Auf der Basis chronischer Wunden können sich über eine maligne Transformation sekundäre maligne Wunden entwickeln, die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Genese ist oft kompliziert. Die korrekte und frühzeitige Diagnosefindung ist essenziell und die Basis einer individuellen kurativen oder palliativen Therapie. Die Wundversorgung bei palliativen Patienten ist eine stadiengerechte und krankheitsbezogene Therapie mit dem Ziel des Erhalts der Lebensqualität und der Reduktion von Schmerzen. Die häufigsten Entitäten ulzerierender Hauttumore und das Wundmanagement chronischer und palliativer Wunden im Überblick
Im fortgeschrittenen Tumorstadium zeigen sich bei 5–10 % der Patienten exulzerierende maligne Wunden1, seltener können aber auch chronische Wunden im Verlauf maligne entarten. Bei der Ätiologie maligner Wunden muss unterschieden werden, ob es sich um ein primär malignes Geschehen oder eine sekundär maligne Transformation einer vorbestehenden Wunde anderer Genese handelt.
Kutane Primärtumoren, Hautmetastasen und Exulzerationen solider Organtumoren manifestieren sich im fortgeschrittenen Stadium häufig als chronische Ulzera.
Eine chronische Wunde wird definiert als Ulzeration, die innerhalb von 8 Wochen nicht abheilt2. Der klinische Befund einer Ulzeration, insbesondere eines Ulcus cruris, bedarf einer weitreichenden differenzialdiagnostischen Abklärung hinsichtlich vaskularer, hämostaseologscher, metabolischer, entzündlicher, infektiöser und posttraumatischer Genese. Zusätzlich wird die Diagnosefindung erschwert, wenn eine primär nichtneoplastische chronische Wunde, wie ein vaskulär bedingtes Ulkus, sich sekundär zu einem Karzinom entwickelt.
In einer retrospektiven Studie von Ghasemi et al. an 1.189 Patienten mit Wunden an der unteren Extremität zeigte sich eine Prävalenz maligner Beinulzera von 2,8 %, wobei sich bei 16,1 % der Patienten mit biopsierter atypischer klinischer Beinwunde eine Malignität im histopathologischen Befund bestätigte3.
Bei klinischem Verdacht auf Malignität sollten multiple Biopsien zur histopathologischen und immunhistochemischen Analyse entnommen werden. Die anschließende Behandlung maligner Wunden wird maßgeblich von der zugrunde liegenden Versorgungssituation beeinflusst. Die Behandlungsumstände reichen von der ersten Diagnose einer bis dato unerkannten Malignität einer chronischen Wunde über die Versorgung einer sich unter Tumortherapie verändernden Wunde bis hin zur palliativen Wundsituation.
Kann eine maligne Wunde nicht mehr kurativ behandelt werden, ist ein weitestgehender Erhalt der Lebensqualität des Patienten anzustreben.
Ulzerierende Malignome der Haut
Basaliom
Mit einer Prävalenz von 1,4 % stellt das Basaliom ca. 70 % aller Hauttumoren dar4,5. Die steigende Inzidenz des Basalzellkarzinoms wird insbesondere durch chronische Sonnenexposition, hellen Hauttyp, chemische Noxen und Immunsuppression begünstigt. Ihren Ursprung nehmen Basaliome von genetisch veränderten Zellen in der follikularen und interfollikularen Epidermis.
Der häufigste Subtyp, das noduläre Basaliom, zeigt klassisch einen perlschnurartigen Randsaum mit zentraler Atrophie und peripheren Gefäßinjektionen. Des Weiteren treten oberflächliche, nicht abheilende Erosionen häufig an sonnenexponierten Arealen wie behaarter Kopfhaut, Gesicht, Hals und Oberkörper, aber auch an der unteren Extremität auf. Besonders in fortgeschrittenen Stadien neigt der Tumor zur Ulzeration (Ulcus rodens) und Destruktion tieferer Gewebsschichten (Ulcus terebrans). Bei den operativen Therapieverfahren stellen die vollständige Exzision mit konventioneller Histologie und die mikroskopisch kontrollierte Chirurgie mit histologischer Randschnittkontrolle die Therapien der Wahl dar.
Ist eine Operation unmöglich, kontraindiziert oder wird nicht gewünscht, können Strahlentherapien wie Brachytherapie, oberflächliche oder externe Strahlentherapie erfolgen. Beim superfiziellen Basaliom kann alternativ zur Operation auch eine topische Monotherapie mit 5-Fluoruracil, Imiquimod sowie eine fotodynamische Therapie, Kryochirurgie oder ablative Lasertherapie in Erwägung gezogen werden6.
Bei ulzerierten Tumoren ist die topische Therapie nur eingeschränkt möglich.
Stellt weder Operation noch Strahlentherapie eine Therapieoption dar, führt eine antineoplastische Systemtherapie mit einem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor wie Sonidegib bei 44–58 % der Patienten mit lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom zu einer Besserung des klinischen Befundes und ist zudem als neoadjuvante Therapie vor einer Exzision möglich7. Zunehmend entwickeln sich alternative, bereits fallweise erfolgreiche Immuntherapien wie die Off-Label-Anwendung des Checkpointinhibitors Pembrolizumab8. Solche Therapieentscheidungen sollten in einem interdisziplinären Tumorboard diskutiert werden.
Plattenepithelkarzinom
Bereits im Jahr 2015 lag die Inzidenz vom kutanen Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) in Deutschland für Männer bei 54 pro 100.000 Einwohner pro Jahr und für Frauen bei 26 pro 100.000 Einwohner pro Jahr9, womit es hierzulande den zweithäufigsten malignen Hauttumor darstellt.
Risikofaktoren für Spinaliome sind neben dem männlichen Geschlecht vor allem ultraviolette (UV-) Strahlung, zunehmendes Lebensalter, heller Hauttyp und Immunsuppression.
Neben der chronischen UV-Exposition und Entzündung können Plattenepithelkarzinome auch de novo, durch chemische Noxen, degenerative Hautveränderungen, chronische Narben (Marjolin-Ulkus) oder Präkanzerosen entstehen.
Der Tumor zeigt sich als raue, rötliche Plaques oder flache Ulzerationen meist an sonnenexponierten Arealen wie dem Gesicht oder den Händen. Die Invasion des Tumors startet in der Epidermis und wächst in die Dermis vor, wobei im histologischen Bild die Ausbildung von Hornperlen imponiert. Im weiteren Verlauf zeigt sich ein schnelles exo- oder endophytisches Wachstum.
Eine Metastasierung findet in ca. 4 % der Fälle statt und zeigt sich zunächst lokalisiert lymphogen und erst spät und selten in anderen Organen10.
Bei klinischem Verdacht auf ein Spinaliom sollte zur histologischen Sicherung eine Biopsie und bei Bestätigung die vollständige Resektion der Malignität angestrebt werden. Die Tumorchirurgie reicht von der Elektrodissektion mit Kurettage über die mikroskopisch kontrollierte Exzision bis zu komplex plastisch chirurgischen Eingriffen und kann 95 % der Patienten heilen11. Beträgt die vertikale Tumordicke mehr als 2 mm, sollte eine Ausbreitungsdiagnostik zur Beurteilung der ableitenden Lymphknoten unternommen werden.
Bei lymphogener Metastasierung kann die Therapie auf eine Lymphadenektomie mit adjuvanter Bestrahlung und Systemtherapie erweitert werden12. Sind die Metastasen inoperabel, sollte eine Radiochemotherapie und bei weiterem Fortschreiten eine palliative Behandlung erwogen werden. Geeignete Chemotherapeutika sind Antikörper gegen den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (z. B. Cetuximab, Panitumumab) und Zytostatika (z. B. Cisplatin, 5-Floururacil). Bei Inoperabilität oder Resistenz auf kurative Strahlentherapie kann eine Immuntherapie mit dem für inoperable, fortgeschrittene und metastasierte kutane Plattenepithelkarzinome zugelassenen Anti-PD(programmed death)-1-Antikörper Cemiplimab unternommen werden13.
Malignes Melanom
Das maligne Melanom geht als aggressiver Tumor von den Melanozyten der Haut aus. Kutane maligne Melanome haben sich in einer deutschen Studie bei 12,3 pro 100.000 Männer und 14,8 pro 100.000 Frauen pro Jahr gezeigt14. Von der weltweit steigenden Inzidenz des Tumors sind vermehrt Menschen mit weißer Hautfarbe und im höheren Lebensalter betroffen. Am häufigsten liegen den Melanomen BRAF(Serin/ Threonin-Kinase B-Raf)-Genmutationen durch Vererbung oder Exposition gegenüber Karzinogenen wie UV-Licht zugrunde.
Der Tumor kann sich aus Vorlauferläsionen wie atypischen Nävuszell nävi entwickeln, entsteht jedoch in der Mehrzahl der Fälle de novo. Charakteristisch für den Melanomtyp des nodulären Melanoms ist ein rasches und oft ulzerierendes, vertikales Wachstum eines schwarzen Knotens besonders am Kopf, Nacken oder Rumpf. Das Lentigo-maligna-Melanom zeigt sich als unregelmäßig begrenzter, dunkler Fleck insbesondere am Gesicht, insgesamt jedoch seltener als das noduläre Melanom.
Ein seltener Subtyp des malignen Melanoms ist das akrolentiginöse Melanom, welches aufgrund seines besonderen Prädilektionsorts an den Akren initial oft als Malum perforans bei Diabetes mellitus verkannt werden kann.
Therapeutisch wird Tumorstadien-übergreifend die komplette Primärexzision des Tumors empfohlen, wobei die Tumordicke, welche den wichtigsten negativen Prognosefaktor des Tumors darstellt, eine Sentinel-Lymphonodektomie notwendig machen kann. Hierbei dient die entnommene Lymphknotenbiopsie der histologischen und immunhistochemischen Beurteilung zur weiteren Stadieneinteilung des Tumors. Eine regionale lymphogene Metastasierung kann nach Bestätigung durch eine Feinnadelbiopsie eine Lymphknotendissektion erforderlich machen und postoperativ zu einem Lymphodem führen.
In fortgeschrittenen Tumorstadien oder bei Inoperabilität kommen weitere Therapieoptionen wie die (adjuvante) Radiotherapie oder medikamentöse Therapieoptionen infrage. Bei Vorliegen einer Mutation im BRAF-Onkogen kann eine zielgerichtete Therapie mit Signaltransduktionsinhibitoren, z. B. mit BRAF-Inhibitoren oder MEK (Mitogen aktivierte Proteinkinase-Kinasen)-Inhibitoren, erfolgen.
Immuntherapeutisch besteht neben der Gabe von Immuncheckpointinhibitoren, z. B. CTLA4 (cytotoxicT-lymphocyte-associated Protein 4)-Antikörpern oder monoklonalen Antikörpern aus der Klasse der PD-1-Inhibitoren, die Möglichkeit der intratumoralen Injektion von Talimogen Laherparepvec15, einem krebszellzerstörenden Virus.
Das maligne Melanom ist trotz der geschilderten kurativen Therapieansätze einer der am häufigsten tödlich verlaufenden Hauttumoren, weswegen eine möglichst frühzeitige Diagnosestellung von äußerster Relevanz ist.
Andere ulzerierende Hauttumoren
Kutane Lymphome können histologisch in die häufigeren kutanen T-Zell-Lymphome, die B-Zell-Lymphome und die selteneren NK(natürliche Killer)-Zell-Lymphome unterschieden werden. Insgesamt ist von der Diagnose ca. 1 pro 100.000 Einwohner pro Jahr betroffen16. Das häufigste kutane Lymphom stellt die Mycosis fungoides dar, ein niedrig malignes peripheres T-Zell-Lymphom, welches von entarteten CD4+-T-Zellen ausgeht. Initial zeigt sich die Malignität als juckendes, schuppendes, therapieresistentes Ekzem. Der Eintritt in das Tumorstadium ist selten, aber geprägt von einem schnellen Fortschreiten des Tumors mit ungünstiger Prognose.
Unter den kutanen B-Zell-Lymphomen gilt das großzellige B-Zell-Lymphom der unteren Extremität als besonders aggressiv. Klinisch zeigen sich schmerzlose, schnell wachsende, livid-rote Plaques und Knoten mit Neigung zur Ulzeration, welche Ähnlichkeiten zum häufigeren Ulcus cruris venosum aufweisen. Die Diagnostik und Therapie der Lymphome ist abhängig von deren Klassifikation und sollte, ähnlich den malignen Malignomen und Sarkomen, in einem interdisziplinären Tumorboard stattfinden.
Sarkome bilden eine heterogene Gruppe von malignen Entartungen mesenchymaler Zellen. Gelegentlich zeigen sich in fortgeschrittenen Tumorstadien, meist an der unteren Extremität, großflächige Ulzerationen. Therapiert werden Sarkome spezifisch nach Ausdehnung und Subtyp. Im Allgemeinen ist die Behandlung interdisziplinär, weniger stark standardisiert und mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet. Die Therapie kann aus einer weiträumigen Tumorresektion mit Strahlentherapie und Chemotherapie bestehen17. Ein wichtiger Teil der kurativen und palliativen Chemotherapie metastasierter Weichteilsarkome stellt die Gabe des Anthrazyklins Doxorubicin dar17. Zielgerichtete Therapieansätze werden im Rahmen klinischer Studien in spezialisierten Sarkomzentren angeboten.
Kutane Metastasen
Die Haut ist aufgrund ihrer Größe und guten Blut- und Lymphversorgung über fortschreitende, hämatogene und lymphogene Metastasierungswege für Tumorabsiedelungen leicht erreichbar. Im Allgemeinen können sich kutane Metastasen bei prinzipiell jeder bösartigen Tumorerkrankung im fortgeschrittenen Stadium zeigen, was bei 2–5 % aller Malignome der Fall ist18. Stark vaskularisierte Prädilektionsstellen für kutane Metastasen stellen insbesondere die Kopfhaut und die Nabelregion dar.
Wegen des oft uneinheitlichen klinischen Befunds der kutanen Metastasen, welche meist als solitäre oder multiple, schnell wachsende Tumoren, teilweise mit Ulzerationen imponieren, treten histopathologische und immunhistochemische Untersuchungen in den Mittelpunkt. Diese dienen der Identifizierung der Metastase und des zugrunde liegenden Primärtumors. Anders als die allgemein kurative Therapie von primären Hauttumoren wird bei kutanen Metastasen ein individuelles, multimodales und palliatives Vorgehen favorisiert.
Den größten Anteil der kutanen Metastasen bilden bei Frauen die Mammakarzinome19. Nach überwiegend lymphogener Metastasierung in die Haut zeigt sich zumeist eine noduläre Manifestationsform. Besonders bei schnellem Wachstum können die oft derben, erythematosen Knoten tiefe Ulzerationen ausbilden19.
Den zweithäufigsten Ursprung von kutanen Metastasen bilden Lungenkarzinome18. Histologisch offenbart sich der Primarius zu jeweils 30 % als Adenokarzinom oder Plattenepithelkarzinom und zu 40 % als undifferenzierter Tumor20. Neben der insgesamt seltenen Manifestation von kutanen Metastasen im Spätstadium eines Malignoms können sich Tochtergeschwulste der Lunge, Niere oder des Ovars bereits als Primärmanifestation an der Haut zeigen18.
Sekundär maligne Wunden
Über eine maligne Transformation können sich primär chronische Wunden nichtmaligner Genese zu sekundär bösartigen Läsionen entwickeln. Bereits 1828 beschrieb Jean-Nicolas Marjolin die Entstehung maligner Wundränder auf chronischen Wunden. Heutzutage werden unter dem Begriff des Marjolin-Ulkus vor allem maligne Transformationen chronischer Hautwunden zu Plattenepithelkarzinomen subsummiert21. Des Weiteren ist die seltene Entstehung von Malignitäten wie Sarkomen, Lymphomen, Melanomen und Basalzellkarzinomen auf chronischen Wunden, vornehmlich der unteren Extremität, beschrieben worden22.
Die Prävalenz chronischer Beinulzera wird auf 0,45 % geschätzt23, wobei in einer Studie mit 10.913 Patienten mit Ulcus cruris venosum 17 Patienten ein sekundäres Plattenepithelkarzinom entwickelten24. Damit haben Patienten mit Ulcus cruris venosum ein 5,8-fach erhöhtes Risiko24 ein Plattenepithelkarzinom zu entwickeln gegenüber gesunden Menschen.
Der genaue Pathomechanismus der malignen Transformation ist bis heute nicht vollständig geklärt. Mögliche Ursachen sind gestörte Wundheilungsprozesse, chronische Entzündung, Irritation, Ulzeration, Infektion und Schädigung durch Noxen25. Sekundäre Plattenepithelkarzinome auf venösen Beinulzera zeigen sich oft als knotige, verruköse Tumoren, umgeben von einem evertierten, entzündlichen Wundrand. Nach langjähriger Ulkusanamnese bestehen klinische Hinweise für eine Malignität bei ungewöhnlichen Schmerzen und Geruch sowie massiven Blutungen und Exsudationen.
Verdächtige, therapieresistente Wunden sollten mit multiplen, tiefen Spindelbiopsien aus zentralem Wundbett und Wundrand histologisch abgeklärt werden.
Die Prognose sekundärer Plattenepithelkarzinome auf venösen Beinulzera korreliert stark mit der Tumordicke, dem Metastasierungs- und Differenzierungsgrad25,26. Der Verlauf ist durchschnittlich schlechter und mit einem höheren Metastasierungsrisiko verbunden als bei sonneninduzierten Plattenepithelkarzinomen22. Die radikale Tumorresektion reicht von einer lokalen Exzision mit Sicherheitsabstand bis zur Amputation je nach Tumorstadium und Infiltration.
Allgemeines Wundmanagement chronischer und palliativer Wunden
Initial steht die korrekte und frühzeitige Diagnosefindung mit sorgfältigem Wundassessment und Einleitung kausaler Therapiemaßnahmen im Vordergrund einer Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden. Es sollte eruiert werden, ob Aussichten auf eine kurative Therapie der Ursache der Wunde oder der Wundheilungsstörung bestehen. In die prognostische Einschätzung sollte neben der zugrunde liegenden Wundsituation auch die Heilungszeit, inklusive der Art und des Ausmaßes der zu erwartenden Probleme, einbezogen werden27. Im Fall einer palliativen Wundsituation wird der Behandler vor grundsätzlich anderen Entscheidungen stehen als in der allgemeinen Wundversorgung. Zentrale Standbeine der palliativen Therapie sind neben einer stadiengerechten und krankheitsbezogenen Therapie vor allem die Wünsche des Patienten. Zudem spielen allgemeine pflegerische Maßnahmen im Rahmen der Wundversorgung für den Patienten eine fundamentale Rolle.
