Der Gewinner der Bundestagswahl am Sonntag sind CDU/CSU mit einem Stimmenanteil von 28,5%, gefolgt von der AfD, die 20,8% erreichte. Auf den Plätzen folgen die SPD mit 16,4%, Bündnis 90/Die Grünen mit 11,6% sowie die Linke mit 8,7%. FDP und zuletzt auch das BSW scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Die wahrscheinlichste Koalition für die neue Bundesregierung besteht aus Union und SPD. Damit aber wächst die Chance auf eine zweite Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – die Angst davor geht um!

Die frühere „Große Koalition“ kommt gemeinsam auf 328 Sitze im neuen Bundestag und damit zwölf Sitze mehr als die absolute Mehrheit. Falls die Grünen dazustoßen sollten, wären sogar 413 Sitze möglich. Allerdings gilt diese Koalition als weniger wahrscheinlich. Eine Koalition mit der AfD hatten alle Parteien bereits zuvor ausgeschlossen. Das Ergebnis der Bundestagswahl signalisiert eine schwierige Regierungsbildung – vermutlich aus CDU/CSU sowie der SPD. Kaum ist der Pulverdampf eines zum Teil erbitterten Wahlkampfes verzogen, wird der Blick frei für die vielen Probleme des Landes – auch und gerade im Gesundheitssystem. Chancen und Risiken für die Gesundheitspolitik der neuen Legislaturperiode prägen das heutige Uroskop.
Die Problem-Liste ist ellenlang, die Zeit knapp. Finanzierung, Patientensteuerung, Notfallreform, Krankenhausreform, Entbürokratisierung, Digitalisierung, Ambulantisierung und mehr. Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung schreiben tiefrote Zahlen. Krankenhäuser senden SOS-Notrufe. Die ambulante Medizin krankt an chronischer Unterfinanzierung. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung drängt auf schnelle Reformen, um den auf höchster Stufe kochenden Kessel des Gesundheitssystems ein wenig abzukühlen.
Lauterbach 2.0 – Katastrophe für die ambulante fachärztliche Versorgung?
Dr. Holger Uhthoff ist Beauftragter Berufspolitik im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Andrologie (DGA) und niedergelassener Urologe im Medizinischen Versorgungszentrum Urodocs in Speyer. Im Wahlkreis Leverkusen/Köln IV holte der SPD-Politiker Karl Lauterbach das Direktmandat mit 32,7%. Uhthoff merkt dazu an, dass Karl Lauterbach mehrfach betont habe, dass er seine Arbeit als große Unvollendete ansieht und deshalb eine zweite Legislaturperiode als Bundesgesundheitsminister anhängen möchte. „Eine zweite Amtszeit Lauterbachs als Bundesgesundheitsminister wäre aus meiner Sicht eine Katastrophe für die ambulante fachärztliche Versorgung“, unterstreicht der Urologe aus Speyer. Unwahrscheinlich ist eine zweite Lauterbach-Halbzeit für Uhthoff nicht, denn CDU und CSU brauchen Zugeständnisse der SPD in den Bereichen Wirtschaft und Migration. Da die Gesundheitspolitik im Wahlkampf keine bedeutende Rolle gespielt hätte, werde die Union der SPD in der Gesundheitspolitik entgegenkommen – vielleicht sogar in einem neuen sozialen Super-Ministerium mit Lauterbach an der Spitze.
Warnung vor dem Trojanischen Pferd der Entbudgetierung
Ein Reizbegriff im Wahlkampf war die Entbudgetierung. Der Orthopäde und Buchautor Dr. Matthias Soyka aus Hamburg schreibt regelmäßig Kolumnen für den Ärztenachrichtendienst. Am Montag verglich er die für Hausärzte realisierte und für Fachärzte in der neuen Koalition zumindest mögliche Entbudgetierung mit dem Danaer-Geschenk des Trojanischen Pferdes. Bekanntlich endete die Geschichte fatal für die gutgläubigen Trojaner, die das Pferd mit dem gefährlichen Inhalt hinter die Stadtmauer zogen. Falls die Entbudgetierung auch den Fachärzten angeboten werden sollte, warnen Soyka und auch Urologe Uhthoff vor einem Passus im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz: „Die Regelungen (…) sind so auszugestalten, dass sie weder zu Mehrausgaben noch zu Minderausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung führen.“ Vor allem die Vorsorge- und die Vorhaltepauschale können sich als Pferdefuß des GVSG herausstellen. Wer die Bedingungen der Pauschalen erfüllt, muss mehr leisten, hat mehr Kosten und kommt mit Glück auf ein ausgeogenes Verhältnis von Mehraufwand zu Mehreinnahme. Dr. Uhthoff bekennt, dass ihm eine Tätigkeit ohne Entbudgetierung im Grunde lieber wäre.
