In der hausärztlichen Praxis ist es entscheidend, Gelenkschwellungen gründlich zu untersuchen, um frühzeitig Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis zu erkennen. Eine rechtzeitige Diagnose sowie geeignete Behandlungsstrategien helfen dabei, die Symptome zu lindern und Gelenkschäden zu verhindern. Denn eine schnelle und gezielte Therapie kann die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern.
Stellen wir uns Frau Meier vor: Sie ist 48 Jahre alt und hatte bislang keine wesentlichen Krankheiten. Seit ein paar Wochen sind ihre Hände schmerzhaft geschwollen. Anfangs tat ihr nur die rechte Hand weh – inzwischen sind beide Hände geschwollen und schmerzen. Auch am linken Ellbogen tut es ihr weh, ebenso die Füße beim Gehen.
Bei einem Seminar zum Thema Gelenkschwellung beim hausärztlichen Fortbildungskongress Practica in Bad Orb habe ich mit den Teilnehmenden Antworten auf die Fragen erarbeitet:
- Wie gehen wir in der hausärztlichen Praxis vor?
- Können wir ein Rheuma selber diagnostizieren und ggfs. mit MTX behandeln? – vielerorts sind die Wartezeiten auf einen Termin in der rheumatologischen Praxis unzumutbar lang, wenn es denn überhaupt einen gibt.
Unsere hausärztliche Aufgabe ist es, sorgfältig alle wesentlichen Extremitätengelenke zu untersuchen – auch Handgelenke, Ellbögen, Schulter- und Kniegelenke sowie die Füße. Wir checken, ob eine wesentliche, potenziell zu Gelenkschwellungen führende Erkrankung vorliegt (u.a. Infekte) – und achten darauf, ob die Gelenkschwellungen im Großen und Ganzen symmetrisch auftreten (eine Infekt-Arthritis tritt in der Regel nicht symmetrisch auf; bei einer Psoriasis-Arthritis finden wir häufig den Befall eines ganzen Finger- oder Zehenstrahls – die so genannte Daktylitis. Die – von den Patient*innen nicht selten für Rheuma gehaltene – Heberden-Arthrose betrifft anders als die rheumatoide Arthritis (rA) meist die Finger-Endgelenke). Die früher gültigen ARA-Kriterien für ein Rheuma beinhalteten auch radiologische Veränderungen an den Gelenken. Weil man eben diese Gelenkdestruktion aber durch den frühzeitigen Beginn einer Basis-Therapie verhindern will, wurden die ARA-Kriterien durch die ACR-EULAR-Kriterien abgelöst: Mithilfe dieser Kriterien kann die Diagnose einer rA erstellt werden, wenn 6 Punkte (s. Tab. 1) vergeben wurden und keine andere Diagnose wahrscheinlicher ist. Wenn wir mindestens 10 schmerzhaft geschwollene kleine Gelenke finden und die Beschwerden seit mindestens 6 Wochen bestehen, könnten wir bereits nur nach Anamnese und klinischer Untersuchung die Diagnose einer rA stellen, ohne dass wir irgendeine technische oder Laboruntersuchung durchgeführt hätten.
Ich empfehle, zunächst nur BSG, CRP und Rheumafaktor zu bestimmen. Die Citrullinierten Antikörper (anti-CCP/ACPA) sind mit 11,20 € ziemlich teuer (die Kosten für die Labordiagnostik werden im Vorweg-Abzug aus dem hausärztlichen Honorartopf entnommen – auch wenn man eine 32er Laborausnahmekennziffer setzt!), sodass es reicht, die ACPA dann im Labor nachzumelden, wenn nur damit eine Diagnose gestellt werden kann.
ANA/AMA und ANCA sollten in der hausärztlichen Praxis in der Regel nicht bestimmt werden. Wir Hausärzt*innen können meist nicht die häufig nur grenzwertig erhöhten Werte differenzieren. Hinzu kommt: Sensitivität und Spezifität der ANA bei der Diagnose eines Lupus Erythematodes sind gering – und einen Lupus sehen wir nur sehr selten. Das Röntgen der Hände und die Blutuntersuchung auf Hepatitis, bevor man eine einer Behandlung mit MTX beginnt, sind nicht in jedem Fall erforderlich. Bei älteren Menschen finden sich häufiger arthrotische Veränderungen an den Fingergelenken – dann kann es sinnvoll sein, vorab zur Röntgen-Untersuchung zu schicken. Vergleichbares gilt für die Bestimmung der GPT/ALT, wenn die Person aus einem Hochprävalenz-Land für Virushepatitis kommt oder einer Risikogruppe angehört. Beides ist bei der 48-jährigen Frau Meier wahrscheinlich nicht der Fall.
