Es sind die immer detaillierteren Kenntnisse über die Pathogenese des Mammmakarzinoms, die den Weg ebnen für die Entwicklung innovativer Wirkstoffe. Allein oder in Kombination mit bereits etablierten medizinischen Standards ermöglichen sie ein zunehmend maßgeschneidertes Vorgehen.
So wurde für das metastasierte, HR-positive und HER2-negative Mammakarzinom mit Alpelisib Ende vergangenen Jahres der erste PI3K-Inhibitor zugelassen, und zwar in Kombination mit Fulvestrant. Die PIK3CA-Mutation muss vor Therapiebeginn mit einem validierten Test nachgewiesen sein.
In der SOLAR-1-Studie konnte Alpelisib in Kombination mit Fulvestrant nicht nur das mediane progressionsfreie Überleben verglichen mit einer Fulvestrant-Monotherapie signifikant verlängern. Auch das Gesamtüberleben, der sekundäre Hauptendpunkt, wurde verlängert, nämlich von 31,4 Monaten unter Placebo auf 39,3 Monate unter PIK3-Blockade. Erforderlich allerdings ist ein interdisziplinäres Nebenwirkungsmanagement, da insbesondere Hyperglykämie, Hautreaktionen und Diarrhoe zum Spektrum der unerwünschten Begleit-erscheinungen gehören.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate im Trend
Mit der Entwicklung des ersten Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) für das HER2-positive metastasierte Mamma-karzinom fiel der Startschuss für weitere Antikörper-Wirkstoff-Konjugate.
Mit Sacituzumab-Govitecan steht eine neue Therapieoption für das besonders aggressive metastasierte, refraktäre triple-negative Mammakarzinom ante portas. Entscheidend sind hier die Daten der ASCENT-Studie, die die Substanz bei schwer kranken Patientinnen mit mindestens zwei Chemotherapien gegen eine fortgeschrittene Erkrankung untersucht im Vergleich mit einer Chemotherapie nach Wahl des behandelnden Arztes. Das Gesamtüberleben verbesserte sich (12,1 Monate vs. 6,7 Monate). Infusions-reaktionen, Blutbildveränderungen und Diarrhoe können die Therapie begleiten. Aktuell ist Sacituzumab-Govitecan von der FDA für das metastasierte Stadium in der Dritt-linie zugelassen, die EMA hat den Zulassungsantrag bereits angenommen.
Für das HER2-positive, metastasierte Mammakarzinom wurde ein weiteres Antikörper-Wirkstoff-Konjugat entwickelt, nämlich Trastuzumab-Deruxtecan. Es ist zugelassen als Monotherapie bei erwachsenen Patientinnen mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom, die im Vorfeld mindestens zwei gegen HER2 gerichtete Behandlungen erhalten haben. Die Zulassung basiert auf den positiven Ergebnissen der pivotalen Phase-II-Studie DESTINY-Breast01.
Kinasehemmer auch gegen Hirnmetastasen
Der neue Kinasehemmer Tucatinib ist in der EU zugelassen. Er wird in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin beim HER2-positiven, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs eingesetzt, wenn die Patientinnen zuvor bereits mindestens zwei andere Anti-HER2–Therapien erhalten haben. In der HER2Climb-Studie, die Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin mit Capecitabin plus Trastuzumab plus Placebo verglich, konnte eine Reduktion der Mortalität um 34% erreicht werden (Gesamtüberleben: 21,4 vs. 17,4 Monate).
Besonders interessant ist die Studie, weil sie den Fokus auch auf Patientinnen mit Hirnmetastasen richtete. Alle eingeschlossenen Patientinnen (n=612) erhielten zu Studienbeginn ein Hirn-MRT, bei 291 Frauen wurden Hirnmetastasen festgestellt. Das mediane PFS der Frauen mit Hirnmetastasen wurde durch die Zusatztherapie mit Tucatinib von 4,2 auf 9,9 Monate verlängert. Der Effekt auf das mediane Gesamtüberleben ist auch hier günstig. Nach zwölf Monaten lebten noch 70,1% gegenüber 46,7%.
Früher Brustkrebs: Wer braucht noch eine Chemotherapie?
Welche Frauen mit einem frühen HR-positiven, HER2-negativen Mammakarzinom benötigen zusätzlich zu einer endokrinen Therapie eine Chemotherapie? Diese für die Patientin entscheidende Frage lässt sich nun anhand der Ergebnisse der ADAPT-Studie beantworten.
Das Prozedere war folgendermaßen: Eingeschlossen waren Patientinnen mit HR-positivem, HER2-negativem frühem Brustkrebs mit bis zu drei befallenen Lymphknoten, deren Mammakarzinom klinisch-pathologische Kriterien für eine Chemotherapie aufwies. Der Recurrence-Score wurde in einer Stanzbiopsie ermittelt und die Patientin drei Wochen mit einer Antihormontherapie behandelt. Nach der Operation wurde im Op-Präparat die Wachstumsrate des Tumors bestimmt. Das Ergebnis: Frauen aus der intermediären Risikogruppe und einem Ki-67-Wert von maximal 10% unter einer Antihormon-therapie haben ein vergleichbares Krankheits- und Fernmetastasen-freies Überleben wie Frauen mit niedrigem Risiko.
Fazit: Beim frühen Mammakarzinom können Frauen mit 0 bis 3 befallenen Lymphknoten und einem Recurrence-Score zwischen 0 und 11, oder mit 0 bis 2 befallenen Lymphknoten plus endokrinem Ansprechen auf eine kurze präoperative Antihormontherapie postoperativ ausschließlich mit einer Antihormontherapie, also ohne Chemotherapie, behandelt werden. Die Daten sind unabhängig vom Alter der Patientinnen.
Mastektomie mit Rekonstruktion: Vorsicht mit Opioiden
Wer sich wegen eines Mammakarzinoms einer Mastektomie mit Rekonstruktion unterziehen muss, hat ein erhöhtes Risiko von Opioiden, Benzodiazepinen und Sedativa abhängig zu werden. Dies trifft vor allem bei jüngeren Frauen zu und bei Frauen, die noch eine Chemotherapie erhalten. Dabei scheint schon eine kurzzeitige Exposition zu einer anhaltenden Abhängigkeit zu führen. Diese Substanzen sollten deshalb bei diesen -Patientinnen nur eingesetzt werden, wenn sie wirklich nötig sind.
Dr. Beate Fessler
Quelle: Virtueller Fachpresse-Workshop der Pomme-med GmbH „Mammakarzinom im Fokus“ am 10.03.2021
Bildquelle: © LStockStudio – stock.adobe.com



