Die „alt-aktualisierten“ Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2025 – ein Kommentar von Kollege Dr. Ulrich Enzel.
Wie schon seit einigen Jahren steigt die Spannung vieler Impfenden in der vierten Kalenderwoche eines jeden Jahres auf ihren Höhepunkt. Und auch 2025 ist pünktlich am späten Abend des Donnerstags, dem 23. Januar, das 4. Epidemiologische Bulletin erschienen, das auf 75 Seiten die aktualisierten Empfehlungen der STIKO enthält. Und mancher wird sich viel oder doch wenigstens einiges Neues erhofft haben, zum Beispiel zur Meningokokken-Impfung bei Säuglingen und Jugendlichen, zur Pneumokokken-Impfung bei chronisch kranken Kindern oder zur generellen Influenza-Impfung bei diesen Altersgruppen, vielleicht gar zur maternalen Impfung gegen RSV oder Sensationelles zu weiteren innovativen m-RNA-Impfstoffen.
Doch die Lektüre dieser nur scheinbar neuen Empfehlung enttäuscht. Durch blauen Druck als geändert hervorgehoben finden sich nur alte, bereits 2024 publizierte Änderungen, die zur Erinnerung und Bekräftigung nochmals vermittelt seien.
RSV-Prophylaxe bei Säuglingen …
Begonnen seien diese „wesentlichen inhaltlichen Änderungen und Ergänzungen zu den Empfehlungen 2024“ mit der RSV-Prophylaxe bei Säuglingen: Die STIKO empfiehlt für alle Neugeborenen und Säuglinge eine RSV-Prophylaxe mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab als Einmaldosis vor bzw. in ihrer ersten RSV-Saison. Säuglinge, die zwischen April und September geboren sind, sollen Nirsevimab möglichst im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erhalten. Neugeborene, die während der RSV-Saison (üblicherweise zwischen Oktober und März) geboren werden, sollen Nirsevimab möglichst rasch nach der Geburt bekommen.
… und bei Älteren
Zur RSV-Impfung bei Älteren empfiehlt die STIKO bei allen Personen ≥ 75 Jahre eine einmalige Impfung gegen RSV. Außerdem wird Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren, die eine schwere Form einer Grunderkrankung haben und/oder die in einer Einrichtung der Pflege leben, eine einmalige RSV-Impfung empfohlen. Zu den Grunderkrankungen gehören schwere Formen von u. a. chronischen Erkrankungen der Atemorgane, der Nieren oder des Herz-Kreislauf-Systems, chronischen neurologischen und neuromuskulären Erkrankungen, hämato-onkologischen Erkrankungen, Diabetes mellitus (mit Komplikationen) sowie eine schwere angeborene oder erworbene Immundefizienz. Die RSV-Impfung sollte möglichst im September/Anfang Oktober erfolgen, um bereits in der darauffolgenden RSV-Saison (Oktober-März) einen bestmöglichen Schutz zu bieten.
Influenza-Impfung
Die Änderungen zur Influenza-Impfung greifen erst zur nächsten Grippe-Saison 25/26, sollten aber bereits beim Bestellen der Impfstoffe für die kommende Saison berücksichtigt werden. Die WHO hat im September 2023 den Wechsel von quadrivalenten zu trivalenten Influenza-Impfstoffen empfohlen ohne B/Yamagata Linie (die dank Impfungen/Covid-Lock-Down-Maßnahmen eradiziert werden konnte). Die STIKO hat ihre Influenza-Impfempfehlung angepasst und empfiehlt die Verwendung von Influenza-Impfstoffen mit jeweils von der WHO empfohlener Antigenkombination. Zum Schutz vor der saisonalen Influenza empfiehlt die STIKO für Personen ≥ 60 Jahre neben dem Influenza-Hochdosis-Impfstoff den MF-59 adjuvantierten Influenza-Impfstoff, jeweils mit aktueller von der WHO empfohlener Antigen-Kombination zu verwenden.
