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Die Macht der Hormone: Ein Gespräch mit Julia Doan über weibliche Superkräfte

Portrait von Julia Doan, Hormoncoach

Die Macht der Hormone: Ein Gespräch mit Julia Doan über weibliche Superkräfte

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mgo medizin

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Erschienen in: diabetes heute

Hormon-Coach Julia Doan ermutigt Frauen über 40 ihre Hormone in Balance zu bringen und ihr volles Potential auszuschöpfen. Um Frauen stark zu machen, integriert sie in ihren Coachings Ernährungs- und Bewegungstipps sowie Entspannungstechniken. Julia Doan sagt, dass Frauen in der Menopause ihre hormonellen Superkräfte nutzen sollen, um sich ausgeglichen und energiegeladen zu fühlen. Auf der Fortbildungsveranstaltung „Diabetologie grenzenlos 2025“ in München erklärte die Expertin wie Östrogen und Progesteron die Insulinsensitivität beeinflussen. Deswegen kämpfen Frauen ab 40 oft mit Gewichtszunahme, erhöhtem Stresslevel und Stimmungsschwankungen – ein Aspekt, der auch für Diabetologinnen und Diabetologen von zentraler Bedeutung ist.

Frau Doan, Sie sagen „eine Frau durchläuft in einem Monat so viele hormonelle Veränderungen, wie ein Mann in seinem ganzen Leben“. Welche sind die größten Unterschiede in der hormonellen Regulation zwischen den Geschlechtern, und wie beeinflussen diese das Wohlbefinden?
Männer und Frauen haben zwar dieselben Hormone, aber die Verteilung dieser Hormone unterscheiden sich stark. Bei Frauen schwanken die Sexualhormone Östrogen und Progesteron monatlich aufgrund des Menstruationszyklus. Männer hingegen erleben eine sanfte Anstiegskurve des Testosterons von der Kindheit bis etwa Anfang 40, danach fällt es langsam bis ins hohe Alter. Männer haben daher weniger hormonelle Schwankungen und kennen das Gefühl, sich hormonell bedingt anders zu fühlen, nicht so intensiv wie Frauen.
Diese Schwankungen bei Frauen haben Auswirkungen auf jede Körperzelle, da jede Zelle Rezeptoren für Hormone wie Östrogen, Progesteron und Testosteron besitzt. Östrogen verstärkt die Insulinsensitivität, während Progesteron sie verringert. Die zyklischen hormonellen Veränderungen sind daher besonders wichtig für Frauen mit Diabetes. In der Perimenopause, die bei den meisten Frauen Anfang bis Mitte 40 beginnt, kommt es zu anovulatorischen Zyklen, wodurch die ausgleichende Wirkung von Progesteron wegfällt und das Östrogenlevel stark schwankt. Ich bezeichne das gern als Achterbahnfahrt zwischen Östrogen-Dominanz und Östrogen-Mangel und das wiederum beeinflusst die Insulinsensitivität extrem stark.
Neben starker Erschöpfung berichten betroffene Frauen von Schlafstö­run­gen, unerklärlichen Gewichtszunah­men, Stimmungsschwankungen und teilweise auch Depressionen. Oft erlebe ich auch, dass Frauen, die sich vermeintlich gesund ernähren und viel bewegen, plötzlich Veränderungen feststellen, da die Schwankungen der Insulinsensitivität ihre Glukosekurven, Stimmung, Leistungsfähigkeit und ihr Wohlbefinden beeinflussen.

Wie wirken sich die hormonellen Bedürfnisse auf die Ernährungsgewohnheiten aus und welche Rolle spielen dabei Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas oder Diabetes mellitus?
In der Follikelphase ist das Östrogen dominant und die Insulinsensitivität steigt. In der Folge haben die Frauen mehr Energie und ein bisschen weniger Appetit. In der zweiten Zyklushälfte, der Lutealphase, steigt das Progesteronlevel und die Insulinsensitivität sinkt. Frauen erleben einen gestei­gerten Appetit und es kommt beispielsweise zu Wassereinlagerungen.
Eine „blutzuckerfreundliche“ Ernäh­rung kann helfen, Symptome wie Stimmungsschwankungen, Leistungsein­bußen und allgemeines Wohlbefinden zu verbessern. Frauen in der Perimenopause sollten ihre Ernährung anpassen, um die Insulinsensitivität zu unter- stützen und die Schwankungen der Hormonspiegel zu berücksichtigen.
Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas oder Diabetes mellitus können diese Herausforderungen verstärken, da sie oft mit einer gestörten Insulinsensitivität und anderen hormonellen Ungleichgewichten einhergehen.
In der Perimenopause ist das Glukosemanagement besonders wichtig, da viele Frauen in dieser Phase eine Insulinresistenz entwickeln. Wir sehen da steigende HbA1c-Werte oder einen Prädiabetes. Ein Hormon-Coaching kann Diabetikerinnen helfen, ihre Ernährung und ihren Lebensstil so anzupassen, dass die Insulinsensitivität unterstützt wird und Schwankungen des Blutzuckerspiegels minimiert werden. Durch das Verständnis der hormonellen Abläufe und die Anpassung der Ernährung können Symptome wie Stimmungsschwankungen und Leistungseinbußen verbessert werden. Aber auch Frauen ohne Diabetes sollten darauf achten, da sich die Insulinsensitivität zyklisch verändert.


