Der Einfluss spezieller Ernährungsformen auf die neurologische Gesundheit und einzelne Krankheitsbilder ist ein Forschungsgebiet steigender Popularität. Die Regulation von Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck sind Beispiele für indirekte positive Effekte einer gezielten Ernährungsweise, doch die Auswahl unserer Lebensmittel kann auch über die Darmgesundheit direkten Einfluss nehmen. Entsprechend waren verschiedene Ernährungsformen und ihre Effekte auf die neurologische Gesund- und Krankheit auch Thema dreier Vorträge bei der diesjährigen Jahrestagung der Amerikanischen Akademie für Neurologie (AAN).
„Ich habe viele Patientinnen und Patienten, die auf mich zukommen und mich fragen, ob sie die Behandlung durch ihre Ernährung selbstständig unterstützen können“, erzählte Dr. Ilana B. Katz Sand, Associate Professorin am Mount Sinai Hospital in New York. Die Ernährung sei ein spannendes Thema, weil sie für Betroffene verschiedener neurologischer Krankheitsbilder einen Ansatz darstelle, bei dem sie selbst proaktiv sein können. „Es gibt immer mehr Evidenz, der den Einfluss spezifischer Ernährungsfaktoren auf beispielsweise die Outcomes einer Multiplen Sklerose (MS) belegt, auch wenn die Zusammenhänge teilweise noch nicht ganz klar sind.“
Die Forschung untersucht dabei einzelne Lebensmittelgruppen. Besonders gute Evidenzen gebe es bereits für einen häufigen Verzehr von frischem Obst und Gemüse. In einer Studie von Azary et al. [1] reduzierte eine Erhöhung des Obst- und Gemüseverzehrs beispielsweise das Risiko für einen MS Relapse um bis zu 50 %, weshalb das Prinzip plant forward empfohlen wird, um die neurologische Gesundheit zu unterstützen.
„Plant forward führt manchmal zu Missverständnissen, denn es bedeutet nicht unbedingt, sich rein vegan zu ernähren“, betonte die Senior Vizepräsidentin für medizinische Kommunikation der Michael J. Fox Foundation, Dr. Rachel Dolhun. „Eine pflanzliche Ernährung kann der neurologischen Gesundheit je nach Umsetzung schaden oder guttun [2]. Wenn sie ausgewogen ist, bietet sie allerdings viele Vorteile.“ „Neuere Studien zeigen beispielsweise, dass eine gesunde pflanzliche Ernährung das Schlaganfallrisiko um 10 % senken kann“, ergänzt Dr. Karima Benameur, Neurologin an der Emory University of Atlanta.
Bei anderen Nahrungsmitteln sei die Forschungslage bisher weniger eindeutig. So gibt es zum Beispiel erste Hinweise darauf, dass der Konsum von Vollkornprodukten im Vergleich zu raffiniertem Getreide mit einem niedrigeren Grad an MS-Behinderungen in Verbindung stehen könnte, wohingegen der Verzehr von Milchprodukten und salzigen Lebensmitteln Entzündungsprozesse verstärkt, die die Zerstörung der Myelinscheiden antreiben können. Gesichert seien diese Zusammenhänge aber noch nicht. „Wenn meine Patientinnen und Patienten eine Intoleranz mitbringen, dann rate ich ihnen vom Verzehr dieser Lebensmittel ab, aber um eine allgemeine Empfehlung auszusprechen, fehlt bisher die Evidenz“, so Dr. Katz Sand.
Mediterrane Ernährung bei MS-, Parkinson- und Schlaganfallpatienten empfohlen
Besonders gut schneidet in Metaanalysen die MIND-Ernährung, eine Variante des mediterranen Essens, ab. Sie zeichnet sich durch den Verzehr von viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, gesunden Fetten wie Olivenöl und wenig Fleisch aus. Durch ihren hohen Anteil an Ballaststoffen fördert MIND die Produktion kurzkettiger Fettsäuren, die für die Entzündungshemmung, die Stärkung der Blut-Hirn-Schranke, die Regulation der Immunzellen-Aktivität und der Neuroprotektion wichtig sind.
Eine Metaanalyse von Bisaglia et al. [3], die Dr. Dolhun in ihrem Vortrag über Ernährung und Parkinson vorstellte, fand zum Beispiel Evidenzen für ein geringeres Erkrankungsrisiko, eine verlangsamte Krankheitsprogression und eine Verbesserung verschiedener Symptome bei der Parkinson-Krankheit sowie eine verbesserte kognitive und motorische Funktion. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schlaganfällen sei eine mediterrane Ernährung seit langer Zeit die Standardempfehlung. In einer Studie von Estruch et al. [4] hatten Menschen, die die mediterrane Diät strikt einhielten, ein 30 % geringeres Schlaganfallrisiko.
„Was besonders für diese Ernährungsweise spricht, ist, dass sie eigentlich für jeden umsetzbar ist“, sagt Dr. Katz Sand. „Andere Diäten, für die es gute Belege gibt, beispielsweise die ketogene Ernährungsweise und die Kalorienrestriktion, sind langfristig schwierig in den Alltag zu integrieren. Aber die mediterrane Ernährungsweise ist gut umsetzbar – und budget-friendly.“
Individuelle Beratung für Betroffene
Je nach Krankheitsbild könnten zusätzliche Empfehlungen gegeben werden. Ein Problem vieler Parkinsonpatientinnen und -patienten kann zum Beispiel eine krankheitsbedingte Gewichtsabnahme sein. In solchen Fällen empfiehlt Dr. Dolhun, mehr zu snacken und dabei auf eine höhere Zufuhr gesunder Fette zu achten. Betroffene orthostatischer Hypotonie sollten hingegen besonders viel Wasser trinken und etwas mehr Salz zu sich nehmen.
„Die Forschung zeigt klar, dass Ernährung auch eine Schlüsselrolle bei der Prävention und dem Fortschreiten von kognitiven Erkrankungen spielt“, schließt Dr. Benameur ihren Vortrag. Neurologinnen und Neurologen sollten sich dieser Zusammenhänge bewusst sein, um ihre Patientinnen und Patienten optimal beraten zu können.
Julina Pletziger
Quelle: American Academy of Neurology 2025 Annual Meeting
Zitierte Studien
1. Azary S et al. Contribution of dietary intake to relapse rate in early paediatric multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2017; 89(1): 28–332.
2. Tresserra-Rimbau A et al. Plant-based dietary patterns and Parkinson’s disease: A prospective analysis of the UK Biobank. Mov Disord 2023; 38(11): 1994–2004
3. Bisaglia M. Mediterranean diet and Parkinson’s disease. Int J Mol Sci 2023; 24(1): 42
4. Estruch R et al. Primary prevention of cardiovascular disease with a Mediterranean diet supplemented with extra-virgin olive oil or nuts. N Engl J Med 2018; 378: e3
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