Neue Vakzine gegen COVID 19, RSV und Influenza erweitern die Möglichkeiten für die Praxis. Ein breites Angebot an Impfstoffen ist dem Autor zufolge immer zu begrüßen. Allerdings sei die Vorgabe, die Influenzaimpfstoffe bereits im Vorjahr zu bestellen, mit unnötigen Schwierigkeiten verbunden. In punkto Reiseimpfungen sollten neben den klassische Indikationen auch Atemwegs-übertragbare Krankheiten nicht vergessen werden. Ein Überblick über die aktuellen Impfungen
Zweiter mRNA COVID-19 von Biontech in Deutschland verfügbar
In der aktuellen Impfsaison 2024/25 steht jetzt ein weiterer adaptierter COVID-19-mRNA-Impfstoff von Biontech zur Verfügung. Neben dem JN.1-angepassten Impfstoff kommt nun ein an die Variante KP.2 angepasstes Vakzin. Beide Impfstoffe sind damit parallel verfügbar. So stellt sich die Frage, welchen Impfstoff man nutzen soll bzw. ist ein Wechsel auf KP.2 notwendig, oder muss nach einer Impfung mit JN.1 nachgeimpft werden?
Beide Fragen kann man guten Gewissens mit Nein beantworten. Die beiden Varianten JN.1 und KP.2 sind sehr eng mit einander verwandt und unterscheiden sich in nur drei Mutationen im Spike-Protein. Im Vergleich dazu lagen zwischen XBB.1.5 und JN.1 40 unterschiedliche Mutationen vor. Wie Studiendaten zeigen, sind beide Impfstoffe gegen die aktuell zirkulierenden Virusvarianten wirksam und beide werden für 2024/ 2025 vom RKI als gleichwertig eingestuft.
Es sei in Hinblick auf die STIKO-Impfempfehlung im Herbst für alle chronisch Kranken und über 60-Jährigen darauf hingewiesen, dass kein Abstand von zwölf Monaten zur letzten Antigenexposition mehr notwendig ist. Nur die drei Monate Abstand zur letzten Impfung nach Fachinformation müssen berücksichtigt werden.
Eine Impfung kann neben dem Schutz gegen die Infektion oder Akutkomplikationen auch in Hinblick auf Langzeitfolgen Sinn ergeben. Inzwischen liegen Daten vor, die zeigen, dass das Risiko für Long-COVID bei einer COVID-19-Impfung vor der Infektion mit einer 58 %igen Verringerung des Risikos und bei zwei bzw. mehr als drei Impfungen vor der Infektion mit einer 59 %igen bzw. 73 %igen Verringerung des Risikos im Vergleich zu keiner Impfung verbunden ist.
Zweite mRNA-Vakzine in Deutschland zugelassen – RSV-Impfstoff von Moderna
Mit der Zulassung von mRESVIA des Herstellers Moderna durch die European Medicines Agency (EMA) ist am 23.08.2024 nach den COVID-19-Vakzinen ein zweiter mRNA-Impfstoff in Europa nutzbar. Der Impfstoff stellt neben Arexvy (GSK) und Abrysvo (Pfizer) den dritten Impfstoff gegen RSV-Infektionen mit Zulassung in Deutschland dar. Die Zulassung beruht auf den Daten von ConquerRSV, (ca. 37.000 Erwachsene im Alter von 60 Jahren oder älter, 22 Länder). Die primäre Analyse mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,7 Monaten zeigt nach 8,6 Monaten eine Impfstoffwirksamkeit (VE)
von 63,3 % (95 % CI: 48,7 %, 73,7 %) gegen RSV-LRTD einschließlich zwei oder mehr Symptomen;
von 74,6 % (95 % CI, 50,7, 86,9) gegen RSV-LRTD mit ≥2 Symptomen, einschließlich Kurzatmigkeit;
von 63,0 % (95 % CI, 37,3 %, 78,2 %) gegen RSV-LRTD mit drei oder mehr Symptomen,
was insgesamt gute Wirksamkeitsdaten darstellt.
Wie bei den beiden anderen RSV-Impfstoffen wurden die Studien vorwiegend während der COVID-Pandemie durchgeführt, in der Atemwegs-übertragbare Erkrankungen selten waren, was auch hier zu großen Konfidenzintervallen geführt hat. Der Impfstoff wird in einer Fertigspritze ausgeliefert, was den Aufwand der Impfstoffvorbereitung im Vergleich zu den Wettbewerbern deutlich vereinfacht.
