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Abklärung von Leberwerten in der Hausarztpraxis

Abklärung von Leberwerten in der Hausarztpraxis

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt

In der Hausarztpraxis treten Leberwerterhöhungen häufig als Zufallsbefund auf. Neben der Beachtung von Symptomen ist für eine effektive Abklärung entscheidend, welche Leberwerte analysiert und wann Patienten zur weiterführenden Diagnostik überwiesen werden. Eine Studienreihe hat den Status quo der hausarztbasierten Diagnostik erhöhter Leberwerte untersucht und Ansatzpunkte einer Optimierung abgeleitet.

Erhöhte Leberwerte stellen in der hausärztlichen Versorgung einen häufigen Zufallsbefund dar. Obwohl die Prävalenz von Leberwerterhöhungen unter ambulant versorgten Patienten weitgehend unklar ist und verschiedenste Faktoren ursächlich sein können, gehen damit vermehrte Mortalität und vital bedrohliche Begleiterkrankungen einher. Umso mehr kommt es auf eine frühzeitige Abklärung und ggf. Einleitung therapeutischer Maßnahmen an. In den meisten Fällen sind Hausärzte die ersten Behandler, die bei einer Routinekontrolle auf (unklar) erhöhte Leberwerte aufmerksam werden. Damit obliegt ihnen die Beurteilung solcher Befunde und die Initiierung weitergehender Schritte. Angesichts der Zeit- und Ressourcenknappheit im hausärztlichen Versorgungsgeschehen kann eine differenzialdiagnostische Abklärung zur Früherkennung von Lebererkrankungen anspruchsvoll ausfallen. Neben der Frage, welche Werte in welchen Referenzbereichen und Konstellationen als aussagekräftige Indikatoren einbezogen werden, ist für den hausärztlichen Umgang mit erhöhten Leberwerten eine Differenzierung ausschlaggebend, in welchem Fall ein abwartendes Offenhalten (mit Wiederholung des Labors) geboten und wann eine sofortige Abklärung indiziert ist, z. B. durch direkte Überweisung zum Facharzt oder zu einer Leberambulanz.

Bislang liegen für den deutschsprachigen Raum keine systematischen Untersuchungen vor, die die hausärztliche Versorgungsrealität bei Leberwerterhöhungen sowie damit einher- gehende Herausforderungen und Problema- tiken in belastbarer Weise erfassen. Eine Studienreihe hat diese Thematik nun genauer exploriert. Zwischen 2017 und 2022 wurden vier schriftliche Befragungen von Hausärzten und niedergelassenen Ärzten in gastroenterologischen Schwerpunktpraxen in verschiedenen Bundesländern durchgeführt, darunter eine Befragung von insgesamt 2.701 Hausärzten in Hessen und Baden-Württemberg. Das Ziel der Studienreihe bestand darin, eine Bestandsaufnahme hinsichtlich des Status quo der hausärztlichen Abklärung (unklar) erhöhter Leberwerte zu leisten. Im Besonderen sollte es darum gehen, Voraussetzungen, bestehende Vorgehensweisen, Herausforderungen und Probleme zu identifizieren.

Unterschiedliche Parameter finden Beachtung

Die Befragung der Hausärzte hat eruiert, dass im Versorgungsalltag bei der Abklärung (unklar) erhöhter Leberwerte eine starke Fokussierung auf vergleichsweise wenige ausgewählte Leberparameter vorliegt. So wird v. a. die y-GT als Laborwert betrachtet (95%). Rund zwei Drittel (65%) beziehen die Aspartat-Aminotransferase (ASAT, AST, GOT) in ihre Untersuchung ein, gefolgt von der Alanin-Aminotransferase (ALAT, ALT, GPT) (63%), der alkalischen Phosphatase (AP, 62%) und der Thrombozytenzahl (57%). Zugleich konnte eine Faktorenanalyse ein stark heterogenes und divergierendes hausärztliches Vorgehen bei der Abklärung einer möglichen chronischen Leberparenchymerkrankung offenlegen. So achten Hausärzte nicht nur auf stark unterschiedliche Symptome, sondern ziehen im Rahmen der hausärztlich veranlassten Labordiagnostik unterschiedliche leberassoziierte Laborparameter bzw. Wertekonstellationen als Indikatoren zur Identifikation einer (beginnenden) Leberkrankheit heran. Während ein Cluster sich auf Funktionsparameter wie Bilirubin, Quick (INR), Cholinesterase und Albumin konzentriert, betrachtet ein anderer in erster Linie Indikatoren für eine toxische Zellschädigung oder eine schon eingetretene Lebererkrankung. Neben weiteren Parametern findet hier v. a. die Alanin-Aminotransferase Beachtung. Zudem fällt ein dritter Cluster auf, der auf die y-GT als Parameter für eine mögliche Leberkrankheit fokussiert.

