Akute und chronische Hauterkrankungen werden in der Hausarztmedizin nicht selten thematisiert. Dabei werden nach Diagnosestellung vom Patienten oft unterschiedliche Erwartungen zur Therapie formuliert. Welche Optionen die Phytotherapie hier bietet.
Bei dermatologischen Verordnungen ergibt sich häufig ein Spannungsfeld zwischen schnellem Wirkungseintritt und risikoarmer Behandlung – oft werden kortikoidhaltige Externa kategorisch abgelehnt, auch wenn es sich um eine Folgeverordnung handelt. Andererseits wird der „Hautausschlag“ nicht selten mit diversen Präparaten per Selbstmedikation zu therapieren versucht und in Folge der Persistenz oder einer Exazerbation der Symptomatik ist die hausärztliche Erfahrung gefordert beziehungsweise erfolgt eine gebietsärztliche Überweisung.
Phytotherapie in Leitlinien
Im Allgemeinen spielen pflanzliche Externa im Behandlungsspektrum eine eher untergeordnete Rolle, obwohl sich mit Phyto-Dermatotherapeutika bemerkenswerte Therapieerfolge erzielen lassen. Eine ärztliche Empfehlung beziehungsweise Verordnung erfolgt meist auf Nachfrage von Betroffenen, die unter einer anhaltenden, oft langjährigen Dermatose leiden. Typische Beispiele sind die Ekzemkrankheit, im Besonderen die atopische Dermatitis (endogenes Ekzem), die Psoriasis vulgaris sowie die Akne vulgaris. In den korrespondierenden Leitlinien finden sich zur Phytotherapie nur wenige Hinweise, die dem tatsächlichen Stellenwert entsprechen. Die S3-Leitlinie Atopische Dermatitis der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) enthält ein Kapitel zur Komplementärmedizin, in welcher die Phytotherapie zwar thematisiert, die darin zitierten Arzneipflanzen in Deutschland nicht als Arzneimittel zur Verfügung stehen.
In der S3-Leitlinie zur Psoriasis vulgaris wird unter dem Stichwort topische Therapie die Phytotherapie nicht thematisiert. Demgegenüber wird in der ebenfalls von der DDG publizierten S2k-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis bei Kindern und Jugendlichen explizit zur Phytotherapie Stellung genommen: „2017 zeigte ein Review zu Phytotherapeutika in der Psoriasistherapie, dass placebokontrollierte verblindete Studien teilweise mit kleinen Kohorten ein gutes Ansprechen zeigen. Vorwiegend wurden hier neben Kombinationen in der TCM Indigo, Aloe vera und Mahonia aquifolium als gut wirksam beschrieben und weitere Studien gefordert.“ Bis auf die in statu nascendi befindliche S2k-Leitlinie der DDG zur Therapie der Akne wird in den zitierten Leitlinien auf die allgemeinmedizinische Kompetenz nicht zurückgegriffen – trotz hausärztlicher Inanspruchnahme bei dermatologischen Erkrankungen.
Kasuistisches Fallbeispiel: Anamnese
Der 52-jährige Patient leidet seit vielen Jahren an einer stationären Psoriasis vulgaris mit einem typischen Befallsmuster an beiden Ellbogen und Knien sowie in der Rima ani; psoriatische Plaques treten phasenweise, insbesondere im Winterhalbjahr verstärkt auch im Bereich der oberen und unteren Extremitäten sowie am Haaransatz auf. Diese Herde verkleinern sich in den Sommermonaten, wobei eine generelle Besserung der Psoriasis vulgaris durch einmal jährliche Aufenthalte an der Nordsee zu beobachten ist. Im weiteren Jahresverlauf vergrößern sich die betroffenen Hautareale wieder. Dies führt zu einer intensivierten Lokalbehandlung, die in dermatologischer Abstimmung erfolgt; die psoriatischen Herde sind regressiv, eine grundsätzliche Besserung der Plaques stellt sich nicht ein. Im Verlauf der Krankheitshistorie hat der Patient zweimal einen Kuraufenthalt am Toten Meer durchgeführt, nimmt wenigstens einmal pro Woche zu Hause ein Vollbad mit Zusatz von Totem Meersalz.Befund
Bei der Inspektion des Integuments lässt sich das vom Patienten geschilderte Befallsmuster verifizieren, wonach einzelne Plaques auch an den unteren Extremitäten eine Rötung und ausgeprägte Schuppung zeigen, keine Onychodystrophie. Dermatologische Berichte mit unterschiedlichen Therapieempfehlungen bestätigen die anamnestischen Angaben. Weitere Erkrankungen bestehen nicht, die körperliche Untersuchung ergibt keine Hinweise auf eine beginnende Pso-Arthritis. Systemische Medikamentenanamnese leer, bisherige Lokalbehandlung wie beschrieben auf Calcipotriol-Basis, lokale Kortikoide „sporadisch“, früher durchgeführte systemische Fumarsäurederivat-Therapie erbrachte keine nachhaltige Besserung der psoriatischen Plaques. Beruflich ist der Patient selbstständig, ohne viel Stress, wie er seine Situation beschreibt; auch hat er ausreichend Zeit für sportliche Betätigung. Insgesamt fühlt er sich emotional ausgeglichen und familiär eingebettet.Therapie
Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Lokaltherapie psoriatischer Herde wird dem Patienten ein Dermatotherapeutikum auf Basis von Mahonia aquifolium verordnet. Die 10%ige Mahonia-Salbe enthält als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe Berberin-Alkaloide, die im Wesentlichen antiphlogistische, antiproliferative und keratolytische Eigenschaften zeigen. Die Anwendung der Mahonia-Salbe erfolgt zweimal täglich und wird auf die (besonders) betroffenen Plaques aufgetragen bei einer längerfristigen Behandlung.Verlauf
Der Folgetermin findet etwa drei Monate später statt; eine erste telefonische Rückmeldung nach etwa sechswöchiger Behandlung ergibt die zusammenfassende Aussage, wonach sich die „Haut bessert“. Beim Termin sind die psoriatischen Plaques teilweise kleiner, die Schuppung geringer, die Hautrötung sichtbar weniger ausgeprägt; auf Nachfrage wird kein Juckreiz angegeben. Der Patient berichtet von einer konsequenten Anwendung der Salbe, weitere therapeutische Interventionen werden auf Nachfrage verneint. Der Patient gibt an, seit Jahren erstmals eine äußerliche Behandlung bekommen zu haben, die wirkt und zugleich nicht zeitaufwändig ist. Da im weiteren Verlauf der Patient in die hausärztliche Betreuung aufgenommen wird, kann auch die Langzeitbehandlung über viele Jahre bewertet werden. Demnach sind phasenweise pflegende Maßnahmen der psoriatischen Herde völlig ausreichend, sodass die Mahonia-Salbe letztlich im Intervall angewendet wird; sonstige Dermatotherapeutika sind bei dem Patienten nicht notwendig.
Psoriasis vulgaris – ein kasuistischer Beitrag
Im Hinblick auf die beiden genannten Leitlinien zur Psoriasis vulgaris soll ein kasuistischer Beitrag die Patientenproblematik abbilden. Damit soll zugleich gezeigt werden, wonach pflanzliche Dermatotherapeutika letztlich eine therapeutische Lücke ausfüllen können: Der therapeutische Spannungsbogen umfasst „Hautpflege“ und „Hauttherapie“.
Pflanzliche Antipsoriatika
Die im Patientenbeispiel genannte Mahonia-Salbe kann als Rezepturarzneimittel mit Acidum salicylicum zur intensivierten Keratolyse optimiert werden; Praxiserfahrungen liegen mit einer 5% Salizylsäure enthaltenden Mahonia-Salbe vor. Pharmaziehistorisch bemerkenswert ist, wonach Salizylsäure ursprünglich aus der Rinde der Silberweide gewonnen wurde. Bei einer weiteren in der Psoriasis-Therapie etablierten Substanz steht ebenfalls ein Pflanzenwirkstoff am Anfang: der Ararobabaum, aus dessen Rinde Cignolin gewonnen wurde, heute jedoch chemisch-synthetisch hergestellt als Anthralin und Dithranol zur Verfügung stehen. Und auch die Psoralene haben ihren eigentlichen Ursprung in der Phytotherapie; sie sind Inhaltsstoffe der Knorpelmöhre.
Phyto-Klassiker in der Dermatologie
Es bestehen eine Reihe praxisbewährter Optionen mit pflanzlichen Dermatotherapeutika. Zu den jeweils genannten Arzneipflanzen liegen neben experimentell belegten Wirkungen vor allem Real world Daten sowie konkrete Praxiserfahrungen vor. Herpetiforme Hauterkrankungen wie Herpes zoster und Herpes labialis können– gerade auch als Add-on – phytotherapeutisch behandelt werden. Zur systemischen Behandlung eignet sich eine fixe Kombination aus Färberhülsenwurzel, Lebensbaumspitzen und Sonnenhutwurzel, die antiviral, bakteriostatisch und antiinflammatorisch wirken; das Fertigarzneimittel wird dreimal tägl. 1 Tablette bis nach Abklingen bzw. Abheilen der Hautsymptomatik eingenommen, auch als Add-on zu Aciclovir.
