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ESMO 2023: Wechselwirkungen von ­Immuntherapeutika im Fokus

ESMO 2023: Wechselwirkungen von ­Immuntherapeutika im Fokus

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Erschienen in: ärztliches journal onkologie

Beim Jahreskongress der europäischen Krebsgesellschaft ESMO im Oktober in Madrid wurden interessante neue Aspekte zur onkologischen Supportivtherapie diskutiert. Im Fokus standen unter anderem die Wechselwirkungen von Immunonkologika mit Basistherapeutika.

Patient:innen mit Krebserkrankun­gen sind häufig älter und nehmen zusätzlich zur onkologischen Therapie Basismedikamente gegen andere Erkrankungen ein. Bereits beim ASCO 2023 wurde der Einfluss von Parace­tamol auf die Wirksamkeit der Immunonkologie diskutiert.1. Patient:innen mit nachweisbaren Paracetamolspiegeln oder Spiegeln des Metaboliten ­Paracetamolglucuronid zu Beginn der Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) waren assoziiert mit einem signifikant schlechteren klinischen Outcome. Sie wiesen ein signifikant schlechteres Gesamtüberleben (HR=0,67) auf als Patienten ohne nachweisbare Acetaminophen (APAP)-Spiegel. Nun stellten Eng et al. beim ESMO eine retrospektive Analyse zum Einfluss von Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) auf des Überleben von Patient:innen mit verschiedenen Krebserkrankungen und ICI-Therapie vor.2

Vorsicht bei ICI und PPI
PPI wurden schon früher aufgrund von Veränderungen im Darmmikrobiom mit potenziell negativen Auswirkungen auf die Therapieergebnisse mit ICIs in Verbindung gebracht. Bei vielen Studien handelte es sich jedoch um kleinere Untersuchungen mit Heterogenität im Studiendesign, in den Expositionsfenstern und in den Populationen. Eine beim ­ESMO gezeigte retrospektive Kohortenstudie bewertete die Auswirkungen einer PPI-Exposition vor Einleitung einer immunonkologischen Therapie auf das Gesamtüberleben.2
2.737 Krebspatienten ≥65 Jahre, die von 06/2012 bis 10/2018 in Ontario, Kanada, ICI erhielten, wurden identifiziert und ausgewertet. 43 % bekamen Nivolumab, 41 % Pembrolizumab und 13 % Ipilimumab; 53 % hatten Lungenkrebs, 34 % ein Melanom. Die mittlere PPI-Exposition bei Patienten, die PPI innerhalb eines Jahres (45 %) und 60 Tage (26 %) vor der ICI erhielten, betrug 31 Wochen (SD=19) bzw. 10 Wochen (SD=4); Der am häufigsten über ein Jahr verschriebene PPI war Pantoprazol (30 %). Die mittlere OS-Schätzung betrug 306 Tage. Jede PPI-Exposition innerhalb eines Jahres (p<0,001) oder 60 Tage vor der ICI (p<0,001) war mit einem signifikant schlechteren Gesamtüberleben verbunden. Ein Dosiseffekt wurde basierend auf der wochenlangen PPI-Exposition 1 Jahr (p=0,05) und 60 Tage (p=0,009) vor der ICI beobachtet. Die PPI-Arzneimittelanalyse ergab nur, dass eine Pantoprazol-Exposition innerhalb eines Jahres (p<0,001) und 60 Tage vor der ICI (p<0,001) mit einem schlechteren OS assoziiert war. Die Subgruppenanalyse zeigte ähnliche Ergebnisse für Melanome und Patienten, die Pembrolizumab oder Ipilimumab erhielten, sowie für Pantoprazol in Verbindung mit Lungenkrebs.
Die Exposition gegenüber PPI vor der ICI-Therapie ist mit einem schlechteren Gesamtüberleben verbunden. Dies stimmt laut Supportiv-Expertin Prof. Karin Jordan, Halle, die die Sitzung leitete, bedenklich. Denn in Deutschland erhält fast jeder Mensch über 70 einen PPI und die meisten Krebserkrankten, die möglicherweise mit ICI behandelt werden, sind in höherem Lebensalter. Insgesamt sollte das Verordnungsverhalten von PPI als „ Magenschutz“ kritisch hinterfragt werden. Die Studienautoren diskutieren, ob Interventionen zur Veränderung des Darmmikrobioms die Ergebnisse von Patienten mit ICIs und vorheriger PPI-Exposition verbessern könnten.