Uneinheitliche Voraussetzungen

Die Befragung der Hausärzte konnte zeigen, dass 29% der einbezogenen Allgemeinärzte in der eigenen Praxis neben der GKV-Früherkennungsuntersuchung eine spezielle Leber- Check-up-Untersuchung zur Früherkennung anbieten. Hingegen halten 66% kein solches Angebot als Zusatz zum GKV-Gesundheits-Check-up vor. Im Hinblick auf die apparativ- diagnostischen Voraussetzungen ist in den meisten hausärztlichen Praxen üblicherweise eine standardmäßige Oberbauchsonografie zur Identifizierung und weiteren Abklärung von Lebererkrankungen gegeben (89%), seltener eine erweiterte Labordiagnostik (64%). Jeweils 5% bieten eine Untersuchung mittels Elastographie bzw. Fibroscan an.

Wie sich im Rahmen einer detaillierten Abfrage zeigte, liegen bestimmte, zu tiefergehender Diagnostik veranlassende Hinweise auf eine beginnende Leberkrankheit im Fokus der befragten Hausärzte, während andere geringere Beachtung erfahren. Aus ihrer bisherigen Erfahrung achten Hausärzte dabei v. a. auf einen übermäßigen Konsum von Alkohol (94%), aber auch auf Anzeichen wie Oberbauchbeschwerden (76%), Müdigkeitserscheinungen (75%), Aszites (71%), Juckreiz (71%) und Hautveränderungen (65%).

38% der befragten Hausärzte fühlen sich bei der diagnostischen Abklärung von Leberwerterhöhungen sehr oder eher sicher, während rund 50% sich hier als weniger sicher einstufen. Auch aus Sicht einer Mehrheit der befragten Ärzte wäre es sinnvoll, gäbe es vermehrt Fortbildungsformate und evidenzbasierte Hilfsmittel, die Hausärzten mehr Sicherheit bei der Erkennung und Abklärung von Leberwerterhöhungen vermitteln.

Überweisunsgverhalten

Zwar halten es fast zwei Drittel der befragten Hausärzte24 für sinnvoll, nach Feststellung moderat erhöhter Leberwerte zunächst ein abwartendes Offenhalten von mehreren Wochen (Median: 5,0) zu praktizieren und damit erst nach einer erneuten Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt eine Überweisung an eine höhere Fachgebietsebene zu erwägen. Allerdings machen die Befragten abweichende Angaben über ihr tatsächliches Überweisungsverhalten, das sie in einer offenen Nachfrage u. a. mit diagnostischen Unsicherheiten begründen. So geben rund 40% an, die Patienten in der Regel nach Feststellung unklar erhöhter Leberwerte direkt zum Facharzt oder sogar an eine Spezialambulanz überwiesen zu haben. Nur 32% haben hingegen erst einmal konsequent zugewartet. 79% der Hausärzte geben an, die eigenen Patienten im Fall einer Überweisung bei einer gastroenterologischen Schwerpunktpraxis vorgestellt zu haben; 44% haben direkt an eine Leberspezialambulanz überwiesen sowie 27% zu einer gastroenterologischen Abteilung oder Klinik.

Die Ergebnisse belegen die zentrale Lotsenfunktion des Hausarztes im Gesundheitssystem. 98% der befragten internistischen Fachärzte geben an, dass Patienten mit (unklar) erhöhten Leberwerten üblicherweise durch den Hausarzt überwiesen werden. 23% nennen die Überweisung durch einen anderen Facharzt bzw. 20%, dass Patienten ihre Praxis auf Anraten der Klinik aufsuchen (40% direktes Aufsuchen durch den Patienten).

Vielfältige Schnittstellenprobleme

Für eine effektive, frühzeitig greifende Diagnostik zur Abklärung von Leberwerterhöhungen und eine passgenaue Therapie ist eine geregelte Zusammenarbeit von Haus- und Facharztebene essenziell. Obgleich sowohl Haus- als auch Fachärzte die Kooperation mit der jeweils anderen Seite mehrheitlich als positiv erleben, werden Schnittstellenproblematiken und Hürden in der interdisziplinären Kooperation erlebt.

Ein häufiges Erschwernis für Hausärzte stellt neben einem Mangel spezialisierter internistischer Praxen in der Umgebung (73%) mangelnde Erreichbarkeit dar, um sich über die meist komplexen Patientenprobleme auszutauschen (69%). 90% geben an, dass es häufig zu längeren Wartezeiten auf einen Termin zur differenzialdiagnostischen Klärung beim Verdacht auf eine Leberkrankheit kommt. Im ländlichen Raum stellen sich diese Herausforderungen in Anbetracht der deutlich niedrigeren Facharztdichte in verschärfter Weise dar. Als beträchtliche Problematik wird von Hausärzten zudem erlebt, dass Patienten vom fachärztlichen Kollegen nicht ausreichend über ihre Situation aufgeklärt und aus Unsicherheit zum Hausarzt zurückkehren (72%). Ebenso scheint das Überweisungsverhalten der Fachärzte im Anschluss an die Diagnosestellung einer Lebererkrankung durch häufige Rücküberweisungen zum Hausarzt geprägt (63%).

