Hübsch ist nicht gleich schön

Leider lassen sich die PVS-Unternehmen nicht so gern öffentlich in die Karten gucken. Wollte man ein Programm näher kennenlernen, konnte man nicht einfach Videos auf YouTube gucken, sondern musste direkten Kontakt mit den Anbietern aufnehmen und bekam Zugang zu Probe­versionen. Oder man verbrachte seine Zeit auf hausärztlichen Kongressen, auf denen keine Pharma­stände mehr aufgebaut werden, sondern die der PVS-Anbieter. Dabei spielt das Äußere natürlich eine Rolle. Der erste Blick auf die Hauptseite der Patientenakte der jeweiligen PVS lässt einen näher kommen oder rasch weitergehen. Aber natürlich gilt: Hübsch ist nicht gleich schön. Und die Bedienbarkeit einer PVS ist tausendmal wichtiger als deren Buntheit. 

So fassten wir drei Programme in die engere Auswahl und öffneten übermüdet abends nach dem Praxisalltag die Demoversionen und versuchten uns intuitiv und mittels einfachen Anleitungen durchzuklicken. Dabei schauten wir natürlich direkt nach Funktionen unserer bisherigen PVS, wie diese im Vergleich in den anderen PVS aufgebaut waren. Das kann abschreckend sein, aber auch sehr bereichernd. Selbstverständlich ist das Gras auf der anderen Seite nicht immer grüner. Anfangs verzweifelten wir an den neuen Programmen, weil wir uns nicht gleich zurechtfanden, was rasch dazu führen kann, abzu­brechen. Doch je mehr wir uns mit den anderen PVS beschäftigten, desto mehr Vorteile entdeckten wir.

Die MFA mit einbinden!?

Hilfreich war letztlich der Einsatz im Alltag durch Hospitationen in einer anderen Praxis – auch wenn es großen Zeitaufwand kostet. Zu überlegen ist, zumindest eine MFA mitzunehmen, um ihr die für die MFA relevanten Funktionen des Programms zeigen zu lassen. Dabei besteht aber auch das Risiko, dass die MFA vielleicht dann das Programm, das man selbst haben möchte, voreilig ablehnen wird. Daher der Tipp – erstmal allein hospitieren und das Feld abstecken.

Natürlich muss man das ganze Team mitnehmen – doch das geht nicht immer bei allen. Leider ebenso wichtig ist die eigene Zufriedenheit, auch da der Wechsel viel Zeit, Kraft und einiges an Geld kostet. Mir ist das Wohlergehen unserer MFAs natürlich das höchste Gut und MFAs freuen sich am meisten bezüglich der Praxis-EDV, wenn eine PVS reibungslos läuft und ihnen Arbeit abnimmt – und nicht schafft. Und dabei ist womöglich das „hässliche Entlein“ unter den PVS am Ende doch der „schöne Schwan“.
Wir merkten rasch, das Projekt Wechsel der PVS wird ein weiter Weg sein.

Teil 2

Die Kosten der einzelnen Praxisverwaltungssoftware (PVS) sind deutlich unterschiedlicher als ich gedacht hätte. Dabei geht es mir nicht um 100 oder 200 Euro mehr im Monat an Grundkosten, daran soll ein Wechsel der PVS nicht scheitern. Wichtiger ist, was ist grundsätzlich beim Grundpreis integriert: Zusatzfunktionen wie Impfmanagement, medizinische Scores, externer Anschluss oder die Module zur „Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) – alles vorhanden oder ist etwas extra zu „blechen“? Und wenn ja wie viel? Ebenso kostensparend: Existiert eventuell ein guter Support in der Nähe, der bei Problemen günstiger und rascher handeln kann als das Hauptunternehmen der PVS?

Persönlicher Support als Vorteil

Für unsere neue PVS gibt es eine kleine, aber persönliche Supportfirma – bei der man die Mitarbeiter:innen mit der Zeit beim Namen kennt – direkt im Nachbarort. Anfahrtspauschale für den Techniker zu uns in der Rechnung: 2,85 Euro, falls es mal mit der Fernwartung nicht ausreicht. Wenn ich sie bei Problemen telefonisch nicht erreiche, könnte ich direkt mit dem Fahrrad ­rüberfahren und vor Ort nachfragen.
Notwendigkeit des Wechsels 
durch Hardwareanforderungen
Unser Wechselwunsch drängte auch deshalb, da ein Großteil unserer Praxiscomputer wegen der Umstellung auf Windows 11 – der Support für Windows 10 endet im Oktober 2025 – ausgetauscht werden müssen, da sie die Anforderung der Software nicht mehr erfüllen. Der Kostenvoranschlag unserer aktuellen PVS-Anbieter allein für neue Hardware inklusive Kosten der Techniker lag deutlich höher als das Angebot der neuen PVS-Anbieter, sodass unterm Strich eine deutliche Differenz übrig blieb, um daraus gefühlt die Wechselkosten ohne schlechte Gewissen bezahlen zu können. Dass letztlich die neue PVS uns monatlich nur noch die Hälfte kosten würde im Vergleich zur bisherigen, relativierte die Gesamtwechselkosten nochmal deutlich.