Die Einführung eines weiteren mRNA-Impfstoffes mit Konkurrenzprodukten in Form von adjuvantiertem und nicht-adjuvantiertem Proteinimpfstoff, alle mit zumindest ähnlichen Wirksamkeitsdaten, ist mit Blick auf die Wahrnehmung und das Nutzungsverhalten von impfenden Ärzten und der Bevölkerung spannend, und es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, welche Plattform sich durchsetzt.
Bisher wurde die Empfehlung der STIKO gegen RSV für alle über 75-Jährigen und Personen ab 60 mit schweren Grunderkrankungen – eine Empfehlung die es uns in der Praxis auch nicht wirklich einfacher macht – noch nicht angepasst und zielt weiterhin nur auf die beiden anderen Impfstoffe. Damit ist auch keine Aufnahme in die Schutzimpfungsrichtlinie erfolgt und noch keine Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen gegeben.
Neue Impfempfehlung für Influenza bei den über 60-Jährigen für die Saison 2025/2026
Neben dem Wechsel zurück zu trivalenten (AAB) Impfstoffen ohne Yamagata-B-Linie hat die STIKO im epidemiologischen Bulletin 44/2024 die Impfempfehlung für Influenza bei den über 60-Jährigen angepasst. Ab der Influenza-Saison 2025/2026 wird allen Personen in dieser Altersgruppe nun neben dem Influenza-Hochdosis-Impfstoff auch der mit MF-59 adjuvantierte Influenza-Impfstoff in der aktuellen Antigenzusammensetzung nach WHO empfohlen. Ein Abweichen von der Empfehlung hin zu anderen Impfstoffen (Ei- oder zellbasiert) ist nur möglich, wenn kein MF-59-adjuvantierter und kein HD-Influenza-Impfstoff zur Verfügung stehen oder medizinische Kontraindikationen bestehen.
Grundsätzlich ist eine breite Auswahl an einsetzbaren Impfstoffen immer zu begrüßen. In unserem etwas widersinnigen System der Influenzaimpfstoff-Vorbestellung im Vorjahr wirft das jedoch gewisse Schwierigkeiten auf, weil man sich jetzt entscheiden muss, welchen Impfstoff man im nächsten Jahr verwenden wird und damit mögliche Entwicklungen, z.B. eine aktualisierte Datenlage, nicht mehr adäquat berücksichtigt werden können. Auch ein möglicher Anstieg in der Nachfrage hin zu einem Impfstoff kann kurzfristig nicht berücksichtigt werden. Hinzu kommen Bedenken vieler Ärzte in Hinblick auf ein Regressrisiko, wenn zu viel Impfstoffvorbestellt wird. Sinnvoll ist es sicher beide Impfstoffe vorzubestellen und auf Basis der Zahlen dieser Saison den regressfreien Spielraum von 20 % auszuschöpfen.
Trotzdem ist das kein Zukunftsmodell. Für eine adäquate Impfstoffversorgung, auch in Hinblick auf höhere Durchimpfungsraten ist es dringlich notwendig, die aktuelle Praxis der produktspezifischen Influenzaimpfstoff-Vorbestellung zu beenden. Der Auftrag zur Sicherung der Impfstoffversorgung darf nicht weiterhin auf den Schultern des Arztes unter der Unsicherheit wechselnder Impfempfehlungen, schwankender Nachfrage und dem Damoklesschwert der Regressforderungen liegen.
Impfungen in der Reisemedizin – Atemwegs-übertragbare Erkrankungen nicht vergessen
Bei impfpräventablen Reiserisiken denken die meisten an Hepatitis A/B, Tollwut, Dengue, japanische Encephalitis etc. Dabei wird das Infektionsrisiko auf Reisen meist völlig falsch eingeschätzt. Prof. Robert Steffen, eine Art lebende Legende der Reise- und Tropenmedizin, veröffentlicht regelmäßig den „Steffen-Baum“, eine logarithmische Skala von Inzidenzen impfpräventabler Infektionserkrankungen bei ungeimpften Reisenden. Mit Dengue-Fieber liegt die erste klassische Tropenerkrankung nur auf Platz 3. Die häufigsten Reiseinfektionen sind COVID-19 und die Influenza. Das sollte in der reisemedizinischen Beratung berücksichtigt werden, da eine entsprechende Erkrankung die Reisequalität voraussichtlich stark einschränken wird. Ob gerade Influenzasaison im Reiseland ist oder nicht, spielt keine große Rolle, wenn die Infektion am Flughafen stattfindet.
Autor: Dr. med. Markus Frühwein
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