Welche Erfahrungen haben Sie in Ihren Coachings mit Frauen mit chronischen Erkrankungen wie Adipositas oder Diabetes gemacht? Müssen Sie in diesen Fällen auf etwas explizit achten?
Frauen mit Adipositas oder Typ-2-Diabetes haben oft eine lange Geschichte von erfolglosen Abnehmversuchen und fühlen sich psychisch belastet. Viele haben das Gefühl, sie hätten nicht genug Disziplin, weil es bei ihnen nicht funktioniert. Disziplin allein reicht aber nicht zum Abnehmen, da Hormone die Körpervorgänge steuern.
In der Menopause wird die Progesteron-Produktion von den Eierstöcken in die Nebennierenrinde und das Gehirn verlagert. Das funktioniert aber nur, wenn die Frau nicht in einem latenten Stressmodus ist. Unser Körper wird immer zugunsten von Cortisol entscheiden. Wenn der Körper im Überlebensmodus ist, führt Cortisol immer zu schnell verfügbarer Energie.
Daneben haben Frauen mit chronischen Stoffwechselerkrankungen oft auch Schilddrüsenprobleme, wie Hashimoto, was die Fettverbrennung und damit das Abnehmen zusätzlich erschwert. Ein regulierter Cortisolspiegel durch Ernährung und Lebensstiländerungen ist entscheidend. Ich empfehle Maßnahmen wie Spazierengehen oder Atemübungen, die nachweislich Stress reduzieren und den Cortisolspiegel senken.
Frauen mit Stoffwechselerkrankungen profitieren von einem Verständnis der hormonellen Vorgänge und der richtigen Ernährung, um die Hormone auszubalancieren und die Symptome zu lindern. Nach meinem Coaching wissen die Frauen, welche Lebensmittel für sie geeignet sind und wie sie ihren Körper unterstützen können die hormonellen Kreisläufe zu optimieren. Dies führt zu einer besseren Balance, einer Reduktion von Körperfett und mehr Energie, so dass sie sich wieder mit Dingen beschäftigen können, die sie wirklich interessieren.


Auf welche Aspekte des Hormonstatus sollten Diabetologinnen und Diabetologen bei ihren Patientinnen besonders achten? Wie können die Behandelnden Patientinnen optimal unterstützen, die hormonell im Ungleichgewicht sind?
Ein entscheidender Punkt ist – neben der hormonellen Beeinflussung der Insulinsensitivität – die Beachtung der Schilddrüse. Besonders Frauen um die 40 sind in der vulnerablen Phase der Hormonumstellung häufiger von Schilddrüsenerkrankungen betroffen. Die Interaktion zwischen Insulin und Schilddrüsenhormonen darf nicht unterschätzt werden. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion besteht eine erhöhte Gefahr für Unterzuckerung.
Ich empfehle zusätzlich zum CGM den Zyklus „mitzutracken“, um spezifische Probleme zu erkennen. Mithilfe von Apps können Patientinnen ihren Zyklus und darüber hinaus auch ihre Gefühlslage überwachen. Stress und andere Faktoren können den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Dies gibt Hinweise auf Cortisolausschüttungen und mögliche Probleme, die weiter untersucht werden sollten.


Mit ihrem »Club der Hormonistinnen« möchten Sie Tabus brechen. Welche Vorurteile über die Menopause müssen wir ausräumen?

Erstens, dass Wechseljahre nur Hitzewallungen bedeuten und zweitens, dass sie erst ab 50 beginnen. Tatsächlich beginnen sie oft viel früher und umfassen über 35 verschiedene Symptome, wobei Hitzewallungen nur eines der letzten Symptome sind.
Drittens, Wechseljahre sind kein rein privates Problem und haben auch gesellschaftliche Auswirkungen. Die Ergebnisse der MenoSupport-Studie aus 2024 zeigen, dass viele Frauen aufgrund von Wechseljahresbeschwerden nur noch Teilzeit arbeiten können. In Deutschland gibt es laut Statista 11,5 Millionen Frauen zwischen 40 und 60 Jahren, die von Wechseljahresbeschwerden betroffen sind, und diese Gruppe wächst schnell. Wechseljahre, Perimenopause und Menopause sind keine rein privaten Themen, sondern haben erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gleichstellung von Männern und Frauen.


Vielen Dank Frau Doan für das sehr interessante Interview!
Ihre Arbeit zeigt deutlich, dass hormonelle Veränderungen gerade bei Frauen in der zweiten Lebenshälfte eine entscheidende Rolle im Stoffwechsel spielen. Eine interdisziplinäre und gendergerechte Betrachtung ist unerlässlich, um die medizinische Versorgung in der Diabetologie weiter zu verbessern.

Das Interview führte Birgit Schulze.

Bildquelle: © mgo fachverlage

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