Die Ergebnisse einer aktuellen Studie liefern neue Erkenntnisse über Ursachen, Auslöser und Krankheitsmechanismus des nephrotischen Syndroms bei Kindern. Ein Forschungsteam fand heraus, dass es sich in den meisten Fällen um eine Autoimmunerkrankung handelt.
Bisher war die Ursache des »idiopathischen nephrotischen Syndroms« nicht hinreichend geklärt. Das idiopathische nephrotische Syndrom gilt als häufigste Ursache für einen großen Eiweißverlust über die Nieren im Kindesalter. Forschenden ist es laut einer aktuell im »New England Journal of Medicine« publizierten Studie nun gelungen, Ursachen, Auslöser und Krankheitsmechanismus dieses Syndroms aufzudecken. Das Forschungsteam bestand aus Nierenforschenden der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie einem interdisziplinären Team des UKE und internationalen Kooperationspartnern.
»Das nephrotische Syndrom ist eine wichtige Nierenerkrankung mit großem Eiweißverlust. Wir haben mit unserer Studie nachgewiesen, dass es sich in den weitaus meisten Fällen bei Kindern und bei einem erheblichen Teil bei Erwachsenen um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der vom Immunsystem Antikörper gegen die Filterstrukturen der Nierenzellen gebildet werden.«
Prof. Dr. Tobias Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
Neue Bezeichnung: Anti-Nephrin-Autoantikörper-Erkrankung
Der nun entdeckte Anti-Nephrin-Autoantikörper bindet direkt an die Filterkapillaren der Niere. Damit verliert der Nierenfilter an Dichtheit, dies führt zu einem übermäßigen Eiweißverlust in den Urin (Proteinurie). Typische Folgen für Betroffene sind Ödeme, erhöhtes Thromboserisiko und höhere Infektanfälligkeit, längerfristig kann je nach Verlauf auch ein Verlust der Nierenfunktion drohen. Die nun entschlüsselte Erkrankung soll künftig als Anti-Nephrin-Autoantikörper-Erkrankung bezeichnet werden.
Neues Testverfahren entwickelt
Die Studie zeigte, dass bei 90 % der Kinder mit nephrotischem Syndrom Autoantikörper gegen Nephrin nachgewiesen werden, ebenso bei 69 % der Erwachsenen mit der ähnlichen »Minimal Change Erkrankung«. Basis der Untersuchung waren Daten von Patientinnen und Patienten aus Universitätskliniken in Deutschland, Italien und Frankreich. Die Studie ergab außerdem, dass die Anzahl der Autoantikörper der untersuchten Patientinnen und Patienten vergleichsweise niedrig war. Im Laufe der Studie wurde daher im UKE ein neues Testverfahren für niedrig-titrige Autoantikörper entwickelt.
»Die Identifizierung von Anti-Nephrin-Autoantikörpern als zuverlässiger Biomarker erweitert unsere diagnostischen Möglichkeiten und eröffnet neue Wege für die genaue Überwachung des Krankheitsverlaufs bei Nierenerkrankungen mit nephrotischem Syndrom.«
Priv.-Doz. Dr. Nicola M. Tomas, Oberarzt der III. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
»Die Ergebnisse unserer Untersuchungen haben maßgebliche Einblicke in die zugrundeliegenden Mechanismen des nephrotischen Syndroms gegeben und legen damit den Grundstein für eine personalisierte Therapie und Präzisionsmedizin bei diesem komplexen Krankheitsbild«, so Prof. Huber von der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE.
Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (zur Pressemitteilung)
Originalpublikation:
Hengel FE, Dehde S, Lassé M, Zahner G, Seifert L, Schnarre A, et al.; Tomas NM, Huber TB, for the International Society of Glomerular Disease. Autoantibodies Targeting Nephrin in Podocytopathies. N Engl J Med 2024 May 25. DOI: 10.1056/NEJMoa2314471.
Link zur Originalpublikation: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2314471



