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CPPS in der Praxis erkennen und gezielt behandeln

CPPS in der Praxis erkennen und gezielt behandeln

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Das chronische Beckenschmerzsyndrom (Chronic Pelvic Pain Syndrome, CPPS) zählt zu den häufigsten urologischen Diagnosen bei Männern unter 50. Da eine kausale Therapie fehlt, rücken symptomorientierte Ansätze der Prostatitis – insbesondere Phytotherapie – in den Fokus. Hier ein Fallbeispiel aus ­meiner Praxis.

Im Frühjahr 2023 stellte sich ein 52-jähriger Patient mit seit etwa ­einem Jahr zunehmenden Beschwerden vor: diffuse Schmerzen im kleinen Becken (vor allem perineal und urethral), Pollakisurie tags und nachts, Startschwierigkeiten bei der Miktion, abgeschwächter Harnstrahl und das Gefühl unvollständiger Blasenentleerung. Auch die Erektions­fähigkeit hatte abgenommen, was der Patient auf einen ­Libidoverlust zurückführte. Eine fünf Jahre zurückliegende akute Prostatitis war die einzige Auffälligkeit in der Vorgeschichte.

Symptomvielfalt erfordert 
differenzierte Diagnostik

Die Prostatitis wird in vier Klassen eingeteilt. Nur in Klasse I, der akuten bakteriellen Form, lassen sich Keime nachweisen (10 % der Fälle). In Klasse III, die rund 90 % der Fälle betrifft, bleibt der Keimnachweis aus. Gleichzeitig ist das CPPS durch Beschwerden in mehreren Symptomdomänen wie Miktion, Schmerz, Sexualfunktion und Lebensqualität geprägt. Hinzu kommen teils depressionsähnliche Beschwerden wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit oder Lustlosigkeit. Entsprechend breit und symptomorientiert muss die Diagnostik erfolgen: Neben Anamnese, körperlicher Untersuchung, Labordiagnostik und Bildgebung zum Ausschluss eines Prostatakarzinoms sind auch Infektionen und Blasenentleerungsstörungen differenzial­diagnostisch zu prüfen.

Einordnung mittels standar­disierter Fragebögen

Für die weiterführende Differenzierung empfiehlt sich eine mikrobiologische Untersuchung mittels 2- oder 4-Gläser-Probe, um eine adäquate Zuordnung im Prostatitis-Spektrum zu ermöglichen. Ergänzend helfen validierte Fragebögen wie IPSS (International Prostate Symptom Score; Miktion), IIEF-5 (International Index of Erec­tile Function; erektile Funktion) und der speziell für chronische Prostatitis entwickelte NIH-CPSI (Chronic Prostatitis Symptom Index), der Schmerz, Miktion und Lebensqualität abbildet3. Letzterer eignet sich auch zur Verlaufskontrolle.

Diagnostik: unauf­fälliger Befund,
deutliche Symptome

Die körperliche Untersuchung meines Patienten ergab einen unauffälligen Allgemein- und Ernährungszustand. Abdomen und Genital waren unauffällig, skrotal bestand jedoch ein mäßiger Druckschmerz. Die digital-rektale Untersuchung zeigte eine leicht druckdolente Prostata von ca. 30 g. Sonografisch fielen mehrere Prostataverkalkungen sowie ein Restharn von 60 ml bei einem Prostatavolumen von 33 ccm auf. Der obere Harntrakt war unauffällig. Laborchemisch zeigte sich ein leicht erhöhter PSA-Wert von 6,2 ng / ml bei einem grenzwertigen freien PSA-Quotienten von 15 %. Ein daraufhin veranlasstes mpMRT der Prostata ergab Pi-RADS-2-Läsionen, jedoch keinen Hinweis auf ein Karzinom. Mikrobiologisch konnten keine Keime nachgewiesen werden. Die standardisierte Befragung ergab:
IPSS: 21 Punkte (schwere Mik­tionsstörung)
IIEF-5: 13 Punkte (deutlich eingeschränkte Erektion)
NIH-CPSI: 12 Punkte (Schmerz), 4 Punkte (Miktion), 7 Punkte (Lebensqualität)

