Rund 30 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland leiden unter psychischer Erschöpfung. Wie bleibt medizinisches Personal trotz hoher Arbeitsbelastung, komplexer Herausforderungen und ständigem Zeitdruck dennoch leistungsfähig? Welche Strategien helfen, um die psychische Widerstandskraft zu fördern? Der 131. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), der in diesem Jahr unter dem Motto „Resilienz – sich und andere stärken“ steht, widmet sich diesen Fragen.
Ärztinnen und Ärzte tragen täglich eine hohe Verantwortung für die Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten. Neben komplexen Krankheitsbildern sind sie mit steigenden administrativen Anforderungen und einem oft herausfordernden Arbeitsumfeld konfrontiert. „Die Fähigkeit, auch unter hoher Belastung professionell zu handeln und gleichzeitig die eigene körperliche und mentale Gesundheit zu schützen, ist eine sehr wichtige Kompetenz in der Inneren Medizin“, sagt Kongresspräsident Professor Dr. med. Jan Galle, Direktor der Klinik für Nephrologie und Dialyseverfahren am Klinikum Lüdenscheid.
„Resilienz ist kein individuelles Nice-to-have, sondern systemrelevant“, betont auch Professor Dr. med. Imad Maatouk, Leiter des Schwerpunkts Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Würzburg und Mitglied der Programmkommission Psychosomatik. „Ohne belastbare Ärztinnen und Ärzte leidet nicht nur die medizinische Versorgung, sondern auch die Patientensicherheit. Nur wer selbst nicht zusammenbricht, kann andere retten.“ Entscheidend sei die Fähigkeit, sich nach schwierigen Fällen mental zu regenerieren und die eigene psychische Gesundheit langfristig zu erhalten.
Wie Menschen mit mentalen Herausforderungen umgehen, ist dabei auch eine Frage der Biologie.
„Die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, hängt von einem Gleichgewicht bestimmter Hormone im Körper ab“, erklärt Maatouk. Beeinflusst werde es von der sogenannten HPA-Achse aus Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde, dem „Stresshormon“ Cortisol und dem dopaminergen System, so der Experte. Resiliente Menschen zeichnen vor allem zwei Eigenschaften aus: „Zum einen erholen sie sich nach stressigen Situationen körperlich sehr schnell, zum anderen bewerten sie Stresssituationen grundsätzlich positiv.“ Dennoch sei Resilienz keine rein individuelle Eigenschaft, sondern ein dynamischer Prozess. Im Arbeitsumfeld und gerade in der medizinischen Versorgung gebe es strukturelle Rahmenbedingungen, die die Fähigkeit zur Resilienz der Mitarbeitenden unterstützen können. „Klare Kommunikation, eine wertschätzende Feedbackkultur und interdisziplinäre Zusammenarbeit tragen dazu bei, die kollektive Resilienz im Gesundheitswesen zu stärken“, so der Psychosomatiker.
Systemische Ansätze zur Förderung von Resilienz
Entsprechend sieht der Experte das Gesundheitssystem selbst in der Verantwortung, Resilienz fördernde Strukturen zu schaffen. Dazu gehören interdisziplinäre Teams und gezielte Fortbildungsangebote. „Resilienz lässt sich trainieren“, bestätigt Maatouk. Es gebe wissenschaftlich fundierte Methoden wie kognitiv-behaviorale und achtsamkeitsbasierte Ansätze, um die seelische Widerstandskraft zu stärken. Ein Resilienz orientiertes Curriculum als Teil der Weiterbildung könne dazu beitragen, jungen Ärztinnen und Ärzten Handlungssicherheit und Belastbarkeit zu vermitteln. „Gute Kommunikation im klinischen Alltag trägt zudem entscheidend zur Vermeidung von Behandlungsfehlern bei“, so der Experte. Bis zu 80 Prozent der Behandlungsfehler seien auf mangelhafte Kommunikation zurückzuführen.
Resilienz in der Patientenversorgung
Doch nicht nur für Ärztinnen und Ärzte sei Resilienz eine wichtige Eigenschaft. Auch Patientinnen und Patienten profitierten davon, so Experte: „Resiliente Menschen zeigen eine bessere Anpassungsfähigkeit an schwere Erkrankungen, was sich positiv auf den Heilungsverlauf und die Lebensqualität auswirkt.“ Studien legen nahe, dass Resilienz fördernde Interventionen insbesondere bei chronischen Erkrankungen zu besseren Behandlungsergebnissen führen können.
Schlüsselkompetenz in der Inneren Medizin
„Resilienz ist eine Schlüsselkompetenz in der Inneren Medizin und muss auf individueller, teambezogener und systemischer Ebene gezielt gefördert werden“, betont Kongresspräsident Galle. „Wir brauchen eine Arbeitskultur, die nicht nur Leistung fordert, sondern auch Erholung und psychische Gesundheit systematisch unterstützt.“ Der DGIM Kongress 2025 bietet die Möglichkeit, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zu diskutieren und konkrete Maßnahmen für den klinischen Alltag abzuleiten. Denn nur ein resilientes Gesundheitssystem kann langfristig eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung und die Gesundheit der Behandelnden sicherstellen.
Quelle: Pressekonferenz der DGIM am 3.5.2025 in Wiesbaden
Bildquelle:© joyfotoliakid – stock.adobe.com



