Die neue Gebührenordnung für Ärzte domestiziert die Privatabrechnungen in der ambulanten Urologie. Trotz ihrer zum Teil grotesken Rückständigkeit war die gute alte GOÄ gar nicht so unbeliebt. Die oft diffuse Beschreibung der Leistungen, der kreative Ersatz für reale Leistungsvergütung in Form der Analogziffern und – nicht zuletzt – die abenteuerliche Steigerung irrealer Leistungslegenden machten die alte Gebührenordnung zu einer echten Cash Cow. Muss die Cash Cow nun aufs Altenteil?
Die neue GOÄ läutet nun eine eher langweilige Ära ein, weil die moderne Leistungslegende in Kombination mit der Kastration der Steigerungsfaktoren für einen gewissen Realismus in der Privatabrechnung sorgen wird, wenn die GOÄneu denn den Segen des Bundesgesundheitsministeriums und der Bundesländer erhält. Die Cash Cow hat ausgedient – aber vielleicht dann doch nicht so ganz, denn die Kombination aus technischer Leistung und Gespräch kann durchaus lukrativ sein. Wenn allerdings selbst erbrachte Laborleistungen das Rückgrat des Praxis-Geschäftsmodells bilden, wird es in Zukunft eng mit der Privatliquidation.
Feedback aus der Praxis
Der Bonner Urologe Dr. Philipp Lossin ist stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Nordrhein im Berufsverband der Deutschen Urologie. Außerdem ist er Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sowie stellvertretender Vorsitzender des beratenden Fachausschusses Fachärzte der KV.
„Wir wollen endlich eine neue Gebührenordnung und die jetzt beschlossene ist besser als das, was wir jetzt haben.„
Der Leistungskatalog ist zukunftsorientiert und erlaubt z. B. die Integration neuer Technik-Verfahren. Die anachronistische Analog-Bewertung entfällt dann. Das finde ich super“, unterstreicht der Bonner Urologe. Er blickt aber nicht ohne Kritik auf die abweichenden Positionen der beiden Fachverbände BvDU und DGU zur neuen GOÄ. „Vielleicht wäre es möglich gewesen, als Urologen mit einer Stimme zu sprechen und einen Konsens in der Bewertung der neuen GOÄ zu finden. Aus Solidarität hätte man sich gemeinsam als Urologie gegen die neue GOÄ aussprechen können, weil operative Leistungen so schlecht bewertet wurden.“ Im Übrigen plädiert Philipp Lossin jetzt für Pragmatismus. „Wir müssen nun als niedergelassene Urologen das Beste aus dieser neuen Gebührenordnung machen; die DGU muss dasselbe für die operativen Leistungen tun.“
Deutlich abgewertete Laborleistungen sind weniger gut
Positiv sieht der BvDU-Landes-Vize die Aufwertung der Hygiene-Bestimmungen. Weniger gut sei die zu geringe Bewertung des Ultraschalls sowie die deutlich abgewerteten Labor-Leistungen. „Die Praxen mit Labor-zentrierter Diagnostik sind klar benachteiligt; andererseits werden Erklärungen und Diskussionen mit den Patienten höher bewertet“, so Dr. Lossin. Kritisch sieht der Niedergelassene die Transparenz der Bundesärztekammer während des GOÄ-Prozesses; das sei „sehr schlecht gelaufen“. „Ein Urologe konnte nicht auf der Website der BÄK nachsehen und sich über die neue GOÄ informieren. Diese Geheimnistuerei um die neue GOÄ hat dann für böses Blut gesorgt“, so Dr. Lossin. Viele hätten sich dann besorgt befragt, was die Bundesärztekammer denn bei der GOÄneu zu verbergen hätte. „Das lief nicht gut. Selbst nach dem Beschluss des Ärztetags kann man auf der Homepage der BÄK keine Komplett-Fassung der neuen GOÄ finden.“
PSA-Bestimmung bringt nur noch 12,12 Euro ein
Dr. Lossin hat die GOÄneu-Version vom 12.9.2024 zur Hand und berechnet nun verschiedene urologische Leistungen im Vergleich zur alten GOÄ. Die Abrechnung einer Harnstein-Analyse sei zum Beispiel in der neuen GOÄ niedriger bewertet als vorher. Diese Laborleistung wurde ebenso wie die PSA-Messung deutlich abgewertet. „Die Bestimmung des Prostataspezifischen Antigens wird in der neuen GOÄ mit 12,12 Euro (Ziffer 12977) honoriert, vorher waren es 20,11 Euro mit 1,15-facher Steigerung (Ziffer 3908H3). Die Leistung nach 12977 ist bis zu zweimal für PSA und freies PSA berechnungsfähig. Beim PSA führt die GOÄ also zu einem Verlust von rund acht Euro. Das interessiert jeden Urologen, denn es geht um den PSA-Wert“, informiert Dr. Lossin.
