Vitiligo und Alopecia areata basieren auf ähnlichen pathophysiologischen Mechanismen. Entsprechend groß ist auch die Schnittmenge potenzieller molekularer Angriffspunkte für neue Therapien. Die Zulassung erster Januskinase (JAK)-Inhibitoren erscheint als wichtiger Schritt zu einer wirksameren Behandlung beider Erkrankungen.
Alopecia areata und Vitiligo sind laut Prof. Julien Seneschal, Bordeaux, Frankreich, zwei Autoimmunerkrankungen, die große pathophysiologische Ähnlichkeiten aufweisen und häufig in Kombination auftreten. Als Zwischenform könne man, so Seneschal, die follikuläre Vitiligo ansehen, eine seltene Variante, die nur das Melanozytenreservoir der Haarfollikel befällt. Studien zu genomweiten Assoziationen hätten zudem eine Reihe von Genen identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko für beide Erkrankungen einhergehen und überwiegend mit immunologischen Funktionen zu tun haben. Histologisch finde man bei beiden überwiegend T-Zellen enthaltende Infiltrate, bei der Alopecia areata in Follikelnähe, bei der Vitiligo im Bereich der verbliebenen Melanozyten. Eine weitere Gemeinsamkeit sei, so Seneschal, die Interaktion zwischen T-Zellen und epithelialen Zellen einschließlich Keratinozyten und Melanozyten. An dieser Schnittstelle befänden sich etliche potenzielle Angriffspunkte für neue Therapien, etwa der natürliche Killerzellen-Rezeptor vom Typ NKG2D, der Chemokinzrezeptor vom Typ CXCR3, Immuncheckpoints wie das programmed Cell Death Protein PD1, Zytokine wie IL-15 oder IL-7. Auch JAK-Inhibitoren, die wirksamsten derzeit verfügbaren Medikamente gegen Alopecia areata und Vitiligo, greifen Seneschal zufolge an dieser Schnittstelle an, indem sie die Aktivierung von T-Zellen hemmen und die Effekte proinflammatorischer Zytokine, wie IFN-γ oder TNF-α, auf epitheliale Zellen blockieren.
Als erstes Medikament für die systemische Behandlung schwerer Alopecia areata bei Erwachsenen wurde der JAK1/2-Inhibitor Baricitinib im Juni 2022 EU-weit zugelassen. Im September 2023 folgte die Zulassung des JAK3-TEC-Hemmers Ritlecitinib zur Therapie schwerer Alopecia areata bei Erwachsenen und Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren. Der JAK1/2-Hemmer Deuruxolitinib erwies sich in der Phase III-Studie THRIVE-AA1 ebenfalls als wirksam in der Behandlung von Erwachsenen mit Alopecia Areata [1]. Für diese Indikation ist das Medikament seit Juli 2024 in den USA zugelassen.
Eine internationale Konsensusgruppe empfiehlt JAK-Inhibitoren mittlerweile als Erstlinientherapie der Alopecia areata, unter der Voraussetzung, dass eine systemische Therapie indiziert sei, nämlich bei moderater bis schwerer Alopecia Areata gemäß Alopecia Areata Scale (AAS) oder ab einem Severity of Alopecia Tool(SALT)-Score ≥20 [2].
