Moderate bis schwere Neurodermitis belastet Haut, Psyche, Alltag und Familie – aktuelle Real-World-Daten zeigen großen Handlungsbedarf für eine moderne, patientenzentrierte Versorgung.
Atopische Dermatitis: Chronisch, komplex, multidimensional
Atopische Dermatitis (AD) bleibt eine der häufigsten und zugleich komplexesten chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, die Dermatolog*innen in Klinik und Praxis begegnet. Die Betroffenen leiden nicht nur unter quälendem Juckreiz, Ekzemen und rezidivierenden Schüben – die Erkrankung beeinflusst das gesamte Leben, oft mit erheblichen psychosozialen und ökonomischen Folgen.
Die aktuelle APOLO-Studie, publiziert in „Dermatology Practical & Conceptual“ (Juli 2025), liefert erstmals umfassende Real-World-Daten zur Patientenerfahrung und Versorgungssituation im europäischen Kontext. Sie zeigt, wo Versorgungslücken bestehen und wie moderne Therapiestrategien die Lebensqualität nachhaltig verbessern können.
Studiendesign: Real-World-Belastung im Fokus
Im Rahmen dieser Querschnittsstudie wurden Patient*innen mit moderater bis schwerer AD systematisch zu Symptomen, Lebensqualität, psychischer Belastung, familiären Auswirkungen und ökonomischen Aspekten befragt. Ergänzend erfolgten klinische Assessments und die Erhebung von Versorgungspfaden. Damit liefert die Studie ein praxisnahes Bild der Herausforderungen, mit denen Ihre Patient*innen tatsächlich konfrontiert sind.
Ergebnisse: Lebensqualität und Versorgungslage kritisch
Die Ergebnisse machen deutlich: Der Leidensdruck ist hoch. Neben dem Leitsymptom Pruritus – mit den bekannten Folgen für Schlaf und Alltagsfunktion – berichten viele Patient*innen über soziale Isolation, Scham und eine deutliche Einschränkung der psychischen Gesundheit. Angststörungen und Depressionen treten gehäuft auf und werden in der dermatologischen Praxis häufig unterschätzt oder nicht systematisch erfasst.
Auch das familiäre Umfeld ist betroffen: Eltern von Kindern mit AD berichten von erheblichem Zeitaufwand, Schlafmangel und Belastungen für Partnerschaft und Familienleben. Die Erkrankung wirkt sich damit weit über das Individuum hinaus aus.
Ökonomisch entstehen nicht nur direkte Kosten durch häufige Arztkontakte, Medikamente und Pflegeprodukte, sondern auch beträchtliche indirekte Kosten durch Arbeitsausfälle und verminderte Produktivität. Viele Patient*innen schildern zudem eine unzureichende Unterstützung im Gesundheitssystem und eine fehlende Koordination zwischen verschiedenen Fachdisziplinen.
Implikationen für die dermatologische Praxis
Für Dermatolog*innen ergeben sich aus diesen Ergebnissen mehrere wichtige Konsequenzen. Neben der Behandlung der Hautsymptome rückt die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Anamnese in den Vordergrund: Psychosoziale Belastungen, Schlafqualität und Lebensumstände sollten systematisch erfasst und in die Therapieplanung einbezogen werden. Moderne, zielgerichtete Therapien wie Biologika und JAK-Inhibitoren bieten neue Chancen für Patient*innen mit moderater bis schwerer AD. Entscheidend ist hier die frühzeitige Identifikation geeigneter Kandidat*innen und die individuelle Anpassung der Behandlung.
Darüber hinaus zeigt die Studie, wie wertvoll ein interdisziplinärer Ansatz sein kann. Die Zusammenarbeit mit Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und gegebenenfalls Pädiater*innen kann die Versorgung und das Therapieergebnis nachhaltig verbessern. Ebenso essenziell ist die Patientenedukation: Schulungen zum Selbstmanagement, Aufklärung über Triggerfaktoren und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung tragen dazu bei, die Lebensqualität dauerhaft zu steigern.
Nicht zuletzt wird deutlich, dass ein verbessertes Versorgungsmanagement notwendig ist. Eine bessere Koordination zwischen Hausärzt*innen, Dermatolog*innen und weiteren Fachgruppen kann helfen, bestehende Versorgungslücken zu schließen und die Betreuung der Patient*innen effizienter und zielgerichteter zu gestalten.
Fazit: Patientenzentrierte Versorgung als Schlüssel
Die APOLO-Studie macht klar, dass atopische Dermatitis weitreichende Auswirkungen auf die Lebensrealität Ihrer Patient*innen hat. Für die dermatologische Praxis bedeutet das: Neben der symptomatischen Therapie müssen psychosoziale, familiäre und ökonomische Aspekte stärker in den Fokus rücken. Nur durch eine ganzheitliche, interdisziplinäre und patientenzentrierte Versorgung lässt sich die Krankheitslast nachhaltig reduzieren und die Lebensqualität Ihrer Patient*innen verbessern.
Originalpublikation: De La Cueva Dobao P, Curto Barredo L, Silvestre Salvador JF et al. Patient Burden And Impact Of Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis In the Spanish healthcare System: The APOLO Cross-Sectional Study Dermatology Practical & Conceptual 2025; 13(2): e5538
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