Eine deutschlandweite Umfrage der Jungen Neurologie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) untersuchte erstmals systematisch arbeitsbedingtem Stress und Burnout bei Neurologinnen und Neurologen. Die Ergebnisse deuten auf einen dringenden Handlungsbedarf hin. Insbesondere Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sind hohen Stresslevels ausgesetzt.
Mehr als die Hälfte der Befragten berichtete von monatlich oder häufiger auftretenden belastenden Ereignissen, die vor allem in Notaufnahmen, Intensivstationen, aber auch auf Normalstationen stattfanden. Assistenzärztinnen und -ärzte agierten häufig ohne Supervision und bewerteten die Erlebnisse als besonders eindrücklich. Hauptursachen für Stress waren hohe Patientenzahlen, schlechte Kommunikation und das Second-Victim-Phänomen. Wissens- und Fähigkeitslücken spielten ebenfalls eine Rolle.
Assistenzärzte besonders gefährdet
Die Analyse mit dem validierten Burnout Assessment Tool (BAT-12) zeigte, dass 27 % der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung ein erhöhtes Burnout-Risiko aufwiesen, zusätzliche 26 % erfüllten die Kriterien für ein manifestes Burnout. Bei Fachärztinnen und -ärzten lagen die Werte im Normbereich. Als unabhängige Prädiktoren für Burnout erwiesen sich die Häufigkeit stressreicher Ereignisse, niedrige Arbeitszufriedenheit, institutionelle Faktoren, jüngeres Alter, weniger Kinder sowie fehlende Debriefing-Angebote.
Relevanz von Supervision und Debriefing
Die Mehrheit der Befragten fühlte sich unzureichend auf belastende Situationen vorbereitet. Strukturiertes Onboarding, regelmäßige Debriefings und Prozessverbesserungen wurden als wichtigste Maßnahmen zur Stressreduktion genannt. Dennoch waren professionelle Debriefing-Strukturen in den meisten Kliniken kaum bekannt oder nicht etabliert. Viele Teilnehmende äußerten den Wunsch nach Gesprächen mit Vorgesetzten und psychologischer Betreuung, es mangelte jedoch vor allem an Zeit und entsprechenden Angeboten. Rückhalt durch Familie, den Freundeskreis und ein unterstützendes Arbeitsumfeld erwies sich als resilienzstärkend und minderte das Burnout-Risiko.
Hohe Arbeitsbelastung unter Neurologen
Die vorliegenden Daten verdeutlichen, dass gerade in der neurologischen Weiterbildung eine besondere Vulnerabilität für Burnout besteht. Auffällig ist der hohe Anteil an Assistenzärztinnen und -ärzten, die über unzureichende Vorbereitung auf belastende Ereignisse berichten und kaum Zugang zu strukturierten Debriefing-Angeboten haben. Die Ergebnisse legen nahe, dass neben organisatorischen Verbesserungen auch eine offene Fehler- und Gesprächskultur essenziell ist, um Neurologinnen und Neurologen insbesondere zu Beginn ihrer Karriere zu unterstützen und damit auch die Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.
Julina Pletziger
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