Behandlungsdauer spielt eine wichtige Rolle
Die bisherigen Studien mit JAK-Inhibitoren bei Alopecia areata haben Seneschal zufolge gezeigt, dass die Ansprechraten auch nach längeren Behandlungszeiträumen noch weiter zunehmen und sich selbst nach einem Jahr der Behandlung noch kein deutlicher Ceiling-Effekt zeige. Wenn schließlich ein Ansprechen erreicht wird, bleibe dieses oft nur dann über längere Zeit erhalten, wenn die Behandlung fortgeführt wird. Dafür sprechen laut Seneschal unter anderem die Ergebnisse der randomisiert kontrollierten Studie BRAVE-AA2 [3]. Alopecia Areata-Betroffene, die unter Baricitinib ein klinisches Ansprechen, das heißt einen SALT-Score ≤20, erreicht hatten, wurden dabei randomisiert entweder mit derselben Dosis weiterbehandelt oder auf Plazebo umgestellt. Nach einer Gesamtbehandlungszeit von 152 Wochen war bei 7 % der mit Baricitinib und bei 80 % der mit Placebo Weiterbehandelten ein Anstieg des SALT-Scores um mehr als 20 Punkte eingetreten. [3]
Dass bereits eine Dosisreduktion ein erhöhtes Rezidivrisiko nach sich zieht, zeigte Seneschal zufolge eine Substudie von BRAVE-AA2 [4]. Wer auf die Behandlung mit Baricitinib 4 mg angesprochen hatte, wurde randomisiert entweder mit 4 mg oder mit 2 mg weiterbehandelt. Am Ende von Woche 152 erfüllten 88,6 % der mit 4 mg und 58,5% der mit reduzierter Dosis Weiterbehandelten immer noch die Ansprechkriterien. [4]
![Ansprechraten nach Erhaltungstherapie mit Baracitinib 4 mg im Vergleich zur
Dosisreduktion auf 2 mg (LOCF). Quelle: modifiziert nach [4]](https://staging.mgo-medizin.de/wp-content/uploads/2025/10/df_202504_afd_heim_vitiligo_aa_image_2sp_WP.jpg)
Ähnliches gelte, so Seneschal, für die topische Behandlung der Vitiligo mit dem seit 2023 zugelassenen JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib: Nach dem Absetzen erwies sich die Rezidivrate als deutlich höher im Vergleich zur Fortführung der Therapie.
Kombination von Pharmako- und Phototherapie?
In plazebokontrollierten Phase II-Studien zur systemischen Behandlung der Vitiligo stellten sich unter den JAK 1-Inhibitoren Povorcitinib und Upadacitinib signifikante Repigmentierungen von Läsionen des Gesichts und der gesamten Körperoberfläche ein [5,6]. Zu beiden Medikamenten laufen derzeit Phase-III-Studien.
Einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung schwerer, therapierefraktärer Vitiligo sieht Seneschal in der Kombination von Medikamenten mit Phototherapie. Eine Phase-II-Studie zur Kombination von Ruxolitinib-Creme mit Schmalband-UVB kam bereits zu positiven Ergebnissen [7] und wird nun ebenfalls in Phase III weiter evaluiert. Seneschal und Mitforschende publizierten kürzlich die Ergebnisse einer randomisierten Proof-of-Concept-Studie [8] an 49 Vitiligo-Betroffenen, in der sie die Kombination von Baricitinib und Schmalband-UVB mit der Kombination Placebo und Schmalband-UVB verglichen. Der im Vitiligo Area Scoring Index (VASI) gemessene Befall mit depigmentierten Arealen ging in der Baricitinib/UVB-Gruppe um 44,8% zurück, in der Plazebo/UVB-Gruppe um 9,2%. Der Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,02). [8]
„Es tut sich viel in der Entwicklung neuer Therapieansätze bei Alopezia areata und Vitiligo. Möglicherweise können wir beide Erkrankungen in naher Zukunft durch eine frühzeitige Behandlung mit hochwirksamen Therapien entscheidend in ihrem Verlauf beeinflussen,“ resümierte Seneschal.
Dr. Thomas M. Heim
Quelle: Alopecia areata and vitiligo (Session New and emerging drugs), 25. September 2024, European Academy of Dermatology and Venereology 33rd Congress; Amsterdam (Niederlande)
[1]. King B et al. J Am Acad Dermatol 2024; 91: 880-88. [2] Rudnicka L et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2024; 38(4): 687-94. [3]. King B et al. JAMA Dermatol 2024; 160: 1075-81. [4] King B et al. J Am Acad Dermatol 2025; 92 :299-306. [5] Pandya AG et al. Br J Dermatol 2024; 191 (Suppl 2), ljae266.094. [6] Passeron T et al. EClinicalMedicine 2024; 73: 102655. [7] Pandya AG et al. J Invest Dermatol 2022; 142: 3352-5.e4. [8] Seneschal J et al. JAMA Dermatol 2025; [Epub ahead of print] doi: 10.1001/jamadermatol.2024.5737.
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