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DGHO aktuell: Neue Studiendaten aus Onkologie und Hämatologie

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mgo medizin

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Erschienen in: ärztliches journal onkologie

Mit über 6200 Teilnehmenden bleibt die Tagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie der größte Kongress dieses Fachgebietes und stellte in diesem Jahr sogar die Rekordzahlen von 2019 vor der COVID-19-Pandemie ein. Vier Tage lang wurden in Hamburg neben zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen rund 1400 Abstracts und Poster aus einem breiten Themenspektrum vorgestellt.

Perioperative Immunchemotherapie beim NSCLC

In Studien wird derzeit die perioperative Chemoimmuntherapie, d.h. eine intensive Therapie in Neoadjuvanz und Adjuvanz, beim frühen operablen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) geprüft. Denn dieses intensive Vorgehen kann das Langzeit-Outcome weiter verbessern: Da es die Vorteile von neoadjuvanter und adjuvanter Immuntherapie kombiniert, wird die Autoimmunität bei Vorhandensein von Primärtumor und Lymphknoten angeregt, erläuterte Prof. Christian Schumann, Kempten. Eine dieser Untersuchungen ist die Phase-III-Studie AEGEAN an 802 Patienten mit einem operablen NSCLC der Stadien IIA (ca. 29%) bis IIIB/N2, die zusätzlich zu vier Zyklen einer platinhaltigen Chemotherapie randomisiert Durvalumab oder Placebo erhalten. Postoperativ wird eine adjuvante Therapie mit 12 Zyklen Durvalumab oder Placebo durchgeführt. Zwei Drittel der Teilnehmer hatten einen positiven PD-L1-Status, rund 29% eine PD-L1-Expression von 50% und mehr.

Fast 90% der Teilnehmer beider Arme schlossen die neoadjuvante Therapie ab. 81% der Patienten wurden operiert, wobei in über 90% der Fälle eine R0-Resektion gelang. Rund zwei Drittel haben mittlerweile die adjuvante Therapie begonnen; bei gut 20% ist diese bereits abgeschlossen. In der ersten Interimsanalyse zum primären Endpunkt ereignisfreies Überleben (EFS) ergab sich ein klarer Vorteil zugunsten des experimentellen Arms mit einer Risikoreduktion um 32%: Das mediane  EFS ist im Durvalumab-Arm noch nicht erreicht; im Placeboarm liegt der Median bei 25,9 Monaten (HR 0,68; p=0,0039). Von der intensiven Therapie profitierten alle Subgruppen, wobei die Überlegenheit der Durvalumab-Addition mit stärkerer PD-L1-Expression zunahm.  Auch wurde ein klarer und konsistenter EFS-Vorteil unabhängig von der geplanten Platin-Therapie (Cis- oder Carboplatin) gezeigt. Außerdem konnte die Rate pathologischer Komplettremissionen (primärer Endpunkt) durch Durvalumab gegenüber Placebo vervierfacht werden (17,2% vs. 4,3%); die Rate majorer pathologischer Remissionen stieg von 12,3% auf 33,3%. Die perioperative Therapie war handhabbar, betonte Schumann: Die Zugabe von Durvalumab hatte keinen Einfluss auf die neoadjuvante Chemotherapie und die Operation. Damit stellt diese Strategie laut Schumann eine potenzielle neue Option für Patienten mit operablem NSCLC dar.

Intensive Quadruplet-Therapie beim Hochrisiko-Myelom

Hochrisiko-Patienten mit Multiplem Myelom (MM) haben selbst in der Ära neuer Wirkstoffe weiterhin eine sehr schlechte Prognose. Als wichtigsten Prognoseprädiktor stellte Dr. Lisa Leypoldt, Hamburg, die MRD- (minimal residual disease) Negativität vor. In der akademischen Phase-II-Studie CONCEPT der GMMG (German Multiple Myeloma Group) an insgesamt 125 neu diagnostizierten Hochrisiko-Patienten, die die Effektivität der Primärtherapie mit Isatuximab, Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason (Isa-KRd) evaluiert, wurde dieser Parameter daher als primärer Endpunkt gewählt. 99 Teilnehmer in Arm A sind transplantationsfähig und erhalten nach sechs Zyklen Isa-KRd zur Induktion eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation, danach weitere vier Zyklen Isa-KRd als Konsolidierung und schließlich eine Erhaltungstherapie mit 26 Zyklen Isa-KR. Für Arm B wurden 26 nicht transplantable oder >70 Jahre alte Patienten und Patientinnen rekrutiert, die insgesamt 12 Zyklen des Quadruplets (8 zur Induktion, 4 zur Konsolidierung) und danach ebenfalls über zwei Jahre die Erhaltung mit Isa-KR bekommen. Die Hochrisikokriterien beinhalteten ISS- (International Staging System) Stadium II oder III und mindestens eine zusätzliche zytogenetische Aberration wie Deletion 17p (del17p), Translokation t(4;14) oder t(14;16). 