Gleichzeitige Exposition mit PPI und Antibiotika problematisch
Dieselbe Arbeitsgruppe stellte auch Daten zur Präexposition vor ICI-Therapie mit Antibiotika (ATB) und PPI vor.3 Es wurde bereits demonstriert, dass PPI und ATB aufgrund ihrer Auswirkungen auf das Darmmikrobiom als Einzelsubstanzen die ICI-Ergebnisse negativ beeinflussen. Meist handelte es sich jedoch um kleinere Studien mit Heterogenität im Studiendesign, den ATB-Klassen und den Expositionsfenstern, und nur wenige Studien haben beide Substanzklassen zusammen untersucht. Die Patienten wurden in dieser Untersuchung in vier Gruppen unterteilt, die jeweils ein Jahr und 60 Tage vor der ICI, entweder nur PPI (PPI+/ATB-), nur ATB (PPI-/ATB+), beide Expositionen (PPI+/ATB+) oder keine von beiden (PPI-/ATB-) hatten.
Die gleichzeitige Exposition gegenüber PPIs und ATBs vor der ICI-Therapie war mit einem schlechteren Gesamtüberleben verbunden als die Exposition gegenüber einem der beiden allein. Auch hier diskutierten die Autor:innen, dass Interventionen zur Veränderung des Darmmikrobioms erforderlich sein könnten, um die Ergebnisse für Patienten mit ICIs und vorheriger PPI- oder ATB-Exposition zu verbessern.

Chronischer Stress beeinflusst die Wirksamkeit von ICI bei NSCLC
Chronischer psychosozialer Stress äußert sich in Depressionen und Angstsymptomen und kommt bei NSCLC-Patienten häufig vor. Stress aktiviert die HPA (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren)-Achse und das sympathische Nervensystem, was die organische Immunität beeinträchtigt, und eine immunsuppressive Tumormikroumge­bung induziert.
Die multizentrische prospektive STRESS-LUNG-1-Studie untersucht die Rolle von chronischem psychosozialem Stress auf die Wirksamkeit von ICI (NCT05477979)4 Es wurden Patient:innen mit NSCLC im Stadium IIIB-IV eingeschlossen, die in der Erstlinientherapie einen ICI erhielten. Der Stressstatus der Patient:innen wurde anhand der Skalen PHQ-9 und GAD-7 beurteilt. Insgesamt wurden 166 NSCLC-Patient:innen eingeschlossen, wobei 53,6 % als gestresst eingestuft wurden. Die Ausgangsmerkmale zwischen gestressten und nicht gestressten Patient:innen waren gut balanciert.
Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 11,5 Monaten hatte die gestresste Gruppe eine niedrigere ORR (38,8 % vs. 68,4 %, p<0,001) und ein schlechteres medianes PFS (7,9 vs. 15,5 Monate; p=0,028). Die Stressgruppe hatte eine niedrigere 1-Jahres- (69,0 % vs. 91,9 %; p=0,001) und 2-Jahres-Überlebensrate (50,6 % vs. 71,8 %; p=0,092). Patient:innen in der Stressgruppe zeigten zudem mehrdimensionale Beeinträchtigungen der Lebensqualität (QoL). Chronischer psychischer Stress war der unabhängige Prognosefaktor für ORR (HR=3,93; p<0,001), PFS (HR=1,59; p=0,038) und OS (HR=3,16; p=0,005). Es wurde eine negative Korrelation zwischen dem Grad der Belastung und der Wirksamkeit beobachtet. Die gestresste Gruppe hatte höhere Plasma-Adrenalin- (160,97 vs. 122,94 pg/ml, p=0,029) und Serum-Cortisolspiegel (445,05 vs. 382,10 nmol/L, p=0,037). Bemerkenswerterweise zeigte ein integriertes Modell, das Stressstatus, Stadium und PD-L1-Expression umfasst, eine überlegene Effizienz bei der Vorhersage von PFS (AUC = 0,810) und OS (AUC = 0,865) als die alleinige Verwendung psychologischer und biologischer Faktoren.
Chronischer psychischer Stress war mit einer schlechten Wirksamkeit von ICIs und einer schlechten Lebensqualität bei fortgeschrittenem NSCLC verbunden. Die Autoren schlussfolgern, dass die Kombination aus psychologischen und biologischen Faktoren einen nützlichen Psycho-Biomarker darstellen könnte, der die klinische Wirksamkeit von ICIs bei NSCLC vorhersagen kann.

Dr. Petra Ortner

Literatur: 1. Bessede A et al. Impact of Etaminophen on the efficacy of immunotherapy in patients with cancer. J Clin Oncol 40, 2022 (suppl 16; abstr 12000).. 2. Eng L et al. The impact of proton pump inhibitor (PPI) exposure before immune checkpoint inhibitor (ICI) therapy on overall survival (OS): A population-based studyAnn Oncol (2023) 34 (suppl_2): S1080-S1134. ESMO 2023 Annual Meeting Abstract 2033MO. 3. Eng L et al. The impact of exposure to antibiotic (ATB) and proton pump inhibitor (PPI) therapy on immune checkpoint inhibitor (ICI) treatment on overall survival (OS): A population-based study. Ann Oncol (2023) 34 (suppl_2): S1080-S1134. ESMO 2023 Annual Meeting Abstract 2174P. 4. Wu F et al. The effect of chronic psychological stress on the efficacy of first-line therapy of ICIs in advanced NSCLC (STRESS-LUNG-1 trial) Ann Oncol (2023) 34 (suppl_2): S1080-S1134. ESMO 2023 Annual Meeting Abstract 1843MO.

Bildquelle: © john – stock.adobe.com

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