Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht nach Ansicht von Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt vor massiven Herausforderungen, die mutige Reformen in allen Leistungsbereichen des Gesundheitssystems erfordern. Prävention, Versorgungssteuerung, Entbürokratisierung und die nachhaltige Sicherung der Finanzierung unseres Gesundheitswesens seien Kernaufgaben einer neuen Bundesregierung.

Reinhardt forderte in der gestrigen Neujahrspressekonferenz der Bundesärztekammer mehr Koordination in der Patientenversorgung. „In Deutschland werden die Patientinnen und Patienten viel zu oft mit der Organisation und Koordination ihrer Versorgung allein gelassen. Die Folge ist ein ungeordnetes Nebeneinander in der Versorgung. In bestimmten Regionen hat jeder Zweite im Schnitt zwei Hausärzte. So etwas können wir uns bei zunehmender Personalnot und knapper Kassen nicht mehr leisten“, warnte Reinhardt. Es sollte zum Normalfall werden, dass sich Patientinnen und Patienten bei einer Hausarztpraxis einschreiben, die dann die Koordinierung der Weiterbehandlung übernimmt. Bei bestimmten chronischen Erkrankungen könne die Koordination auch ein Facharzt oder eine Fachärztin übernehmen. Dafür notwendig seien zum Beispiel günstigere Krankenkassenbeiträge für diejenigen, die sich in so ein Modell einschreiben.
Mit Blick auf die steigenden Kassenbeiträge forderte Bundesärztekammer-Präsident Reinhardt, versicherungsfremde Leistungen über Steuern zu finanzieren. Nötig sei auch eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wie bei Tierarzneimitteln von jetzt 19 Prozent auf sieben Prozent. „Wir reden hier nicht von Peanuts. Durch eine solche Absenkung würden die Krankenkassen etwa sechs Milliarden Euro jährlich einsparen“, so Reinhardt.
Ein Drittel weniger Bürokratie in drei Jahren
Um Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit für die eigentliche Patientenversorgung zu geben, schlägt Reinhardt eine dreijährige Bürokratie-Taskforce von Politik und Selbstverwaltung vor. Diese soll bereits vorliegende Einzelvorschläge zum Bürokratieabbau aufgreifen, um so die Bürokratiebelastung im Gesundheitswesen um mindestens zehn Prozent pro Jahr zu senken. Reinhardt: „Wenn wir am Ende der nächsten Legislaturperiode ein Drittel weniger unnötiger Bürokratie zu bewältigen haben, ist für die Patientenversorgung viel erreicht.“
Um die Folgen des Ärztemangels zu lindern, sollte Ärztinnen und Ärzte im Ruhestandsalter die Möglichkeit gegeben werden, sich weiter in die Patientenversorgung einzubringen, wenn sie dazu bereit sind. Reinhardt schätzt das Potenzial auf etwa 20.000 zusätzliche Vollzeitstellen. Dafür brauche es mehr sozialpolitische Spielräume, um die Kolleginnen und Kollegen im Ruhestandsalter in Teilzeit anzustellen. Zusätzlich sollte durch steuerrechtliche Regelungen und Befreiung von der Sozialversicherungspflicht die Abgabenlast reduziert werden.