Auf dem Holzweg der Patientensteuerung

Das neue politische Zauberwort heißt Patientensteuerung und könnte der gesundheitspolitische Leitbegriff der neuen Regierung werden. „Mit Künstlicher Intelligenz soll ja versucht werden, eine Vorselektion der Patienten obligatorisch zu machen. Vielleicht gibt´s dann auch einen Extra-GKV-Tarif, wenn man die KI nutzt und auf den direkten Arztbesuch verzichtet. Das ist alles Quatsch“, redet Uhthoff Klartext. Die Omas und ihr Gesundheitswissen stürben leider aus. Der erste Schritt zur Patientensteuerung wäre für den Urologen aber genau diese Stärkung der Gesundheitskompetenz des Bürgers.
Finanzielle Bonus- oder Malus-Beträge für die Befolgung bestimmter Versorgungspfade im System hält Dr. Uhthoff nicht für die Lösung. „Wenn sich ein Patient als Notfall einstuft und in meine Praxis kommt, dann wird er sehr ärgerlich, wenn ich ihn nicht als Notfall einstufen kann und dafür 50 Euro Praxisgebühr von ihm kassieren möchte. Wenn ich die vielen Geschichten über Gewalt in der Praxis lese, befürchte ich am Ende handfeste Auseinandersetzungen, weil ich den Patienten nicht als Notfall eingestuft habe.“
Die ambulante urologische Versorgung in der Praxis sei, so Dr. Uhthoff, wichtiger denn je – „zumindest für diejenigen, die sich das noch leisten können!“ Ein Blick auf die Assistenten-Struktur in Krankenhäusern zeige, dass die stationäre Versorgung nicht besser werde. Die Rekrutierung ausländischer Fachärzte sei ein Versuch, die Folgen dieses Mangels abzufedern. Trotz aller politischer Belastungen ist der Urologe überzeugt: „Die Existenz einer soliden urologischen Praxis wird auch in der neuen Bundesregierung gesichert sein, wenn der Urologe wirtschaftlich denkt und handelt.“
Geteiltes Echo auf das Bündnis „Aufstehen für Demokratie“
Das von der DGU und weiteren Fachgesellschaften unterstützte Bündnis „Aufstehen für Demokratie“ hatte vor der Wahl einen Wahlaufruf für Parteien der Mitte unter dem Slogan „Fakten für die Demokratie“ gestartet. Am 12. Februar gab es Demonstrationen mit 12.000 Teilnehmern, bei denen auch die gemeinsame Abstimmung von Friedrich Merz mit der AfD kritisiert wurde. Dr. Uhthoff zeigt sich angesichts der Unterstützung der DGU für den Aufruf zur Wahl der demokratischen Mitte irritiert. „Sicher gibt es Gefahren für die Demokratie von rechts, aber ich sehe auch Gefahren für die Demokratie von links. Aus meiner Sicht hat ein solcher Wahlaufruf nichts bei einer Fachgesellschaft wie der DGU verloren. Ich halte das für eine parteipolitische Positionierung, die nicht zu den Aufgaben einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft wie der DGU gehört“, sagt Dr. Uhthoff.
In der kommenden Woche werden wir uns mit den Folgen der Bundestagswahl für die klinische Urologie befassen. Unser Interview-Gast wird dann Prof. Maurice Stephan Michel sein, Klinikdirektor, Ex-DGU-Generalsekretär und DGU-Präsident 2027 in Frankfurt, sein. Ich kann Ihnen kontroverse Aussagen versprechen, also bleiben Sie dran!
Bis dahin grüßt Sie herzlich
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum


