Dr. Nicole Erickson ist Ernährungswissenschaftlerin/Diätassistentin und ausgewiesene Expertin für onkologische Ernährungsmedizin. Am CCC München (Comprehensive Cancer Center) ist sie als Koordinatorin Gesundheitskompetenz tätig. Im Interview mit onkologie heute erläutert Nicole Erickson, warum eine ernährungsmedizinische Begleitung für Krebspatienten enorm wichtig ist.
Experten fordern schon lange, dass eine ernährungsmedizinische Begleitung integraler Bestandteil der onkologischen Routineversorgung sein müsste. Wie ist der aktuelle Stand?
Erickson: Obwohl die Bedeutung der Ernährungsmedizin in der Onkologie mehr in den Fokus rückt, ist die Versorgungsrealität nach wie vor weit davon entfernt, dem Bedarf gerecht zu werden. Eine 2020 publizierte Studie in onkologischen Schwerpunktpraxen hat bei rund 30 % der Patienten eine Mangelernährung nachgewiesen. Bei gastrointestinalen Tumoren waren es sogar 50 %. Die ambulante Ernährungsberatung wird nicht als Heilmittel gemäß §92 SGB V anerkannt. Im stationären Bereich ist die Ernährungsberatung zwar in das DRG-System eingebunden, jedoch reicht die Vergütung nicht aus, um Ernährungsteams vollständig zu finanzieren. Deshalb sind Ernährungsteams und ernährungstherapeutische Leistung ein Luxus-Angebot und gehört nicht zur Regelleistung.
2023 ist eine internationale Deklaration von Ernährungsmedizinern erschienen, die darauf abhebt, dass adäquate Ernährung ein Menschenrecht ist…
Erickson: Ja, das ist ein wichtiges internationales Konsensuspapier. Mit dieser Deklaration soll klar gemacht werden, dass es einer Menschenrechtsverletzung gleichkommt, wenn man kranken und alten Menschen eine adäquate Ernährung bzw. die Beratung über eine adäquate Ernährung vorenthält. Damit beschneidet man ihre Lebensqualität und auch ihre Lebenserwartung.