„Die Studie hat ihren primären Endpunkt bereits erreicht“, berichtete Leypoldt: In Arm A waren 67,7%, in Arm B 54,2% der Patienten nach Ende der Konsolidierung MRD-negativ. Die Raten mindestens kompletter Remissionen stiegen im Verlauf auf 72,7% bzw. 57,7% an. Bei 81,2% der Patienten in Arm A und 69,2% in Arm B war zu einem Zeitpunkt im Studienverlauf eine MRD-Negativität messbar; 62,6% bzw. 46,2% waren anhaltend über mindestens ein Jahr MRD-negativ. Nach mehrjährigem Follow-up hat die Studie auch den sekundären Endpunkt erreicht: In beiden Armen ist das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) noch nicht erreicht. In Arm A waren nach drei Jahren noch 68,8%, in Arm B 58,4% der Teilnehmer progressionsfrei. Die Rate des Gesamtüberlebens nach drei Jahren liegt bei 72,8% bzw. 71,0%. Einen negativen Einfluss auf das PFS hatten die Faktoren erhöhte Laktatdehydrogenase, zwei oder mehr Hochrisiko-Aberrationen und del17p. Dagegen war das Erreichen einer MRD-Negativität mit einem signifikanten PFS-Benefit assoziiert (p=0,0027). „Durch die Behandlung mit den effektivsten Kombinationsregimen in Induktion, Konsolidierung und Erhaltung sind somit hohe und bislang kaum jemals berichtete Raten einer anhaltenden MRD-Negativität und ein verbessertes PFS zu erreichen“, resümierte Leypoldt. 

Daten zum SCLC aus dem CRISP-Register

Das 2015 gestartete CRISP-Register umfasst mittlerweile 12 600 Lungenkrebs-Patienten, mehrheitlich mit einem NSCLC (n=11 600). Seit September 2019 wurden inzwischen auch gut 800 Betroffene mit kleinzelligem Lungenkarzinom (SCLC) aufgenommen. „Damit werden nun endlich Real-Word-Daten zu dieser Tumorentität gesammelt“, betonte Prof. Martin Reck, Großhansdorf. 226 Patienten haben einen Tumor im Stadium I-III (limited disease), 518 ein Karzinom im Stadium IV (extended disease). 149 Patienten der letzten Gruppe (29%) hatten auf die Erstlinientherapie mit einer Remission oder Tumorstabilisierung angesprochen und keine ZNS-Metastasen, sodass sie sich für eine prophylaktische Schädelbestrahlung (PCI) qualifizierten. Tatsächlich erhielten allerdings nur 37 Patienten (7%) eine PCI, weitere 14 kamen potenziell dafür infrage. 98 waren nicht prophylaktisch bestrahlt worden. Auch Patienten mit limited disease hatten lediglich in 21,4% der Fälle eine PCI erhalten, obwohl diese Maßnahme bei ihnen eindeutig empfohlen wird.

80% der 518 SCLC-Patienten im Stadium IV erhielten gemäß CRISP-Register eine Chemotherapie in Kombination mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor (ICI). „Damit sind die ICI beim SCLC angekommen; die Chemoimmuntherapie ist seit 2019 aktueller Standard in Deutschland“, kommentierte Reck. Gut ein Drittel (34%) der nur zytostatisch behandelten Patienten und Patientinnen qualifizierten für eine PCI gegenüber nur 22% derjenigen, die zusätzlich zur Chemotherapie einen ICI erhalten hatten. Patienten mit PCI waren im Median jünger, hatten weniger Begleiterkrankungen und einen besseren ECOG Performance Status als die nicht Bestrahlten. Reck wies darauf hin, dass es sich bei dieser ersten Analyse zum SCLC um eine Momentaufnahme handelt. Folgeuntersuchungen an einer hoffentlich größeren Patientenzahl sollen künftig Aufschluss über die Lebensqualität und über den möglichen Benefit der PCI in dieser Gruppe geben.

Myelofibrose – häufiger als angenommen

Die jährliche Prävalenz der Myelofibrose (MF) in Europa wird auf 0,5-3,0 Fälle pro 100 000 Personen geschätzt. Daten zur Prävalenz dieser seltenen Neoplasie für Deutschland liegen allerdings bislang kaum vor. Die Arbeitsgruppe um Priv.-Doz. Dr. Joachim Göthert, Essen, analysierte daher die Krankenkassendaten von 3,4 Mio. Versicherten zwischen Januar 2010 und Ende Dezember 2021 und identifizierte in diesem Zeitraum mithilfe mehrerer Algorithmen insgesamt 371 Patienten mit MF im mittleren Alter von 68 Jahren. Häufigste Komorbiditäten der Betroffenen waren Hypertonie, Rückenschmerzen, Fettstoffwechselstörungen und Typ-2-Diabetes. Die standardisierte Punktprävalenz am 31. Dezember 2021 betrug 11 Betroffene pro 100 000 Personen und ist damit höher als in bisherigen Untersuchungen. Die Autoren erklären dies mit der Tatsache, dass frühere Analysen  vor 2012, d.h. vor dem Angebot präventiver Check-ups, erstellt wurden. Auch hat sich die MF-Diagnostik mittlerweile erheblich verbessert. Ein weiterer Grund ist die 2016 geänderte Klassifikation der WHO zur präfibrotischen MF, die zu einer vermehrten sorgfältigeren Dokumentation dieses MF-Subtyps führte. Im Jahr 2021 wurde bei 54 median 69 Jahre alten Patienten eine bekannte MF-Diagnose identifiziert. Damit liegt die kumulative MF-Inzidenz im Untersuchungsjahr bei 16 Betroffenen pro 100 000 Personen. Um die Aussagekraft epidemiologischer Studien zu verbessern, regen die Autoren an, künftig auch Subtypen wie präfibrotische MF, sekundäre MF aufgrund essenzieller Thrombozythämie oder Polycythämia vera oder primäre MF in die Versicherungsregister aufzunehmen.

Dr. Katharina Arnheim

Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Hamburg, 13. bis 16. Oktober 2023

Beitragsbild: © anatoliy_gleb – stock.adobe.com

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