Dr. Stephan Arndt, Praxiszentrum diabendo in Rostock, über innovative Therapieansätze
Typ-1-Diabetes bleibt eine der größten Herausforderungen in der modernen Medizin. Doch die Fortschritte der letzten Jahre geben Anlass zur Hoffnung. Im Rahmen eines exklusiven Interviews sprach Dr. Stephan Arndt über die neuesten Entwicklungen in der Behandlung dieser Erkrankung – von technologischen Innovationen bis hin zu möglichen biologischen Heilungsansätzen.
Die Herausforderung bei Typ-1-Diabetes
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse vollständig ausfällt. Die einzige verfügbare Therapie ist bislang die Insulintherapie. Doch diese birgt Risiken: Eine zu hohe Insulinzufuhr kann gefährliche Unterzuckerungen (Hypoglykämien) auslösen. Aus diesem Grund liegt der angestrebte HbA1c-Wert – ein Maß für die langfristige Blutzuckerkontrolle – bei Typ-1-Diabetes höher als bei Typ-2-Diabetes.
„Wir können beim Typ-1-Diabetes nicht dieselben Zielwerte wie bei Typ-2-Diabetes anstreben, da das Risiko für Hypoglykämien sonst zu hoch wäre“, erklärt Dr. Arndt. Aktuell empfiehlt die Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) einen HbA1c-Zielwert von unter 7,5 %.
Technologische Innovationen: Ein Durchbruch in der Therapie
Die letzten Jahre haben eine wahre Revolution im Bereich der Diabetestechnologie gebracht. Besonders die Einführung von kontinuierlichen Glukosemesssystemen (CGM) hat die Therapie grundlegend verändert. Diese Systeme ermöglichen es Patient:innen, ihre Glukosewerte jederzeit im Blick zu behalten und frühzeitig auf Schwankungen zu reagieren.
„Mit CGM-Systemen können Patient:innen ihre Therapie viel besser steuern als mit herkömmlichen Blutzuckermessgeräten. Selbst tägliche Messungen liefern nicht die detaillierten Daten, die ein CGM-System bereitstellt“, so Dr. Arndt.
Noch spannender wird es durch die Kombination von CGM-Systemen mit Insulinpumpen, die durch intelligente Algorithmen gesteuert werden. Diese sogenannten AID-Systeme (Automated Insulin Delivery) passen die Insulinzufuhr in Echtzeit an die Glukosewerte an. Steigt der Blutzucker, gibt die Pumpe automatisch mehr Insulin ab. Sinkt er, wird die Insulinabgabe reduziert oder sogar gestoppt.
„Diese halbautomatischen Systeme bringen nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch eine deutliche Entlastung für die Patient:innen. Sie müssen sich weniger um ihre Werte kümmern, da das System im Hintergrund arbeitet“, erklärt Dr. Arndt. Vollautomatische Systeme, die keinen manuellen Eingriff mehr erfordern, sind bereits in Entwicklung und könnten in den nächsten drei bis vier Jahren verfügbar sein.
Biologische Heilung: Die Stammzelltherapie
Neben technologischen Fortschritten gibt es auch Hoffnung auf eine biologische Heilung. Die Stammzelltherapie, die oft als „biologische Heilung“ bezeichnet wird, könnte eines Tages die Insulinproduktion im Körper wiederherstellen.
„In den letzten Jahren wurden große Fortschritte gemacht, aber aktuell ist die Stammzelltherapie noch mit Herausforderungen verbunden. Patient:innen benötigen eine lebenslange Immunsuppression, um das Abstoßen der Zellen zu verhindern. Das erhöht das Risiko für Infektionen und andere Nebenwirkungen“, erläutert Dr. Arndt.
Ein möglicher Ausweg könnte die sogenannte Mikroverkapselung sein. Dabei werden die Stammzellen in eine schützende Hülle eingeschlossen, die das Immunsystem davon abhält, sie anzugreifen. „Diese Ansätze sind vielversprechend, befinden sich aber noch in einem frühen Stadium. Eine breite klinische Anwendung wird sicher noch mindestens zehn Jahre dauern“, so der Experte.
Ein Blick in die Zukunft
Die Zukunft der Typ-1-Diabetes-Therapie ist vielversprechend. Während vollautomatische AID-Systeme bereits in greifbarer Nähe sind und die Therapie revolutionieren könnten, wird die biologische Heilung durch Stammzelltherapie noch etwas länger auf sich warten lassen.
„Die technische Heilung wird viel früher verfügbar sein als die biologische“, prognostiziert Dr. Arndt. Doch beide Ansätze haben das Potenzial, das Leben von Menschen mit Typ-1-Diabetes grundlegend zu verändern – hin zu mehr Lebensqualität und weniger Einschränkungen.
Fazit
Die Fortschritte in der Typ-1-Diabetes-Therapie sind beeindruckend. Von intelligenten Insulinpumpen bis hin zu Stammzelltherapien – die Zukunft sieht vielversprechend aus. Für Betroffene bedeutet das: weniger Belastung im Alltag und die Hoffnung auf ein nahezu normales Leben trotz Diabetes.
Interview mit Dr. Stephan Arndt
Bildquelle: © mgo fachverlage



