Mehr als nur zitternde Hände: Die visuelle Dimension der Parkinson-Krankheit
Sehstörungen zählen zu den häufigen, jedoch oft übersehenen nicht-motorischen Symptomen der Parkinson-Krankheit. Studien zeigen, dass etwa 82% der Betroffenen unter visuellen Problemen leiden, die den Alltag erheblich beeinträchtigen können. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Formen von Sehstörungen bei Parkinson, ihre Ursachen und aktuelle Behandlungsansätze.
Hinter dem Schleier: Warum Parkinson-Patienten anders sehen
Die Parkinson-Krankheit wird primär mit motorischen Symptomen assoziiert, doch visuelle Beeinträchtigungen können die Lebensqualität der Patienten ebenso stark beeinflussen. Sehstörungen verstärken die ohnehin vorhandene Gangunsicherheit und erhöhen das Sturzrisiko. Dennoch werden sie in der klinischen Praxis häufig nicht ausreichend beachtet.
Das dreifache Dilemma: Die Wurzeln der visuellen Beeinträchtigungen
Die Sehstörungen bei Parkinson-Patienten haben mehrere Ursachen. Der charakteristische Dopaminmangel betrifft nicht nur motorische Bahnen, sondern auch die Netzhaut und visuelle Verarbeitungszentren im Gehirn. Dopamin spielt eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung zwischen Photorezeptoren und Ganglienzellen. Ein Mangel führt zu verminderter Kontrastempfindlichkeit und Farbwahrnehmung.
Zudem leiden Parkinson-Patienten häufig unter altersbedingten Augenerkrankungen wie Katarakt, Glaukom und Makuladegeneration. Interessanterweise gibt es Hinweise, dass Levodopa möglicherweise vor altersbedingter Makuladegeneration schützen könnte.
Nicht zuletzt können auch Parkinson-Medikamente selbst Sehstörungen verursachen. Anticholinergika können zu verschwommenem Sehen führen, während dopaminerge Medikamente visuelle Halluzinationen auslösen können.
Wenn die Augen nicht mehr mitspielen: Das visuelle Symptomspektrum
Eine der häufigsten Manifestationen ist die verminderte Lidschlagfrequenz. Während ein gesunder Mensch 5-10 Mal pro Minute blinzelt, kann die Rate bei Parkinson-Patienten auf 1-2 Mal reduziert sein. Dies führt zu trockenen Augen mit Symptomen wie Brennen, Jucken und dem Gefühl von „Sand in den Augen“.
Kontrastsehstörungen äußern sich im zeitweisen Verblassen von Buchstaben beim Lesen. Etwa 18-50% der Patienten haben zudem Probleme mit der Farbwahrnehmung, besonders im blau-grünen Bereich.
Doppelbilder treten bei 10-30% der Patienten auf und resultieren aus Störungen der Augenmuskeln und ihrer Koordination. Auch können Schwierigkeiten bei der räumlichen Wahrnehmung auftreten, was die Gangunsicherheit verstärkt.
Etwa ein Drittel der Patienten erlebt visuelle Halluzinationen, die häufig im peripheren Sichtfeld auftreten und durch ein Ungleichgewicht zwischen externen visuellen Informationen und interner Stimulation im Gehirn verursacht werden können.
Den Schleier lüften: Maßgeschneiderte Therapieansätze
Die Behandlung von Sehstörungen bei Parkinson erfordert einen multidisziplinären Ansatz. Bei trockenen Augen helfen konservierungsmittelfreie künstliche Tränen. Bei hartnäckigen Fällen können die Tränenpünktchen mit kleinen Stöpseln verschlossen werden.
Für Patienten mit Doppelbildern können Prismengläser angepasst werden. Spezielle Lesebrillen anstelle von Gleitsichtbrillen bieten besseren Lesekomfort, da sie keine präzise Kopfhaltung erfordern.
Die Optimierung der Beleuchtung ist entscheidend. Kaltlichtlampen sorgen für kontrastreiche Beleuchtung und erleichtern das Lesen. Bei Lichtempfindlichkeit helfen getönte Brillengläser.
Bei Lidkrampf und Lidheber-Apraxie können Botulinumtoxin-Injektionen eingesetzt werden. Visuelle Halluzinationen erfordern oft eine Anpassung der Parkinson-Medikation oder den Einsatz von Antipsychotika.
Mit neuen Augen sehen: Perspektiven und Hoffnungsschimmer
Sehstörungen bei Parkinson-Patienten sind häufig, vielfältig und beeinträchtigen den Alltag erheblich. Eine frühzeitige Erkennung und interdisziplinäre Behandlung kann die Lebensqualität deutlich verbessern. Regelmäßige augenärztliche Kontrollen sollten daher fester Bestandteil des Behandlungsplans sein, auch wenn keine akuten Sehprobleme vorliegen.
Zukünftige Forschung wird sich verstärkt mit dem Zusammenhang zwischen Dopaminmangel und visueller Verarbeitung sowie mit neuen Therapieansätzen befassen, die gezielt auf die Verbesserung der Sehfunktion bei Parkinson-Patienten abzielen.
Quellenverzeichnis
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