Psychologische Betreuung
Bei Malignompatienten wird durch die Exulzeration des Tumors die Wahrnehmung, an einer fortgeschrittenen Erkrankung zu leiden, intensiviert. Störungen des Körperbildes reichen von übermäßiger Beachtung bis Nicht-Wahrhaben-Wollen und führen oftmals zur Isolation und zu Konflikten beim überforderten Patienten und dessen Angehörigen. Eine ausführliche Aufklärung kann dem Patienten einen Teil seiner Ängste nehmen und ihm beim Verstehen seiner Erkrankung helfen. In der Beziehung zwischen medizinischem Personal, dem Patienten und seinen Angehörigen sollte auf eine wertschätzende und empathische Gesprächsführung geachtet werden. Überdies besteht für den Patienten die Möglichkeit eines psychoonkologischen Beratungsgespräches.
Vermeidung unangenehmer Gerüche
Oftmals führt starker Wundgeruch zu einer zusätzlichen Belastung und Aggravation der Einschränkungen der Lebensqualität des Patienten. Über anaerobe Bakterien im Wundmilieu entstehen durch bakterielle Protolyse Diamine und
Amine, welche einen charakteristischen Geruch aufweisen. Neben einer mikrobiologischen Abstrichdiagnostik sollten antiseptische Maßnahmen angewandt werden. Diese beinhalten unter anderem die Anwendung von Wundspüllösungen, Aktivkohleverbänden oder den Off-Label-Gebrauch von antibiotischen Lösungen direkt in der Wunde. Kurzfristig können auch okklusive Verbandsmaterialien wie sterile Folien oder Hydrokolloidverbände auf der Wunde angebracht werden, um dem Patienten eine Aktivität mit anderen zu ermöglichen. Zudem können Kompressen auf der von der Wunde abgewandten Seite mit 2,5 %iger Chlorophylllösung beträufelt werden. Auf geschlossenen Wundverbänden kann ein synthetischer Geruchsneutralisierer appliziert werden.
Kontrolle von Wundausscheidungen
Neben einem starken Geruch können Tumorwunden im Extremfall bis zu einem Liter Wundexsudat pro Tag produzieren, was hohe Anforderungen an die Verbandsmaterialien stellt. Bei zunehmender Exsudation empfehlen sich neben Schaumverbänden vor allem superabsorbierende Saugkompressen zur Aufnahme und Speicherung des Exsudats. Um Schmerzen und riskante Blutungen beim Verbandswechsel durch Verklebungen der Verbandsmaterialien mit der Wunde zu vermeiden, können silikonbeschichtete Wunddistanzgitter
als Zwischenschicht fungieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, festhaftende Verbände ca. 20 min vor Verbandswechsel mit physiologischer Kochsalzlösung, speziellen Wundspüllösungen oder Ringerlösungen zu tränken.
Ein zu feuchtes Wundmilieu, welches ein Tumorwachstum verstärken kann, sollte möglichst vermieden werden.
Wundspülung und -reinigung
Vor einem chirurgischen Débridement sollte die aktuelle Gerinnungssituation abgeklärt werden. Alsdann kann eine schonende Abtragung der Nekrosen bei der Wundreinigung und bei Verhinderung weiterer Nekrosen helfen. Außerdem führt die Entfernung von zerfallenem Gewebe zu einer Geruchsverminderung und Senkung der Keimbesiedelung der Wunde. Um die Gefahr einer Gefäßarrosion bei chirurgischer Wundreinigung oder eine Wundinfektion zu minimieren, empfiehlt sich die vorsichtige Anwendung von Spüllösungen wie Octenidin und Polyhexanid-Lösung zum Aufweichen des nekrotischen Gewebes.
Stillen von Blutungen
Kommt es bei einem Verbandswechsel dennoch zu einer Blutung, können bei schwachen Blutungen antihämorrhagisch wirkende Calciumalginat- Kompressen, ggf. mit aufgetropfter Tranexamsäure verwendet werden. Bei stärkeren Blutungen sollten topische Strategien mit weiteren Hämostyptika wie die Anwendung von adstringierenden Nasentropfen oder Kompressen getränkt mit 0,1 %igem Adrenalin verfolgt werden. Ein individueller Notfallplan sollte mit dem Patienten erarbeitet werden. Zudem sollten chronische Blutungen mit regelmäßigen Blutbildkontrollen überwacht werden.