Gleich nach der Diagnose sollte rasch eine Basistherapie begonnen werden. Wenn es erst in 8 Monaten einen rheumatologischen Termin gibt, können bis dahin schon Gelenkdestruktionen aufgetreten sein. Aktuell bekommt etwa jeder zweiter Patient*in mit Rheuma in Deutschland im ersten Jahr der Erkrankung keine Basistherapie –eine wirkliche Unterversorgung!
- Bitte geben Sie nicht „zum Ausprobieren ein kleines bisschen Cortison“! Die Leitlinie sagt hier ganz klar: „Von der Einleitung einer Corticosteroidtherapie ohne gesicherte Diagnose einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung wird ausdrücklich abgeraten.“
- Geben Sie nicht ex iuvantibus-Behandlung Cortison bei Polyarthrose– wenigstens nicht mit 20 mg Prednisolon wie bei rA. Kurzzeitig 5 mg Prednisolon können dagegen eine Option bei Polyarthrose sein2.
- Beginnen Sie gleichzeitig eine Basistherapie zusammen mit oralem Cortison. Medikament der ersten Wahl ist, sofern nicht kontraindiziert, MTX.
- Streben Sie eine Prednisolon-Behandlung möglichst nicht länger als 3 Monate lang an – Cortison hat zahllose unerwünschte Wirkungen (u.a. Infekt-Neigung und Osteoporose).
- Erklären Sie Ihren Patient*innen: Für die Behandlung einer rA Zeit braucht man einen langen Atem – es ist eine chronische Erkrankung.
- Prednisolon wirkt schnell, MTX erst nach einigen Wochen. Durch die Kombination beider Substanzen kommt es rascher zu einer Remission als durch eine Substanz alleine. Idealerweise baut sich in derselben Zeit, in der wir das Prednisolon Schritt für Schritt auf Null reduzieren, die MTX-Wirkung parallel auf.
Wie setze ich Prednisolon ein?
Unter Behandlung mit Prednisolon sollten die Patient*innen alle 2 Wochen gesehen werden.
Startdosis je nach Krankheits-Aktivität: 20–30 mg.
Bei gutem klinischem Zustand die Dosis alle 2 Wochen um 5 mg reduzieren bis zur Tagesdosis von 15 mg, danach um 2,5 mg bis zu 7,5 mg – dann um 1 mg bis zum vollständigen Beenden der Cortison-Behandlung.
Die S3-Leitlinie Osteoporose empfiehlt die Durchführung einer Knochendichtemessung, wenn mindestens 3 Monate lang mit mindestens 7,5 mg Prednisolon behandelt worden war. Leider gibt es nur wenige Praxen, die DXA-Untersuchungen „auf Kasse“ durchführen. Deshalb müssen wir darauf achten, dass wenigstens ALLE Patient*innen mit mindestens 7,5 mg Prednisolon über 6 Monate die Untersuchung erhalten.
Wie behandeln wir mit MTX?
Viele von uns haben Angst vor MTX. Dabei ist die bei Rheuma gebräuchliche Dosis viel niedriger als in der Onkologie. Medikamente wie Antikoagulanzien oder NSAR führen viel häufiger zu Klinik-Einweisungen.
Absolute Kontraindikationen sind:
- Schwangerschaft (auch Männer sollten 6 Monate nach Ende einer MTX-Behandlung warten, bis sie ein Kind zeugen – Sulfasalazin wäre hier eine Alternative).
- Schwerer Leberschaden.
- Präexistente Stomatitis.
- Chronische Nierenkrankheit (CKD) mit eGFR < 30 ml/min.
- Floride Infekte.
Laborkontrollen sollen anfänglich (5x) alle 2 Wochen durchgeführt werden (unter Prednisolon kommen die Patient*innen ohnehin), danach dann monatlich. Wenn die Laborwerte laufend normal sind, können die Intervalle nach und nach auf Kontrollen alle 8–12 Wochen gestreckt werden.
Schwere unerwünschte Wirkungen sind sehr selten. Ein Anstieg der GPT/ALT bis auf das 3-fache der oberen Normwertgrenze kann toleriert werden. Die Patient*innen sollen regelmäßig nach Mundbrennen (Stomatitis) und Luftnot (Pneumonitis) gefragt werden. Sie sollen gut über ihr Medikament aufgeklärt sein – schlimmstes Missverständnis: die MTX-Tabletten werden versehentlich nicht wöchentlich, sondern täglich eingenommen.