Schutz vor Meningokokken: MenB
Zur Impfung gegen Meningokokken gibt es keine neue Empfehlung. Die STIKO empfiehlt weiterhin zum einen eine Standardimpfung von Säuglingen gegen MenB. Da MenB-Erkrankungen bereits in den ersten Lebensmonaten gehäuft auftreten, soll die Impfserie zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Alter von zwei Monaten begonnen werden.
Der für diese Altersgruppe verfügbare Impfstoff Bexsero soll in einem 2+1-Impfschema im Alter von zwei, vier und zwölf Monaten verabreicht werden. Nachholimpfungen sollen spätestens bis zum fünften Geburtstag gegeben werden. Bei Beginn der Impfserie im Alter von zwölf bis 23 Monaten wird ebenfalls das 2+1-Impfschema mit einem Abstand von zwei Monaten zwischen den ersten beiden Impfstoffdosen und einem Abstand von zwölf bis 23 Monaten zwischen der zweiten und dritten Impfstoffdosis empfohlen. Ab dem Alter von zwei Jahren (≥ 24 Monate) besteht die Impfserie aus zwei Impfstoffdosen, die in einem Mindestabstand von einem Monat verabreicht werden sollen. Eine Änderung des Impfschemas für Frühgeborene wird von der STIKO nicht empfohlen.
Empfehlungen zu MenC …
Generell empfohlen ist daneben nur die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C (MenC) mit einer Impfstoffdosis eines konjugierten MenC-Impfstoffs für alle Kinder im Alter von zwölf Monaten. Die verfügbaren MenC-Konjugat-Impfstoffe Menjugate 10 Mikrogramm und NeisVac-C sind ab dem Alter von ≥ zwei Monaten zugelassen. Ein zweiter niedrigerer Inzidenzgipfel der Erkrankung ist in Deutschland bei Jugendlichen zu beobachten. (Eine ausführliche Begründung der Impfempfehlung findet sich im Epid Bull 31/2006.) Eine fehlende Impfung soll bis einen Tag vor dem 18. Geburtstag nachgeholt werden. Eine Auffrischimpfung wird derzeit nicht von der STIKO empfohlen. Zusätzlich zu diesen Hinweisen bestehen Empfehlungen zur Impfung von Risikopersonen.
… und zu MenACWY
Von der STIKO wird weiterhin nur bei bestimmten Indikationen, z. B. bei Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizienz oder bei Reisenden eine Meningokokken-Impfung gegen die Serogruppen ACWY empfohlen. Für Kinder und Jugendliche, die bisher noch keine MenC-Impfung bekommen haben und aufgrund einer Indikation (z. B. Reise) eine MenACWY-Impfung erhalten, ist keine weitere MenC-Impfung erforderlich. Die MenACWY- Konjugat-Impfstoffe sind in Deutschland ab dem Alter von ≥ sechs Wochen (Nimenrix) bzw. ab dem Alter von ≥ zwölf Monaten (MenQuadfi) bzw. ab dem Alter von ≥ zwei Jahren (Menveo) zugelassen.
Allen ob dieser mageren Änderungs-Ausbeute Enttäuschten bietet die STIKO ein kleines Bonbon: Für eine bessere Übersicht wird der Impfkalender künftig zweigeteilt im Hochformat abgebildet. In Tabelle 1A werden die Standardimmunisierungen für Säuglinge und Kleinkinder ≤ vier Jahre dargestellt und in Tabelle 1B diejenigen für Kinder ≥ fünf Jahre, Jugendliche und Erwachsene.
Wir gehen in die Zeit bis zum Erscheinen der nächsten Änderungen der STIKO-Empfehlung, die hoffentlich nicht bis zum Januar 2026 auf sich warten lassen werden, mit dem Auftrag diese aktuellen Empfehlungen konsequent umzusetzen. Denn die am 12.12.24 im Epidemiologischen Bulletin 50.2024 publizierten neuesten Impfraten zeigen nicht nur erhebliche Lücken auf, sondern erschreckend häufig ein „zu wenig, zu spät, unvollständig oder gar nicht!“
Autor: Dr. med. Ulrich Enzel
Quelle: Der Allgemeinarzt
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