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ADH-Mangel bei Kindern und Jugendlichen: S1-Leitlinie aktualisiert

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ADH-Mangel bei Kindern und Jugendlichen: S1-Leitlinie aktualisiert

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mgo medizin Redaktion

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Erschienen in: pädiatrische praxis

Der ADH-Mangel ist eine schwerwiegende Erkrankung, die sich durch Polyurie mit nächtlichem Wasserlassen und Polydipsie äußert. Die 2011 veröffentlichte S1-Leitlinie zum ADH-Mangel (ehemals Diabetes insipidus centralis) im Kindes- und Jugendalter wurde nun im September 2024 erstmals aktualisiert. In der neuen Version wird die basale und stimulierte Anwendung des Laborparameters »Copeptin« zum Nachweis des ADH-Mangels hervorgehoben.

Der Diabetes insipidus centralis wird nach der neuen Nomenklatur als ADH(Antidiuretisches Hormon)-Mangel, der Diabetes insipidus renalis als ADH-Resistenz bezeichnet. Der ADH-Mangel ist eine durch Flüssigkeitsvolumen- und Elektrolytverschiebungen potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Die Prävalenz beträgt 1–9 : 100.000. Vorherrschend ist eine Polyurie mit nächtlichem Wasserlassen (Nykturie) und eine ausgeprägte Polydipsie, eine sekundäre Enuresis kann hinweisend sein. Hinsichtlich der Ursache kommen zahlreiche Differenzialdiagnosen in Betracht. »Der ADH-Mangel wird verursacht durch eine verminderte oder fehlende Produktion, durch Unterbrechung des axonalen Transports oder durch unzureichende Speicherung und Sekretion von ADH durch Pathologien des Hypothalamus, des Hypophysenstiels oder des Hypophysenhinterlappens.« heißt es in der Leitlinie. Hinsichtlich der Ursache kommen zahlreiche Differenzialdiagnosen in Betracht.

Lt. der aktualisierten, unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische und adoleszente Endokrinologie und Diabetologie e.V. (DGPAED) erstellten S1-Leitlinie muss im Rahmen der Abklärung die Diagnose ADH-Mangel vom primären Polydipsie-Polyurie-Syndrom abgegrenzt werden. Bei nachgewiesenem ADH-Mangel sind der Ausschluss bzw. Nachweis von Pathologien wie z. B. Hirntumor oder Hypophysenstielverdickung obligat.

Die neue Version der Leitlinie wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), der Gesellschaft für pädiatrische Radiologie (GPR) und dem Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V. grundlegend überarbeitet. Hierzu trug eine systematische Literaturrecherche im Portal PubMed (National Library of Medicine, Bethesda, MD, USA) mit den Stichworten »central diabetes insipidus AND children« unter Berücksichtigung der Publikationsjahre 2003 bis 2023 bei. Außerdem wurden nach Ermessen der Expertengruppe weitere Literaturangaben vorgelegt.

Die aktuelle Fassung thematisiert ausschließlich den ADH-Mangel, nicht die ADH-Resistenz, auch wird der sich auf die Neurohypophyse beziehende Oxytocin-Mangel nicht erörtert. Die Leitlinie soll Kinderärztinnen und -ärzten, sowie ärztlichem Personal der Kinderendokrinologie und -onkologie als diagnostische und therapeutische Hilfe dienen. »Ziel der Leitlinie ist es, einen sicheren und zuverlässigen diagnostischen Pfad für den »ADH-Mangel« aufzuzeigen. Außerdem beinhaltet die Leitlinie Empfehlungen zur Therapie und Therapieüberwachung«.

Diagnostik und Therapie – aktualisierte Empfehlungen

Die neue Fassung der Leitlinie umfasst diagnostische Schritte, die allgemeine und die spezielle Diagnostik, präsentiert Diagnostik-Algorithmen bei Polyurie und Polydipsie sowie bei Hypophysenstielverdickung.

Eine relevante Erwähnung zur Diagnostik findet sich hinsichtlich des Durstversuchs und der hypertonen Kochsalzinfusion bei Kindern und Jugendlichen – nach Bewertung der aktuellen Datenlage sind diese nicht mehr indiziert. Die Autorinnen und Autoren führen Nachteile des Durstversuchs an, u. a. die geringe Sensitivität und Spezifität und erhöhte Morbidität und potenzielle Mortalität.

Ein Fokus liegt auf der basalen und stimulierten Anwendung des Laborparameters »Copeptin« zum Nachweis des ADH-Mangels, hier zeigen rezente Forschungsdaten Vorteile. Hinsichtlich der Arginin-stimulierten Copeptin-Messung raten die Autorinnen und Autoren: »Zusammenfassend lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt kein eindeutiger Cut-off für Arginin-stimuliertes Copeptin im Kindesalter festlegen. Daher sollte in einem Graubereich von 3,0–3,8 pmol/l und weiterhin bestehendem Verdacht auf einen ADH-Mangel großzügig weitere Ausschlussdiagnostik hinsichtlich eines ADH-Mangels mittels cMRT erfolgen.«

Relevante Empfehlungen gibt es auch hinsichtlich der bildgebenden Diagnostik. So gilt die Magnetresonanztomografie des Schädels als der Goldstandard. Die Autorinnen und Autoren betonen, dass die Symptomatik des ADH-Mangels der bildgebenden Diagnose Jahre vorausgehen kann. Bei Diagnose der Erkrankung und ungeklärter Ätiologie sollten MRT-Verlaufskontrollen in Abhängigkeit der Befunddynamik in den ersten 2 Jahren in 3(–6)-monatlichen Abständen, danach alle 6–12 Monate erfolgen.

Lt. der Leitlinie sollte für die Therapie mit synthetischem ADH (1-Deamino-8-D-Arginin-Vasopressin, DDAVP, Desmopressin) die orale Darreichungsform bevorzugt werden. Im vorliegenden Update wird ausführlich auf Darreichungsformen, Rahmenbedingungen, Dosis und Risiken sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen eingegangen.

Informationen zur Leitlinie:

AWMF-Registernummer 174–020

Klasse: S1

Version: 2.0

Stand: 30.09.2024

Gültig bis: 30.07.2029

Federführende Fachgesellschaften:

Deutsche Gesellschaft für pädiatrische und adoleszente Endokrinologie und Diabetologie e.V. (DGPAED)

Beteiligung weiterer AWMF-Fachgesellschaften:

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)

Gesellschaft für pädiatrische Radiologie (GPR)

Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V.

Quellen:

S1-Leitlinie Anti-Diuretisches Hormon (ADH)-Mangel bei Kindern und Jugendlichen. Version 1.0, 30.09.2024. AWMF-Registernummer 174-020.

Die Leitlinie sowie weitere Informationen finden sie hier

Bilderquelle: © ayelet_keshet – stock.adobe.com; Symbolbild

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