Für die transrektale Sonografie des Harntrakts (Ziffer 1226) mit Untersuchung der Harnblase und beider Nieren und / oder des Nierentransplantates (gegebenenfalls einschließlich der Harnleiter, Gefäße der Lymphknoten, auch nach Nephrektomie berechnungsfähig) werden 50,14 Euro in der neuen GOÄ gezahlt. In der alten GOÄ sind es die Ziffern 410 plus dreimal 420, die 58,97 Euro ergeben. Das sind 8,85 Euro weniger als in der heutigen Gebührenordnung, so Dr. Lossin. Die technische Leistung der Sonografie ist also abgewertet. Hinzu kommt in der neuen GOÄ aber das Gespräch gemäß Ziffer 1 der alten Gebührenordnung. Nach 10 Euro in der alten Abrechnung werden nun 14,11 Euro für ein Gespräch unter zehn Minuten gezahlt. Eine 20-minütige Erklärung der ermittelten Laborwerte oder der Ergebnisse einer Untersuchung könnten in der GOÄ neu mit 42,42 Euro angesetzt werden, so der Bonner Urologe.
Eine Beratung durch den Urologen am Telefon oder per E-Mail mit bis zu zehn Minuten bringt nun 14,01 Euro. „Das sind noch zehn Cent weniger, als wenn der Mensch vor mir sitzt – das ist komisch“, findet Dr. Lossin. Auch diese Form der Beratung kann mehr als zehn Minuten dauern und erbringt dann 19 Euro. Für eine längere Erst-Anamnese können in der GOÄneu 57 Euro abgerechnet werden. Wenn ein neuer Tumor-Patient zum ersten Mal kommt, kann die neue GOÄ-Ziffer 10 angewendet werden. Hierfür können dann noch Zuschläge zur Erst-Anamnese berechnet werden. „Da sind schon Gesprächsziffern in der Gebührenordnung, die wir heute in der alten Gebührenordnung nicht abrechnen können“, stellt Dr. Lossin fest.
Die Erhebung einer Fremd-Anamnese über einen Kranken und einen Beratenden im Sinne einer Führung und Unterweisung der Bezugsperson wird mit 30,88 Euro abgerechnet. „Das gab es früher nicht so ausgiebig. Die Abrechnungskunst besteht in der Zukunft darin, technische Leistung und Gespräch zu kombinieren. Man muss diese 974 Seiten der neuen GOÄ durchforsten und absetzbare Leistungen für den Urologen herausfiltern“, erwartet Dr. Lossin.
Alte Ziffer 5 ist jetzt etwas besser bewertet
Eine normale Untersuchung nach der alten Ziffer 5 ist jetzt die Ziffer 14, betrifft die symptombezogene klinische Erstuntersuchung und ist mit 14 Euro dotiert; in der alten Gebührenordnung sind es 10 Euro. „Das ist auch ein bisschen mehr“, stellt Dr. Lossin fest. Die symptombezogene klinische Folgeuntersuchung, also z. B. der Verbands-Check, ergibt 12 Euro. „Das ist okay.“ Eine vollständige Untersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege einschließlich der männlichen Geschlechtsorgane ergibt 18,53 Euro. Das war bisher die alte Ziffer 6 mit 13,40 Euro. Für eine ausführliche urologische Untersuchung gemäß der alten Ziffer 7 –bislang 21 Euro – können in Zukunft 45,44 Euro abgerechnet werden. Statt der alten Ziffer 11 (Rektale Untersuchung, 8,05 Euro) gibt es in Zukunft die neue Ziffer 19 mit einer Dotierung von 14,61 Euro.„Da kann man nicht meckern.“
Vorbefunde-Check ist nun mit 41,15 Euro vergütet
Der Check bildgebender Befunde bzw. von Vorbefunden und alten Arztbriefen ging bisher laut Dr. Lossin „immer aufs Haus“. In der GOÄ-neu zahlt die PKV dafür 41,15 Euro. „Das ist cool.“ Ein Medikationsplan mit mindestens drei Medikamenten wird bislang gar nicht bezahlt, in Zukunft dann mit 14 Euro. Die Koordination mit Dritten, also z. B. Anrufe beim Hausarzt oder dem Pflegeteam, kann nun mit 42 Euro berechnet werden; die alte GOÄ sah hierfür gar keine Vergütung vor. Die zukünftige Erstbefüllung einer elektronischen Patientenakte für PKV-Patienten ist in der GOÄneu bereits als Ziffer enthalten. Die genetische Beratung eines Prostatakarzinompatienten nach genetischer Analyse kann mit 46 Euro berechnet werden.
Der BvDU hatte eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der neuen GOÄ befasst hatte. Die Arbeitsgruppe hatte laut Dr. Lossin Beispielpatienten, etwa in der Vorsorge, durchgerechnet und „kam zu ausreichenden Ergebnissen“. „Das stimmt mich hoffnungsvoll. Wir können die beschlossene GOÄneu jetzt nicht ändern; wir müssen sehen, dass wir das Beste daraus machen.“
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Franz-Günter Runkel
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