Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, an Schilddrüsenkarzinom zu erkranken. Die Zusammenhänge
Weltweit hat die Inzidenz von Schilddrüsenkrebs in den letzten drei Jahrzehnten stark zugenommen und gehört zu den am schnellsten ansteigenden aller malignen Erkrankungen13. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer14 Die Hauptursache für diesen Inzidenzanstieg liegt in der verbesserten Erkennung von Tumoren im Frühstadium durch den Einsatz von Ultraschalluntersuchungen15, im Sinne einer Überdiagnose von klinisch inapparenten Veränderungen16. Damit lässt sich allerdings nicht die Zunahme der Inzidenzrate und der Sterblichkeitsrate für papilläre Schilddrüsenkarzinome im fortgeschrittenen Stadium17 sowie der Inzidenzanstieg für größere Schilddrüsenkarzinome18 erklären. Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und Schilddrüsenkrebs in der Familie sind die einzigen eindeutig nachgewiesenen Risikofaktoren. Adipositas und andere Umweltfaktoren sind potenzielle Risikofaktoren19.
Eine Metaanalyse von 20 Kohortenstudien aus neun Ländern und Regionen, einschließlich Europa, Asien und Amerika, und mit mehr als 300.000 Teilnehmern ergab, dass das Schilddrüsenkrebsrisiko bei Menschen mit Diabetes für die gesamte Studienpopulation um etwa 30 % erhöht war, wobei die Zunahme bei Patientinnen 36 % und bei Patienten 26 % betrug20. In einer weiteren Metaanalyse von 16 Kohortenstudien mit mehr als 10 Millionen Teilnehmern ging Diabetes mellitus mit einem um 20 % erhöhten Risiko für Schilddrüsenkrebs einher. Diese Assoziation war bei Frauen besonders ausgeprägt, bei Männern dagegen nicht signifikant21. Verschiedene biologische Mechanismen könnten diesem Zusammenhang zugrunde liegen22:
Rolle des IGF-1-abhängigen Signalwegs (Insulin-like Growth Factor-1)23
Insulin weist eine hohe Homologie zu IGF-1 auf und eine beim T2D häufig bestehende Hyperinsulinämie könnte zu einer Aktivierung des IGF-1-Rezeptors führen24. Zudem finden sich bei verschiedenen Tumoren eine vermehrte Expression der Insulinrezeptor(IR)-Isoform A25. Während sich IR-B überwiegend in den Zielzellen der metabolischen Wirkung von Insulin (Leber, Muskel und Fettgewebe) findet2, wird IR-A ubiquitär exprimiert und bindet neben Insulin auch IGF-2 mit hoher Affinität. In der Folge nimmt die Empfindlichkeit gegenüber IGF-2 und Insulin zu und stellt eine mögliche Erklärung für die krebsfördernde Wirkung der im Rahmen von Adipositas und T2D zu beobachtenden Hyperinsulinämie dar.
Ein weiterer möglicher Mechanismus ist die langfristige Exposition gegenüber erhöhten TSH-Spiegeln, da eine primäre Hypothyreose bei Menschen mit T2D dreimal häufiger ist als bei Stoffwechselgesunden27.
Auch wenn nicht in allen Studien gezeigt28, könnte zudem eine erhöhte Nüchternglukose mit einem gesteigerten Schilddrüsenkrebsrisiko assoziiert sein29,30. Mögliche Mechanismen sind zum einem eine Glukose-induzierte gesteigerte Proliferation nicht-tumoröser ebenso wie maligner Zellen infolge einer verstärkten Leptin/ IGF1R-Signalübertragung und Aktivierung des Proteinkinase B (AKT)/ mTOR-Signalwegs (mechanistic target of rapamycin )31 und zum anderen eine direkte tumorfördernde Wirkung von Glukose,als Energiesubstrat32.
Autor: Prof. Dr. med. Karsten Müssig, Niels-Stensen-Kliniken Georgsmarienhütte
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