Aus UroForum Heft 05/2025
Stephanie Wiege
Darf ein Arzt mehr als einen vollen Versorgungsauftrag in der vertragsärztlichen Versorgung übernehmen? Das Bayerische Landessozialgericht hat sich in einem aktuellen Urteil (L 12 KA 16 / 23) mit dieser Frage auseinandergesetzt und die Grenzen der Zulässigkeit weiterer Teilzulassungen neben bestehenden Versorgungsaufträgen aufgezeigt. Der vorliegende Fall verdeutlicht das Spannungsverhältnis zwischen der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit von Ärzten und den regulatorischen Beschränkungen des Vertragsarztrechts.
Der Fall
Der Kläger, ein Facharzt für Urologie, verfügte über zwei Zulassungen zur vertragsärztlichen Versorgung mit jeweils einem hälftigen Versorgungsauftrag sowie eine Filialgenehmigung.
Mit Beschluss vom 13.12.2019 hob der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die Zulassungsbeschränkungen für die Arztgruppe der Urologen im maßgeblichen Planungsbereich auf und stellte fest, dass dort keine Überversorgung mehr besteht. Der Beschluss erfolgte unter der Auflage, dass Zulassungen nur vorgenommen werden dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eintritt, was die Besetzung eines halben Versorgungsauftrags ermöglichte.
Der Kläger beantragte eine weitere Teilzulassung, was jedoch vom Zulassungsausschuss abgelehnt wurde. Die Ablehnung wurde mit der rechtlichen Unzulässigkeit einer dritten Teilzulassung, dem Alter des Klägers (69 Jahre) und der bereits ausreichenden urologischen Versorgung begründet.
Gegen die Ablehnung klagte der Arzt. Das Sozialgericht München wies seine Klage in der ersten Instanz ab, woraufhin der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht einlegte.
Die Entscheidung
Das Bayerische Landessozialgericht stützte sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Danach kann ein Arzt grundsätzlich nur eine Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag haben.
Gemäß § 95 SGB V ist eine zusätzliche Teilzulassung neben einer bestehenden vollen oder zwei hälftigen Zulassungen an getrennten Standorten unzulässig. Die Zulassung nach § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist die öffentlich-rechtliche Grundlage für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Sie begründet gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V die Berechtigung und Verpflichtung zur Leistung im Umfang des Versorgungsauftrags.
Im Rechtssinne existiert nur „die Zulassung“, die auch bei Tätigkeit in zwei Fachgebieten nur einen vollen Versorgungsauftrag umfasst. Davon ausgenommen sind Sonderfälle wie zwei hälftige Zulassungen oder eine Doppelzulassung als Zahnarzt und MKG-Chirurg.
Dieser Versorgungsauftrag ist untrennbar mit der Zulassung verbunden. Er bestimmt den Umfang der Leistungspflichten und -rechte. Er kann als voller, hälftiger oder in zwei hälftige Teile aufgeteilt wahrgenommen werden.
Das Bundessozialgericht hat wiederholt entschieden, dass ein dritter hälftiger Versorgungsauftrag unzulässig ist, da dies der umfassenden Inpflichtnahme durch einen vollen Auftrag sowie den Prinzipien der Bedarfsplanung und Honorarverteilung widerspricht.
Das Bayerische Landessozialgericht wies die Argumentation des Klägers zurück, dass die Versagung einer über einen vollen Versorgungsauftrag hinausgehenden Zulassung seine Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig einschränke und gegen Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz) verstoße.
Das Gericht stellte weiter klar, dass es bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer über einen vollen Versorgungsauftrag hinausgehenden Zulassung nicht auf eine „Einzelfallorientierung“ ankommt.
Subjektive oder objektive Möglichkeiten einer Leistungsausdehnung, ein besonderer Leistungswille oder gesundheitliche beziehungsweise altersbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit spielen hierbei keine Rolle.
Auch wenn das Bayerische Landessozialgericht anmerkt, dass es selbst dem Antrag eines über 70-jährigen Arztes auf Zulassungen im Gesamtumfang von drei hälftigen Versorgungsaufträgen an drei unterschiedlichen, jeweils circa 30 km voneinander entfernten Praxissitzen bei Vortrag einer problemlos zu erreichenden Erfüllung der jeweiligen Versorgungsaufträge kritisch gegenübersteht
Fazit
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts bestätigt klar die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: Ein Arzt darf nur einen vollen Versorgungsauftrag ausüben. Individuelle Leistungsfähigkeit oder regionale Versorgungsbedürfnisse sind für die Zulässigkeit weiterer Aufträge irrelevant.
Dies kann in Einzelfällen für die betroffenen Ärzte belastend sein. Doch die Entscheidung schafft Rechtssicherheit und Planbarkeit für Zulassungsgremien und Vertragsärzte, die ihre Tätigkeit an die bestehenden Rahmenbedingungen anpassen müssen.
Die Diskussion um flexiblere Versorgungsaufträge und stärkere Individualisierung bleibt jedoch offen. Zukünftige Reaktionen von Gesetzgeber oder Rechtsprechung auf veränderte Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen sind abzuwarten. ◼
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