Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Erkrankung in Reaktion auf ein besonders bedrohliches oder schreckliches Erlebnis. Sie geht mit Intrusionen wie Flashbacks und Albträumen, depressiven Symptomen sowie Verhaltensveränderungen einher, und auch noch Jahrzehnte nach dem auslösenden Ereignis können biologische Auffälligkeiten nachgewiesen werden [1]. Traumata können aber auch indirekt entstehen, wenn eine Person zwar nicht direkt betroffen, aber Zeuge eines solchen Erlebnisses wird – etwa als Ersthelferin oder als beobachtender Passant eines Verkehrsunfalls. Diese indirekten „Bystander“-Traumata machen etwa 10% der PTBS-Fälle aus, sind aber bisher noch weitestgehend unerforscht.
„Derzeit werden Patienten mit direkt erworbener PTBS und Bystander-PTBS auf die gleiche Weise behandelt – mit einer Kombination aus Therapie und Medikamenten“, erklärt Timothy Jarome, außerordentlicher Professor für Neurobiologie am Virginia Tech College of Agriculture and Life Sciences [2]. Die zuletzt in PLOS ONE veröffentlichte Studie aus seinem Labor konnte erstmalig molekulare Unterschiede zwischen direkt erworbener PTBS und Bystander-PTBS nachweisen [3] – ein erster Hinweis darauf, dass die beiden Störungsvarianten möglicherweise unterschiedliche Behandlungsstrategien erfordern könnten.
Jaromes Forschung konzentriert sich auf das Verständnis der neurobiologischen Mechanismen hinter gedächtnisbezogenen Störungen, einschließlich PTBS, Demenz und Alzheimer. Sein Interesse an Bystander-PTBS wurde geweckt, nachdem er von PTBS-Symptomen bei Menschen erfuhr, die den tödlichen Einsturz eines Wohnhauses in Miami im Jahr 2021 miterlebt hatten.
„Menschen, die das Ereignis von der anderen Straßenseite aus beobachteten, berichteten, dass sie unter Albträumen, Schlaflosigkeit und Angst litten“, sagt er. „Sie zeigten Symptome einer PTBS, obwohl sie das Ereignis nicht selbst durchlebt hatten oder keine Verbindung zu den Menschen im Gebäude hatten. Wir wollten die Gehirnmechanismen verstehen, die dies verursachen.“
Das Team unter der Leitung der Stanford University Postdoktorandin Shaghayegh Navabpour forschte jetzt zum Furchtgedächtnis bei Ratten – und fand Bystander-Trauma-spezifische Proteinveränderungen in der Amygdala, dem anterioren cingulären Cortex und dem retrosplenialen Cortex. Darüber hinaus konnten geschlechtsspezifische Unterschiede in der Verarbeitung der indirekten Furcht-Erinnerungen festgestellt werden, unter anderem eine höhere Anzahl veränderter Proteine im Gehirn der weiblichen Ratten. „Diese Unterschiede könnten erklären, warum Frauen doppelt so häufig wie Männer an PTBS erkranken, und sie könnten zu gezielteren Behandlungen führen, die diese geschlechtsspezifischen Faktoren berücksichtigen“, betont Navabpour.
Die Forschung wurde durch einen Zuschuss in Höhe von 420.000 US-Dollar vom National Institute of Mental Health, das Teil der National Institutes of Health ist, finanziert. Als zukünftige Forschungsthemen sieht das Team die Rolle der Empathie bei der Entwicklung einer Bystander-PTBS vor. Ein besseres Verständnis der Störung sei vonnöten, um eine präzisere und individuelle Versorgung der Betroffenen sicherzustellen.
Julina Pletziger
Quellen:
1. Tucker P, Zettl R, Pfefferbaum B et al. The Body Remembers: Trauma Leaves Lasting Biological Imprints. Prehospital and Disaster Medicine 2025; 40(4): 123-130
2. Ashburn, M. Bystander PTSD Alters Brain Differently Than Direct Trauma. Neuroscience News 2025
3. Navabpour S, Patrick MB, Omar NA et al. Indirectly acquired fear memories have distinct, sex-specific molecular signatures from directly acquired fear memories. PLOS ONE 2024; 19(12): e0315564
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