Multimodale Behandlung schließt 
Phytotherapie ein

In der Therapie von CPPS hat sich der multimodale UPOINT-Ansatz etabliert, der das Beschwerdebild in sechs Subdomänen unterteilt:

  • Urinary (Miktion)
  • Psychosoziale Faktoren
  • Organspezifische Beschwerden
  • Infektion
  • Neurogene und muskuläre Beschwerden im kleinen Becken
  • Tenderness (perinealer Schmerz)

Ergänzend kann als siebte Domäne sexuelle Dysfunktion berücksichtigt werden. Diese Einteilung schafft die Grundlage für ein individuelles, multimodales Therapiekonzept. Denn kurative Ansätze wie antibiotische und antiinflammatorische Therapien bringen bei CPPS meist keine nachweisbare Besserung3. Im Gegensatz dazu zeigen symptomatische Ansätze wie Physiotherapie und zur Langzeittherapie geeignete Phytotherapeutika eine statistisch signifikante Linderung der Beschwerden und Verbesserung der Lebensqualität.


Phytotherapeutikum: Wirkung und Evidenz

Die EAU-Leitlinie zur chronischen Prostatitis bescheinigt Phytotherapie eine 1a Evidenz und empfiehlt den Gräserpollenextrakt Pollstimolâ (ehemals Cernilton) namentlich. Das in Deutschland einzige für CPPS spezifisch zugelassene Arzneimittel enthält einen Extrakt aus den Pollen von Roggen, Timothy Gras und Mais7 und wirkt antiphlogistisch, antikongestiv sowie antiproliferativ. In einer GCP-konformen, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie berichteten 70 % der Männer mit entzündlichem CPPS (NIH-Kategorie IIIA) nach zwölf Wochen Behand­lung mit dem Gräserpollenextrakt von ­einer signifikanten Reduktion der Beschwerden, insbesondere der Schmerzen, sowie einer spürbaren Verbesserung der Lebensqualität. Die Verträglichkeit wurde von 94 % der Teilnehmenden als „gut“ bis „sehr gut“ bewertet8. Damit stellt das Extrakt eine gut verträgliche pflanzliche Alternative zu synthetischen Analgetika dar.

Symptomlinderung und 
höhere Lebensqualität

Im beschriebenen Fall konnte letztlich ein CPPS Klasse III diagnostiziert werden. Es standen die Schmerzen im kleinen Becken und bei der Miktion im Vordergrund, begleitet von einer eingeschränkten Sexualfunktion. Zur Schmerzbehandlung und Verbesserung der Miktion erhielt der Patient daher eine Kombination aus Physiotherapie und Gräserpollenextrakt ­(3 × 2 Hartkapseln  /  Tag). Innerhalb von sechs Wochen besserte sich die Symptomatik deutlich: der Schmerz­score im NIH-CPSI sank von 12 auf 5 Punkte. Ergänzend wurde zur Behandlung der erektilen Dysfunktion ein PDE-5-Hemmer als Bedarfsmedikation eingesetzt, wodurch der IIEF-5 von 13 auf 20 Punkte anstieg.
Innerhalb der letzten zwei Jahre kam es unter der Therapie zu keiner erneuten Verschlechterung. Letztlich ist CPPS zwar nicht heilbar, doch der beschriebene Fall zeigt: Mit einer gezielten, multimodalen Therapie unter Einbeziehung der Phytotherapie lassen sich Symptomatik und Lebensqualität deutlich verbessern. Das Phytotherapeutikum eignet sich für die Langzeittherapie und ist verordnungsfähig auf grünem Rezept.

Autor: Dr. Sebastian Nestler

Abb.: Tom – stock.adobe.com

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