Aus UroForum Heft 01/2025
Anne Göttenauer, Christopher Netsch
Zur Behandlung des Benignen Prostatasyndroms (BPS) stehen neben medikamentösen Optionen auch verschiedene operative Ansätze zur Verfügung. Was bei der Auswahl der optimalen Therapie relevant sein kann und wie wichtig aus seiner Sicht der Langzeiterfolg der Behandlung ist, darüber haben wir mit Herr Dr. Christopher Netsch gesprochen.

Herr Dr. Netsch, was sind aus Ihrer Sicht momentan die wichtigsten Aspekte bei der Therapie des Benignen Prostatasyndroms?
Netsch: Bei der BPS-Therapie werden 78 % der Kosten für Medikamente aufgewendet, mit denen eine Operation in der Regel fünf bis sieben, maximal zehn Jahre hinausgezögert werden kann. Etwa 15 % der Kosten fallen für operative Verfahren an. Bei diesen stehen meiner Meinung nach derzeit zwei Bereiche besonders im Fokus. Das sind zum einen Lifestyle-Aspekte, zum anderen werden unsere Patienten aufgrund des demografischen Wandels immer älter.
Das bringt Herausforderungen wie Multimorbidität und Multimedikation mit sich. Bei diesem Kollektiv ist es nicht immer klar, wie wir die Patienten behandeln sollten, da die Notwendigkeit der Behandlung gegen mögliche Risiken und Komplikationen, aber auch gegen die eventuell limitierte Lebenserwartung abgewogen werden muss.
Viele dieser Patienten scheuen die Risiken einer Operation, wie eine drohende Inkontinenz, und bevorzugen minimalinvasive Verfahren, die aber möglicherweise keinen langfristigen Erfolg bringen. Hier zeigen konventionelle Verfahren die besten Ergebnisse mit den besten Langzeitdaten. Und dazu zählt eben die Enukleation – entweder offen, roboter-assistiert oder mittels Laser. Die Maßnahme verbessert die Symptome deutlich und langfristig. Das heißt, die Reinterventionsrate ist erheblich niedriger als bei anderen Verfahren.
Die zunehmende Bedeutung der Enukleation per Laser spiegeln auch die Anwendungszahlen wider. Von jährlich etwa 80.000 Operationen wurden vor zehn Jahren nur ca. 2.000 bis 3.000 mittels Laser durchgeführt. Dieses Jahr gehe ich von rund 20.000 bis 22.000 entsprechenden Eingriffen aus.
Sie haben den Aspekt Lifestyle genannt. Was ist hier relevant?
Netsch: Bei der BPS-Behandlung ist das Hauptziel die Verbesserung der Lebensqualität. Hier spielt aber nicht nur die Linderung der Symptome eine Rolle. Wenn dies mit medikamentöser Therapie nicht mehr möglich ist und eine Operation in Betracht gezogen wird, gewinnt vor allem der Erhalt der Ejakulationsfähigkeit an Bedeutung.
Dies ist zwar ein sehr individueller Faktor und nicht für alle Patienten relevant, aber auch unter den älteren Männern gibt es immer einige, die evtl. noch einen Kinderwunsch haben.
Umso wichtiger ist es, bei der Beratung der Patienten zu verschiedenen Therapieoptionen auch die Aspekte Sexualität und Potenz zu berücksichtigen und generell jeweilige Vor- und Nachteile aufzuzeigen. Denn geringere Auswirkungen eines Verfahrens auf die Sexualität kann auch mit geringeren Effekten auf den Harnfluss, also auf die Stärke des Harnstahls einhergehen.
Wobei die Verbesserung des Harnstrahls nicht unbedingt der beste Anhaltspunkt für ein erfolgreiches Therapieverfahren ist. Sinnvoller ist es, die langfristige Verbesserung der Lebensqualität in den Fokus zu rücken. Dafür sind bei der finalen Wahl für eine Behandlung dann auch die Patientenpräferenzen entscheidend.
Auch in der Leitlinie sind viele Verfahren aufgeführt. Wie verfährt man damit in der Praxis?
Netsch: Ja, diesbezüglich ist die Leitlinie der Vollständigkeit halber sehr ausführlich und geht auf viele Ansätze ein. Erfahrungsgemäß sind aber viele der Verfahren langfristig nicht effektiv oder tauchen immer mal wieder auf und verschwinden dann auch wieder. Die Praxis zeigt, dass sich nur evidenzbasierte Maßnahmen mit guten Langzeitdaten etablieren.
Bezüglich des Behandlungserfolgs ist meiner Ansicht nach die Reduktion des PSA-Werts ein guter Surrogatparameter. Das heißt, je höher die PSA-Reduktion von der prä- zur postoperativen Messung ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein erneuter Eingriff notwendig wird, also desto besser ist der Langzeiterfolg. Bei den Enukleationsverfahren liegt die PSA-Reduktion im Schnitt bei über 80 %, was neben den positiven Erfahrungen der Patienten die Effektivität belegt. Es gibt natürlich noch andere Zielparameter, wie den Erhalt der Ejakulation, die Möglichkeit der lokalen Betäubung oder die Reduzierung der Medikamente. Hier spielen wie gesagt vor allem die Patientenwünsche die entscheidende Rolle. Ich würde in der Beratung der Patienten aber immer den Langzeiteffekt betonen.
Was erwarten Sie im Rahmen der Gesundheitsreform bzgl. der BPS-Therapie?
Netsch: Durch die Gesundheitsreform werden wir uns immer mehr in die Richtung individueller Gesundheitsleistungen bewegen. Das bedeutet, dass man die Patienten auch intensiver zu Verfahren beraten muss, die sie evtl. selbst bezahlen und damit das Risiko tragen müssen, ob die Anwendung langfristig erfolgreich ist. Und auch wenn sich einige Verfahren bzgl. ihrer Kosten eher als Alternative zur Medikation als zur Operation sehen, fehlen hierzu bislang ebenfalls verlässliche Daten.
Zu den Zielen der Reform gehört aber nicht nur, dass Therapien individueller werden, sondern auch dass der Zugang zu medizinischen Leistungen limitierter sein wird. Daher wird es umso wichtiger zu wissen, welche Verfahren tatsächlich funktionieren und welche nicht. Es wird nicht mehr möglich sein, mehrere Verfahren auszuprobieren, bevor man tatsächlich erfolgreich ist. Man wird es einmal richtig machen müssen.
Dazu kommt, dass es – wie in anderen Fachbereichen – auch in der Urologie zu einer gewissen Zentrenbildung kommen wird. Das gilt auch für die Behandlung des BPS. Verfahren mit bekanntermaßen guten Ergebnissen und die entsprechenden erfahrenen Operateure mit großen Fallzahlen werden sich durchsetzen – mit dem Nachteil längerer Wartezeiten für die Patienten.
Herr Dr. Netsch, vielen Dank für das Gespräch. ◼

Dr. med. Dr. habil Christopher Netsch ist seit dem 1. Januar 2025 leitender Chefarzt der Klinik für Urologie an der Asklepios Klinik Barmbek. Er gilt als Experte in der Behandlung des Benignen Prostatasyndroms, insbesondere mit dem Thulium-Laser.


