Dr. med. Markus Frühwein, München
Nach einer kurzen COVID-19-Atempause im Sommer nähern wir uns in großen Schritten dem nächsten Lockdown, um das Weihnachtsfest im Kreise der Anghörigen zu retten. Auch wenn die Reiselust durch die vierte Welle einen deutlichen Dämpfer erhalten hat, halten einige noch an den gefassten Urlaubsplänen fest. Ein gerade häufig gefragtes Reiseziel ist der asiatische Raum, insbesondere Südostasien.
Neben den auf allen tropischen Kontinenten präsenten impfpräventablen Erkrankungen wie Typhus, Hepatitis A und B, Tollwut oder den Meningokokken-Erkrankungen spielt in dieser Region auch die Japanische Enzephalitis eine relevante Rolle in der Reiseberatung. Auch wenn es sich um eine eher seltene Erkrankung handelt, die häufig asymptomatisch verläuft, kann der Erreger auch schwere Verläufe verursachen, die sich durch eine adäquate Impfprävention verhindern lassen könnten. Auslöser der Japanischen Enzephalitis (Japanische B-Enzephalitis/Russian autumnal encephalitis) ist das Japan-Enzephalitis-Virus (JEV), das als Arbovirus zu den Flaviviren gehört, wie das Frühsommer-Meningoenzephalitis(FSME)-Virus, das Gelbfiebervirus, das Zikavirus und das Denguevirus.
Die Erkrankung kommt in weiten Teilen Asiens sowie in einzelnen westpazifischen Regionen und Nordaustralien vor. Man geht von ca. 70.000 Infektionen/Jahr aus, wobei eine deutlich höhere Dunkelziffer angenommen wird. In den gemäßigten nördlichen Regionen findet sich ein eher epidemisches Vorkommen mit saisonalen Ausbrüchen, vorwiegend von Mai bis Oktober. In den subtropischen/tropischen südlichen Regionen findet sich das Virus endemisch mit ganzjährigem Auftreten.
Hauptreservoir sind vor allem wildlebende Vögel und Schweine, wobei das Virus auch in anderen Tierarten, beispielsweise Pferden oder Reptilien, nachgewiesen wurde. Überträger sind vorwiegend abends und nachts aktive Culexmücken, gelegentlich auch Aedesmücken. Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.
Aus der Kombination von Reservoir und Vektor wird deutlich, warum das Risiko einer Infektion vor allem in ländlichen, wasserreichen Regionen, etwa bei landwirtschaftlichem Reisanbau oder mit Nutztierhaltung von Schweinen, besonders hoch ist. Damit ist eine Impfprävention insbesondere für Reisende mit entsprechendem Reiserisiko zu berücksichtigen. In selteneren Fällen treten Infektionen aber auch in Städten auf.
Bleibende Schäden in bis zu 50% der Fälle
Nur bei ca. jeder 200. bis 300. Infektion entwickeln sich nach einer Inkubationszeit von 1–2 Wochen schwere Symptome mit Bewusstseinsstörungen und weiteren neurologischen Symptomen wie Nackensteifigkeit, Lichtempfindlichkeit oder Krampfanfällen im Rahmen der Enzephalitis. Im Verlauf können sich die Symptome verschlechtern und Lähmungserscheinungen, Ataxie, Tremor, fokal-neurologische und extrapyrimidalmotorische Störungen hinzukommen. Die Letalität ist mit bis zu 30% hoch, bleibende Schäden sind mit bis zu 50% häufig. Besonders Ältere und kleine Kinder sind von schweren Verläufen betroffen.
Eine kausale Therapie existiert nicht, und in vielen Regionen ist auch keine adäquate medizinische Versorgung zur symptomatischen Therapie vorhanden.
Impfberatung in der Praxis
Die deutsche tropenmedizinische Gesellschaft (DTG) empfiehlt eine Impfung vor allem bei erhöhter Exposition oder längerfristigen Aufenthalten in Endemiegebieten. Der individuelle Wunsch des Patienten sollte hier auch bei geringem Expositionsrisiko einbezogen werden.
Ältere über 50 Jahre und Kinder sollten aufgrund der Schwere und Häufigkeit manifester Erkrankungen in diesen Altersgruppen bei der Impfempfehlung besonders berücksichtigt werden. Dies gilt auch für besondere Risikogruppen.
Ein inaktivierter Verozellimpfstoff (JE-Virus Stamm SA14-14-2) ist seit 2009 in Deutschland verfügbar. Mit mehr als 93% Immunität nach Grundimmunisierung mit zwei Impfungen bei Kindern und Erwachsenen handelt es sich um einen sehr gut wirksamen Impfstoff. Personen, die schon Antikörper gegen das FSME-Virus aufweisen, scheinen eine bessere Immunantwort zu haben. Auch die Verträglichkeit des Impfstoffs scheint bei Kindern sehr gut zu sein. Es sind bisher keine Todesfälle nach der Impfung bzw. tödlich verlaufende JEV-Erkrankungen bei Geimpften bekannt geworden.
Impfschema
Der Impfstoff wird abhängig vom Alter in unterschiedlichen Dosierungen verabreicht. Die Dosis für Erwachsene und Kinder ab einem Alter von 3 Jahren liegt bei 0,5 ml, entsprechend einer vollen Impfdosis des Herstellers. Im Normalfall wird die Impfung intramuskulär durchgeführt, kann aber bei erhöhter Blutungsneigung auch subkutan verabreicht werden.
Für Kinder von 2 Monaten bis 3 Jahren wird nur die halbe Dosis entsprechend 0,25 ml Impfstoff benötigt. Dafür befindet sich auf der Spritze eine rote Linie, bis zu der der Spritzenkolben vor der Impfung entleert wird. Von der Nutzung eines Impfstoffes für zwei Dosen in der Altersgruppe ist dringend abzuraten.
Die Grundimmunisierung erfolgt in allen Altersgruppen durch die Gabe von 2 Impfungen im Standardschema im Abstand von mindestens 28 Tagen. Ein sicherer Schutz ist ca. 10 Tage nach der zweiten Teilimpfung zu erwarten.
Sollte die Zeit vor der Abreise nicht ausreichen, steht für Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren ein Schnellschema mit Impfungen an den Tagen 0 und 7 zur Verfügung. Für Kinder, Jugendliche und Ältere gibt es hier keine Zulassung.
Bei erneutem Expositionsrisiko sollte eine erneute Impfung mit einer Dosis 12–24 Monate nach der abgeschlossenen Grundimmunisierung erfolgen, bei anhaltender Exposition schon nach 12 Monaten. Die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin (DTG) empfiehlt eine Boosterimpfung in der Folge alle 10 Jahre.
Erfolgte Im Vorfeld eine Immunisierung im Ausland mit dem inaktivierten Mäusehirn-Vakzin, kann der in Deutschland zugelassene Zellkultur-Impfstoff zur Boosterung verwendet werden.
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