Kurz vor der Bundestagswahl werden für die Allgemeinärzte Träume ohne Budget und mit Versorgungs- und Vorhaltepauschale wahr. Nach der überraschenden Einigung der Ex-“Ampel“-Partner SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf eine „Light“-Version des GVSG soll der Gesundheitsausschuss am 29. Januar und der Bundestag am 30. oder 31. Januar das Gesetz beschließen.
Nach Informationen von „Der Allgemeinarzt“ soll die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen gemäß den Änderungsanträgen der Ex-“Ampel“ ab dem vierten Quartal 2025 erfolgen. Damit und auch mit den neuen Pauschalen muss sich aber zuvor noch der Bewertungsausschuss befassen müssen. Wie „Der Allgemeinarzt“ erfuhr, soll sich die Entbudgetierung auf die Leistungen der hausärztlichen Versorgung einschließlich Hausbesuche gemäß den EBM-Kapiteln 3 und 1.4 beziehen. Wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen diese Leistungen anerkennen, sind die Krankenkassen verpflichtet, diese Preise gemäß der regionalen Gebührenordnung „vollständig zu vergüten“, wie es im Antrag heißt.
An die Stelle der Versicherten- und Chronikerpauschale soll nach dem Willen der früheren Koalitionspartner eine Versorgungspauschale treten. Sie ist für erwachsene Patienten vorgesehen, die wegen einer chronischen Erkrankung zwar eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel brauchen, aber dennoch keinen permanenten Behandlungsbedarf haben. Die Allgemeinärzte können sie unabhängig von der Anzahl und Art der Kontakte abrechnen, aber nur „einmal durch eine einzige, die jeweilige Erkrankung behandelnde Arztpraxis“, so der Änderungsantrag. Die Details muss aber noch der Bewertungsausschuss regeln, vor allem den Zeitraum der Pauschale. Wie in Berlin zu erfahren war, könnte es um mindestens sechs Monate gehen, vielleicht auch um ein ganzes Jahr. Der Bewertungsausschuss muss sich innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes mit diesen Fragen befassen.
Der dritte Punkt ist die Vorhaltepauschale, die ausschließlich für allgemeinärztliche Praxen gelten soll. Sie dient dazu, die Strukturen der hausärztlichen Grundversorgung unabhängig von abgerechneten Leistungen zu finanzieren. Drei Monate hat der Bewertungsausschuss Zeit, die Höhe der Vergütung sowie die Bedingungen für die Zahlung der Pauschale festzulegen. Das bezieht sich auf eine ganze Reihe von Punkten, unter anderem eine „bedarfsgerechte Versorgung mit Haus- und Pflegeheimbesuchen, ausreichende Praxisöffnungszeiten, eine Mindestanzahl an zu versorgenden Versicherten sowie die regelmäßige Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur“. Möglich erscheint auch ein „Angebot von Sprechstunden nach 19 Uhr“ sowie eine Mindestzahl zu versorgender Patienten im Quartal und pro Arzt. An die Stelle der alten Vorhaltepauschale gemäß EBM-Ziffer 03040 soll nun eine neue Ziffer gesetzt werden.
Vor dem überraschenden Vorstoß aus Berlin hatte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) eine Petition auf den Weg gebracht. „Allen Parteien muss klar sein: Wer möchte, dass seine Wählerinnen und Wähler in Zukunft noch eine Hausarztpraxis finden, muss jetzt handeln. Mit unserer Kampagne wollen wir der kommenden Regierung direkt zum Amtsantritt einen klaren Auftrag mitgeben – von unseren Praxen und Praxisteams, aber auch von unseren Patientinnen und Patienten“, unterstreichen Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzende des HÄV, sowie Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e. V. (vmf).
Schicksalsfrage der Demokratie
Die Gesundheitsversorgung ist beileibe kein politisches Randthema. „Die wohnortnahe medizinische Versorgung wird eines der großen Themen dieses Landes. Die Versorgung beim Arzt ist ein wichtiges Demokratie-stabilisierendes Element für die Menschen und sie erwarten von der Politik, dass sie dieses Problem löst“, so Nicola Buhlinger-Göpfarth. „Wenn sich die Bedingungen, zu denen unsere Praxen aktuell arbeiten müssen, nicht zeitnah verbessern – finanziell wie strukturell –, dann wird es irgendwann zu spät sein! Dann kann die Politik noch so viele Hebel umlegen, sie wird den Menschen kurzfristig nicht die benötigte Versorgung sicherstellen können. Damit das nicht passiert, muss die Arbeit in den Hausarztpraxen jetzt an Attraktivität gewinnen durch bessere finanzielle Rahmenbedingungen und eine Stärkung unserer hausärztlichen Rolle im Rahmen der HZV.“
Hannelore König, vmf-Präsidentin, verweist auf die zentrale Rolle der Medizinischen Fachangestellten (MFA) in der hausärztlichen Versorgung: „Schätzungsweise 200.000 MFA sorgen tagtäglich dafür, dass die Praxisteams trotz Budgetierung, Digitalisierung und zunehmender Bürokratie ihre Aufgaben bei der ambulanten Versorgung der Patientinnen und Patienten erfüllen. Sie arbeiten nicht nur im Praxis- und Hygienemanagement, sondern übernehmen delegierbare Leistungen bis hin zum Hausbesuch. Sie sind mit Herzblut dabei, auch, wenn sich für viele der Beruf finanziell kaum lohnt. Deshalb sehen wir es als dringende Aufgabe der Politik an, die Finanzierung der erbrachten Leistungen im ambulanten Gesundheitswesen auf eine solide Basis zu stellen, die faire und wettbewerbsfähige MFA-Gehälter einschließen.“
Erfolg nach Jahren des politischen Stillstands
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßt die von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP beschlossenen Maßnahmen zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung. „Nach Jahrzehnten des Reformstillstands haben sich die ehemaligen Ampel-Parteien doch noch auf ein Paket zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung geeinigt. Die Maßnahmen sind ein wichtiger erster Schritt, um der Krise der hausärztlichen Versorgung endlich etwas entgegenzusetzen. Wenn der Bundestag die Maßnahmen nun beschließen sollte, dann hätten die Ampel-Parteien auf den letzten Metern doch noch ihr Wort gehalten und den Ankündigungen der letzten Jahre Taten folgen lassen. Das ist ein guter Tag für die Hausarztpraxen“, sagten Prof. Buhlinger-Göpfarth und Dr. Beier.
„Wir sind froh, dass die Politik erkannt hat, wie kritisch die Lage in vielen Hausarztpraxen ist und wir mit unseren Argumenten durchdringen konnten. Von der Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen werden eine Reihe von Regionen profitieren – sowohl Ballungsgebiete als auch ländliche Regionen. Ohne diesen Schritt würden in den kommenden Jahren immer mehr Praxen schließen müssen,“ so Beier. Buhlinger-Göpfarth ergänzte: „Wenn der Bundestag dem Maßnahmenpaket zustimmt, ist der erste Schritt zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung endlich getan. Klar ist aber auch, dass das nur der Anfang sein kann. Ganz oben auf der To-do-Liste steht die Stärkung der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV), denn dieser Punkt fehlt in den Beschlüssen leider komplett. Deutliche Kritik übte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband am Widerstand der Krankenkassen. „Die Summen, um die es hier geht, sind im Vergleich zu anderen Investitionen, beispielsweise im stationären Sektor, übersichtlich und nicht der Grund für steigende Beiträge.“
Autor: Franz-Günter Run
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