Hausärzte äußern konkrete Wünsche

Die Befragten erhielten eine Auflistung verschiedener möglicher Maßnahmen, um den Frühdiagnose-Anteil von Patienten zu erhöhen. Dabei zeigen sich bei den einbezogenen hausärztlichen und fachärztlichen Medizinern große Übereinstimmungen. Eingedenk des wahrgenommenen uneinheitlichen Vorgehens bei der Abklärung von Leberwerterhöhungen im ambulanten Bereich sowie vorhandener Schnittstellenprobleme befürworten 80% der Hausärzte und 85% der Fachärzte die Einführung eines strukturierten, evidenzbasierten und breitflächig einzusetzenden Diagnose- und Therapiealgorithmus als (sehr) effektive Maßnahme. 65% der Hausärzte und 55% der Fachärzte sehen eine Erweiterung der Laboruntersuchung im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung ab dem 35. Lebensjahr als wirksame Maßnahme. 61% der Haus- und 60% der Fachärzte sehen die Entwicklung einer explizit hausarztkonformen, evidenzbasierten S3- Leitlinie zur systematischen Abklärung von Leberwerterhöhungen als besonders effektiv an. 50% der Haus- und 52% der Fachärzte sprechen sich für die Einführung eines genuinen Leber- Checks im Rahmen der GKV aus.

Optimierungspotenziale sind vorhanden

Die breitflächige Befragung von Hausärzten und gastroenterologischen Fachärzten in mehreren großen Bundesländern untermauert, dass Leberwerterhöhungen ein häufiger Befund in der primärärztlichen Versorgung sind. Damit geht die Notwendigkeit einer systematischen und konsequenten Abklärung sowie einer funktionierenden Kooperation mit höheren Versorgungsebenen einher.

In diesem Zusammenhang kann v. a. die Etablierung eines an der ambulanten Versorgungsrealität orientierten, ausreichend validierten Diagnose- und Behandlungspfads ein wertvolles Instrument sein. Internationale Arbeiten lassen vermuten, dass ein belastbarer, in der Breite der Versorgung angewandter Diagnosealgorithmus entscheidende Vorteile generieren könnte, darunter eine raschere Früherkennung, eine bessere Strukturierung des differenzialdiagnostischen Vorgehens und zeitlich angemessene Überweisungen, und eine reibungslosere Arbeitsteilung zwischen Haus- und Fachärzten sicherstellt. Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass die frühzeitige Identifizierung und Abklärung von (unklaren) Leberwerterhöhungen in der Hausarztpraxis derzeit nicht immer möglich ist, da verschiedene Hürden und Herausforderungen bestehen. Die ermittelten Befunde und Problematiken können dahingehend verdichtet werden, dass der Umgang mit erhöhten Leberwerten, welche im Rahmen einer allgemeinen Blutuntersuchung auffallen, eine diagnostische Herausforderung darstellt, die bislang stark vom individuellen Vorgehen des einzelnen Hausarztes abhängt und entsprechend heterogen bearbeitet wird.

Um die Effektivität der primärärztlichen Versorgung zu steigern, erscheint es ratsam, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer verstärkten Professionalisierung und Vereinheitlichung der Diagnostik beitragen und die Zusammenarbeit mit der Facharztebene besser strukturieren. Die Abb. zeigt die im Zuge der Auswertung der Teilstudien verdichteten Ansatzpunkte. Sinnvoll wären zudem ein breiteres Angebot von themenbezogenen Schulungs- und Fortbildungsformaten sowie die feste Verankerung einer leberwertassoziierten Blutuntersuchung im Rahmen des Check-ups. Die Entwicklung einer fundierten hausarztbasierten Leitlinie zur Erkennung und zum Umgang mit erhöhten Leberwerten erscheint ratsam, um ambulanten Allgemeinmedizinern bessere und hausarzt- konforme Orientierungsmöglichkeiten bei der diagnostischen Abklärung von Leberwerten zu vermitteln.34,35 Flankiert durch die angesprochenen Maßnahmen sollten Hausärzte grundsätzlich darin bestärkt werden, die Basisdiagnostik bei erhöhten Leberwerten selbst durchzuführen und dann anlassbezogen zu überweisen, um so ihre Zuweiserrolle optimal ausfüllen zu können.

Autoren: Dr. Julian Wangler, Univ.-Prof. Dr. med. Michael Jansky, MME, UNIVERSITÄTS-MEDIZIN Mainz

Abb.: AdobeStock/Orawan

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