Entscheidung für die neue PVS

Dass wir wechseln würden, war also klar, relativ rasch auch, welche PVS es werden würde. Uns überzeugte dabei besonders das Programm in seiner Art – schlicht, dafür schnell und hochfunktionell. Besonders aber wechselten wir zu einem Unternehmen, dass eine ganz andere Geschäftspolitik verfolgt als unser bisheriger PVS-Anbieter. Dieser schrieb in den vergangenen Jahren stets den gleichen Brief, in dem eine Erhöhung der Grundgebühren verkündet wurde. Weil leider, leider ja wieder mal Ressourcen, Gehälter usw. alles teurer geworden sei und leider, leider man die Kosten weitergeben müsste an die lieben Praxen. Was sie nicht schreiben, war mein eigener Eindruck eines Grundes: weil sonst die Inhaber/Teilhaber/Aktionäre (wie auch immer) ja weniger verdienen würden. Interviews mit der Firmenleitung machten klar, dass satte Gewinne eingefahren wurden und wo sie landeten – zu Investitionen ins Wachstum des Unternehmens und Kauf neuer Programme, die dann für noch mehr Geld angeboten werden.

Risiken bei der Auswahl des Anbieters

Natürlich, wer seine Entscheidung nach dem Unternehmen richtet, sollte immer bedenken, dass die Großen gern die Kleinen irgendwann schlucken, und man nach dem Wechsel womöglich erneut in deren Fängen landet. Zudem gibt es auch PVS, die – von innovativen Start-Ups betrieben – noch relativ jung sind und das Risiko bergen, Konkurs zu gehen. Nächste Hürde nach der Auswahl der PVS war, den genauen Zeitpunkt des Wechsels festzulegen. Gern schiebt man den Moment wie alle anstrengenden Unternehmungen etwas weiter weg. Auch wenn man wechseln möchte, muss es ja nicht gleich sofort sein. Da Windows 10 gegen Ende Oktober 2025 ausläuft, gedachten wir den Austausch Anfang Oktober vorzunehmen direkt zum Quartalswechsel in Zusammenhang mit den Schulferien. Unser PVS-Support riet davon ab, da ein Wechsel direkt zu Beginn des Quartals Nachteile mit sich bringt: Es kommen zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise die meisten Patienten, um die Karte einlesen zu lassen oder Überweisungen abzuholen. Man wäre mit dem neuen Programm durch die Eingewöhnung schon deutlicher langsamer in der ersten Zeit. Hinzu kämen die beginnende Infektzeit und Grippeimpfungen.

Motivation zum früheren Wechsel

Den berühmten Tritt in den Hintern gab mir auch ein befreundeter Hausarzt, der schon vor Jahren die PVS gewechselt hatte und immer ein offenes Ohr für einen hat. Als ich ihm Ende 2024 von unserem festen Wechselwunsch schrieb und den Termin von Oktober erwähnte, schrieb er nur einen Satz zurück: „Warum so spät?“ Er hatte Recht. Warum warten? Als gebürtiger Schleswig-Holsteiner kann ich nur sagen: „Wat mutt, dat mutt.“ Etwas Vorlaufzeit brauchten wir jedoch schon und wählten einen Termin in der dritten Juliwoche – mitten in den Sommerferien. Ideal, da tatsächlich weniger Patienten vorbeikämen und der erste „Quartalsrun“ durch war.

Technische und organisatorische Details

Die eingelesenen Karten und Abrechnungsziffern würden in die neue PVS übertragen werden, sodass keine nach PVS getrennte Abrechnung erforderlich sein würde. Lediglich die Privatrechnungen und BG-Fallrechnungen mussten wir vor dem Wechsel fertig stellen. Wobei auf die alte PVS im Kern zurückgegriffen werden kann, um auch die früheren Rechnungen aufzurufen und Zahlungen noch verbuchen zu können. Vor dem eigentlichen Wechsel wird zudem eine Probekonvertierung durchgeführt, um zu prüfen, inwieweit es mit der Übertragung klappt, diese Termine sind mit einzuplanen. Aufgrund des Wechsels nicht nur der PVS, sondern auch des Austauschs fast aller Computer benötigten wir zwei Tage, an denen wir komplett die Praxis zugemacht haben – ohne Hardwarewechsel wäre es ein Tag geworden. Unbedingt zu beachten ist das Absprechen eines genauen Zeitplans. Zumal die Konvertierung in unserem Fall schon am Vorabend für Übernacht gestartet wurde.

Der Tag des Wechsels

Wir schlossen also am Dienstag und Mittwoch. Am Montagabend behandelte ich die letzten Patienten und als ich sagte: „nun ist Schluss“ – rief ich den IT-ler des Support-Unternehmens an und übergab das Hirn unserer Praxis an die zukünftige PVS. Es war ein wenig vergleichbar als wenn man die Quartalsabrechnung abschickte – für einen Moment bekommt man das Gefühl, in diesem Augenblick steht die Welt kurz still. Nur dass sich nun alles ändern wird mit dem PVS-Wechsel – wer weiß ob es klappt und wer weiß, ob man jemals wieder zufrieden arbeiten kann.

Absicherung für den Notfall

Letztlich haben wir uns immer eine Hintertür offen gehalten. Wir haben der alten PVS-Firma nicht zuvor gekündigt, sondern erst nach dem Wechsel, um die alte PVS im Fall des Falles problemlos wieder in Betrieb nehmen zu können. Zudem konnten wir ohnehin nur zum Quartalsende kündigen, doppelte PVS-Kosten für ein Quartal fielen also definitiv an. Aber darauf kam es nun auch nicht mehr an.

Teil 3

folgt …

Die wichtigsten Tipps von Dr. Torben Brückner für den PVS-Wechsel ­finden Sie hier

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