Sehr gute Patient*innen-Informationen findet man auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) unter diesem Link. Für die Praxen gibt es ebenfalls auf der DGRh-Seite Hilfestellungen, außerdem bei der DEGAM in der Handlungsempfehlung zum Medikamentenmonitoring unter diesem Link.
Bitte bestimmen Sie das Differenzialblutbild (nicht nur ein kleines BB), GPT/ALT und Kreatinin.
Wir beginnen je nach Krankheits-Aktivität mit 10–15 mg MTX an einem festen Wochentag – am Tag danach sollen gegen eine Stomatitis 5 mg Folsäure eingenommen werden (verordnungsfähig!). Die teureren MTX-Spritzen haben bei Dosen bis 15 mg keinen Vorteil.
Wegen potenzieller Mark-Toxizität soll Metamizol/Novaminsulfon vermieden werden.
Führen Sie die Behandlung mit MTX durch, bis die rA mindestens ein Jahr lang in voller Remission ist. Nur ein gutes Drittel der Betroffenen erleidet ein Rezidiv, wenn MTX-Basistherapeutika nach 5-jähriger Therapie abgesetzt werden. Man kann nach längerer Dauer einer Remission durchaus versuchen, MTX zu reduzieren und dann sogar ganz abzusetzen.
Es ist nicht sicher, ob die niedrige Rheuma-Dosis des MTX überhaupt zu mehr Infektionen führt. Erforderliche Impfungen mit Tot-Impfstoff können problemlos verabreicht werden, Lebendimpfungen dagegen nicht. Anstehende (Tot-)Impfungen sollten nicht dazu führen, den Beginn einer MTX-Behandlung zu verschieben.
Wie merken wir, ob das Rheuma Ruhe gibt?
Auf der Website DAS28 können wir den Disease Activity Score (DAS) ausfüllen. Wir klicken bei der gezeigten Figur alle schmerzenden und geschwollenen Gelenke der oberen Extremitäten an und geben bei „ESR“ den Wert der aktuellen BSG ein. Für „Patient Global Health“ geben die Patient*innen im Sinn einer visuellen Analogskala an, wie stark sie selbst ihre Krankheits-Aktivität einschätzen.
Ein DAS-Wert <2,6 gilt als Remission, die Skala reicht von 0–10 (je höher, desto größere Krankheits-Aktivität).
Meist reicht es, den Patientinnen die eigenen gekreuzten Hände zu reichen mit der Aufforderung: „Tun Sie mir mal weh“. Der Vorteil: Nicht die Ärztinnen fügen den Patientinnen Schmerzen zu – die Patientinnen können den Vorgang selbst steuern. Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, sollte aber der DAS erhoben und dokumentiert werden.
Für Reha-Anträge oder wenn es um einen Behinderungsgrad geht, sind Fragebögen wie der Health Assessment Questionnaire oder der Funktionsfragebogen Hannover sinnvoll.
Die Schnittstelle zur Rheumatologie
Schon jetzt verordnen Hausärzt*innen fast 40 % der Basistherapeutika allein. Eine rein hausärztliche Therapie ist also möglich.
Es gibt in Deutschland viel zu wenige Rheumatologinnen, als dass sie allein alle Patientinnen mit rA versorgen könnten.
Wenn MTX nicht ausreicht – oder wenn es uns nicht gelingt, das Prednisolon zu reduzieren, sollten wir aber überweisen. Insbesondere mit den Biologika haben wir zu wenig Erfahrung.
Wenn Biologika von rheumatologischer Seite verordnet werden, sollten wir aber deren unerwünschte Wirkungen kennen. Auf der Seite der rheumatologischen Fachgesellschaft gibt es sowohl für Praxen Informationen als auch für Patient*innen hervorragende Informationen über alle Rheuma-Medikamente.
Wenn Sie sich sorgfältig an alle genannten Empfehlungen halten, werden Sie merken: Frau Meier wird mit ihren Händen wieder ein Glas öffnen können. Sie wird Ihnen sehr dankbar dafür sein. Durch die vielen erforderlichen Kontakte wird es zwischen Ihnen beiden eine enge und vertrauensvolle Beziehung geben.
Autor: Dr. med. Günther Egidi
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