Die HIV-PrEP bietet einen effektiven Schutz vor HIV und ist seit 2019 als Kassenleistung verfügbar. Hausärztinnen und Hausärzte sind oft die ersten Ansprechpartner für potenzielle Nutzende und sollten daher Grundkenntnisse zur PrEP besitzen. Eine strukturierte Sexualanamnese unterstützt dabei, den Beratungsbedarf zu erkennen und bei Bedarf an spezialisierte Zentren und Praxen zu überweisen.
Eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) bedeutet auch in Zeiten wirksamer Therapien immer noch eine lebenslange Infektion, die nicht heilbar ist. Durch eine dauerhafte Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten (ART) kann mittlerweile erreicht werden, dass Menschen mit HIV eine Lebenserwartung haben, die sich kaum noch von der in der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Voraussetzung dafür sind allerdings eine rechtzeitige Diagnosestellung und ein früher Therapiebeginn. Ohne Behandlung endet die HIV-Infektion auch heute noch potenziell tödlich.
Zum Schutz vor einer HIV-Infektion kann bei einem hohen Transmissionsrisiko eine medikamentöse Präexpositionsprophylaxe (HIV-PrEP) eingesetzt werden. Eine HIV-PrEP schützt bei zuverlässiger Einnahme sicher vor einer HIV-Infektion. Internationale und nationale Leitlinien empfehlen daher die Präexpositionsprophylaxe für Personen mit einem substanziellen Risiko für eine HIV-Infektion. Alle in Deutschland gesetzlich Versicherten ab dem 16. Lebensjahr, bei denen ein substanzielles Risiko für eine HIV-Infektion besteht, haben seit dem 1. September 2019 einen gesetzlichen Anspruch auf die PrEP. Dieser Anspruch umfasst die ärztliche Beratung, alle notwendigen Laboruntersuchungen sowie die Kostenübernahme für die orale Medikamentenkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil.
Ende 2023 gab es nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts in Deutschland ca. 40.000 PrEP-Nutzende, Tendenz steigend. Die Beratung sowie die Untersuchungen und die Verordnung der PrEP dürfen in HIV-Schwerpunktpraxen bzw. -zentren und durch bestimmte Facharztgruppen (Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Urologie, Haut- und Geschlechtskrankheiten) durchgeführt werden, die dafür eine Genehmigung durch ihre Kassenärztliche Vereinigung erhalten haben. Da die Primärversorgenden häufig die ersten Ansprechpartner für potenzielle PrEP-Nutzende sind, sollten diese Grundkenntnisse zur HIV-PrEP besitzen, um entsprechend beraten zu können.
Wer sollte im hausärztlichen Setting zur HIV-PrEP beraten werden?
Neben den Personen, die eigeninitiativ nach dieser Form der HIV-Prophylaxe fragen, sollten alle beraten werden,
- die angeben, dass sie kondomlosen insertiven oder rezeptiven analen oder vaginalen Sex außerhalb einer monogamen Beziehung hatten oder haben werden,
- bei denen bereits eine sexuell übertragbare Infektion diagnostiziert wurde,
- die Sex unter Gebrauch legaler oder illegaler bewusstseinsverändernder Substanzen („Chemsex“, Alkohol) praktizieren,
- die mit einer Partnerin oder einem Partner mit virämischer HIV-Infektion leben, zum Beispiel bei nicht suppressiver ART, in der Anfangsphase einer ART oder im Fall, dass gar keine ART eingenommen wird,
- die Drogen intravenös gebrauchen und dabei keine sterilen Injektionsmaterialien verwenden,
- die als Sexarbeitende tätig sind,
- die bereits einmal eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) benötigt haben.
Die Sexualanamnese
Um einen Beratungsbedarf abschätzen zu können, ist es wichtig, eine Sexualanamnese durchzuführen. Bei der Erhebung können uns die drei sogenannten P-Fragen eine Hilfestellung geben, um besser einschätzen zu können, ob eine HIV-PrEP infrage kommt (siehe Infokasten). Dabei sollte vorab erläutert werden, warum diese Fragen gestellt werden.
Beispielformulierungen:
- „Um Ihr Risiko für eine sexuell übertragbare Infektion besser abschätzen zu können, habe ich ein paar Fragen an Sie.“
- „Um abschätzen zu können, ob die HIV-PrEP eine sinnvolle Prophylaxe für Sie sein könnte, habe ich folgende Frage an Sie …“
Anhand der gegebenen Antworten kann partizipativ entschieden werden, ob eine Überweisung an ein Zentrum, das eine ausführliche Beratung und ggf. auch die Verordnung der HIV-PrEP durchführt, sinnvoll ist.
Im Vorfeld sollten die potenziellen PrEP-Nutzenden darüber informiert werden,
- zu dieser Beratung ihren Impfpass mitzubringen, da im Rahmen der Erstberatung auch geklärt wird, ob ein ausreichender Impfschutz gegen Hepatitis B und – je nach Sexualpraktiken – auch Hepatitis A vorhanden ist,
- ggf. ihren Medikationsplan vorzulegen, der alle Medikamente auflistet, die regelmäßig oder gelegentlich eingenommen werden. Dies ist wichtig, da die HIV-PrEP mit dem oralen Kombinationspräparat Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (TDF/FTC) als kontinuierliche einmal tägliche Einnahme erfolgen sollte. Bei diesem Präparat ist auf Interaktionen zu achten, die eine Auswirkung auf die Nierenfunktion haben könnten,
- bei allen Medikamenten, die ihnen verordnet werden, respektive die sie als OTC-Präparate selbst kaufen, darauf aufmerksam zu machen, dass sie die HIV-PrEP einnehmen,
- dass unter PrEP-Einnahme ein regelmäßiges Monitoring auf HIV und andere sexuell übertragbare Erkrankungen notwendig ist.
Ziel: Flächendeckendes Angebot
Es ist sinnvoll, im Rahmen der Versorgung potenzieller PrEP-Nutzender, das lokale/regionale Netzwerk der PrEP-Verordnenden zu kennen oder selbst zu überlegen, diese Prophylaxe in der eigenen Praxis anzubieten und so bei insgesamt noch steigendem PrEP-Bedarf zu einem verbesserten flächendeckenden Angebot beizutragen.
Die Hürden, diese Genehmigung von der Kassenärztlichen Vereinigung zu erhalten, wurden im Jahre 2024 gesenkt. Die notwendigen Voraussetzungen sind im Bundesmantelvertrag (BMV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in der Anlage 33 beschrieben.
Die Deutsche AIDS-Hilfe entwickelt zurzeit ein Online-Fortbildungsmodul zur HIV-PrEP, das durch die Landesärztekammern zertifiziert werden soll. Sobald dieses Modul verfügbar ist, werden wir an dieser Stelle darauf aufmerksam machen.
Autoren: Dr. med. Annette Haberl; Prof. Dr. med. Burkard Schappert; Prof. Dr. med. Armin Wunder
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