Eine Alternative zu topischen Blutstillungen stellt die einmalige Radiotherapie dar. Bei malignen Wunden kann eine Gefäßarrosion des Tumors in arteriellen Blutungen resultieren. Neben Kühlen, Kompression, Ruhe und Medikation besteht die operative Möglichkeit der Umstechung und Elektrokaustik.
Behandlung von Schmerzen
Die bei einer chronischen Wunde auftretenden Schmerzen können neuropathischen und nozizeptiven Ursprungs sein. Bei neuropathischen Schmerzen mit Angst oder Depression können sedierende und anxiolytische Schmerzhemmer wie Gabapentin und Pregabalin oder Antidepressiva, Opioide und Lokalanästhetika wie topisches Lidocain Verwendung finden. Ist der Schmerz nozizeptiver Ursache, empfiehlt sich eine individuelle Schmerztherapie nach den Empfehlungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und den Bedürfnissen des Patienten. So können leichte bis moderate Ruheschmerzen mit NSARs (nicht steroidale Antirheumatika) und Schmerzspitzen, z. B. bei Verbandswechsel, mit kurzwirksamen narkotischen Analgetika wie Fentanyl sublingual, topischen lokalanästhetischen Cremes und Gelen behandelt werden.
Als Steigerung einer lokalen oder spinalen Anästhesie kann bei sehr schmerzhafter Wundbehandlung eine Allgemeinnarkose zum Verbandswechsel notwendig werden. Neben der medikamentösen Therapie kann auch die Art der Wundbehandlung die Schmerzen des Patienten lindern. Der kurzzeitige, fürsorglich durchgeführte Verbandswechsel sollte den Vorlieben und Bedürfnissen des aufgeklärten Patienten entsprechen. Die Umsetzung der Vorstellungen des Patienten wie spezielle Lagerungen, Akupunktur oder thermische Anwendungen sollte additiv zum ganzheitlich empathischen Ansatz der Wundversorgung erfolgen.
Fazit für die Praxis
Unklare chronische Wunden sind nicht selten das Ergebnis von fortgeschrittenen Primärtumoren und Metastasen. Differenzialdiagnostisch relevant sind aber auch seltenere sekundär maligne Geschehen. Auf der Basis chronischer Wunden können sich über eine maligne Transformation sekundäre Plattenepithelkarzinome entwickeln. Die Wundversorgung bei palliativen Patienten ist eine individuelle Therapie mit dem Ziel des Erhalts der Lebensqualität und der Reduktion von Schmerzen.
Zusammenfassung
Die Unterscheidung zwischen primär und sekundär malignen Wunden ist oft kompliziert. Kutane Primärtumoren wie Basaliome, Plattenepithelkarzinome, maligne Melanome, kutane Lymphome und Sarkome können sich ebenso wie kutane Metastasen bei Ulzeration als maligne Wunde manifestieren. Gleichzeitig können sich initial tumorfreie chronische Wunden über eine maligne Transformation zu sekundär malignen Geschehen entwickeln. Die korrekte und frühzeitige Diagnosefindung ist essenziell und die Basis einer individuellen kurativen oder palliativen Therapie. Im Rahmen des Wundmanagements von chronischen und palliativen Wunden sind neben einer stadiengerechten und krankheitsbezogenen Therapie die Vorstellungen des Patienten von zentraler Bedeutung. Um dem ganzheitlich empathischen Ansatz der Wundversorgung gerecht zu werden, sollte auf psychologische Aspekte, die Verhinderung unangenehmer Wundgerüche, Kontrolle von Wundausscheidungen, Wundspülung und -reinigung sowie eine individuelle Schmerztherapie geachtet werden.
cand. med. Michael Siegling, Erlangen, PD Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge, Erlangen
Literatur bei c.weber@mgo-fachverlage.de
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