Bei rezidivierendem Lippenherpes bewährt sich ein Melissenextrakt als Salbe, die mehrfach täglich aufgetragen wird; diese Anwendung ist auch zur Lokaltherapie von Herpes-Zoster möglich. Der Tipp für den Patienten: Externa mit Einmalhandschuhen auf die Pusteln auftragen!
Die vor allem im Kindesalter durch Enteroviren (Coxsackie-A-Viren) auftretende Hand-Mund-Fuß-Krankheit imponiert klinisch durch reduziertes Allgemeinbefinden mit Fieber, Mundschleimhaut-Exanthem und -Bläschen sowie der typischen Lokalisation an Handflächen und Fußsohlen. Die bereits genannte fixe Kombination kann den Verlauf und die Dauer der Akutsymptomatik abkürzen helfen, was sich in einer reduzierten symptomatischen Therapie abbilden lässt; die Dosierung orientiert sich am Lebensalter. Die Behandlung der Mundschleimhaut kann mit isländisch Moos in Form von dreimal täglich 1 Lutschtablette erfolgen, da die Pflanze antiphlogistisch und antimikrobiell wirkt.
Tradierte pflanzliche Behandlungsansätze
Abszedierende Hautprozesse können phytotherapeutisch zur Spontaneröffnung gebracht werden, ohne mit einer eventuell indizierten Antibiose zu konkurrieren. Verwendet wird der Samen des Bockshornklees, von dem circa 5g in etwa 25ml Wasser eingebracht und 10 Minuten lang gekocht werden. Anschließend wird der dadurch entstandene Brei auf einen Mull aufgebracht und nach kurzem Abkühlen – für Haut tolerable Temperatur – auf dem Entzündungsherd für etwa 30 Minuten belassen, danach entfernt bei insgesamt zweimal täglicher Anwendung; im übrigen ein praxisbewährter Tipp bei persistierendem oder rezidivierendem Uncus inguinatus.
Das geschilderte Vorgehen ist praxisevaluiert und auch zur Behandlung eines Panaritiums indiziert. Ein weiterer Phyto-Tipp betrifft das nässende circumskripte Ekzem, zu dessen Behandlung selbst in dermatologischen Klinikambulanzen Schwarztee-Auflagen empfohlen werden: Dabei wird mittels eines durchfeuchteten Teebeutels das Ekzem abgetupft; die Sinnhaftigkeit liegt in dem primär adstringierenden Effekt des Schwarztees. Aus Erfahrung des Verfassers (vgl. PhytoPraxis, 8. Aufl. Springer-Verlag) bewährt sich insbesondere bei nässendem Ekzem wie auch bei Acne vulgaris noch mehr die Verwendung von Stiefmütterchenkraut, was in Form eines Tees lokal angewendet und zusätzlich als Tee getrunken werden kann: 1,5g des Krauts wird auf eine Tasse Wasser 10 Minuten lang gekocht und abgeseiht. Dabei wird einerseits der Tee getrunken (bis zu dreimal 1 Tasse) und der abgekochte Stiefmütterchenkrauttee mittels Mull zur Lokalbehandlung verwendet (abtupfen oder als Auflage); letztere Anwendung ist auch bei persistierender Windeldermatitis sowie Analekzem bewährt. Die beschriebene Wirkung lässt sich mit den Inhaltsstoffen belegen: Demnach enthält Stiefmütterchenkraut Methylsalicylate, Gerbstoffe, Flavonoide und Saponine, die antiphlogistische und adstringierende Eigenschaften haben. In der Literatur wird auch eine Kortison-ähnliche Wirkung postuliert.
Atopische Dermatitis (endogenes Ekzem)
Die pflanzliche Lokaltherapie der atopischen Dermatitis orientiert sich prinzipiell an der morphologischen Ausprägung und am Entzündungsstadium. Die Anwendung von Stiefmütterchenkraut als lokale Akutmaßnahme im sezernierenden Stadium zeigt erfahrungsgemäß einen raschen Wirkungseintritt und kann bereits im Säuglingsalter eingesetzt werden. Imponiert die Dermatitis mit Rötung und ausgeprägtem Pruritus, ist die in Südamerika beheimatete Arzneipflanze Cardiospermum, im deutschen als Ballonrebe bezeichnet, das Mittel der Wahl.
Die Pflanzeninhaltsstoffe, unter anderem Phytosterine, Saponine und Flavonoide erklären die antipruriginöse und antiphlogistische Wirkung der Cardiospermum-Salbe. Sie ist primär im hochakuten und akuten Entzündungsstadium indiziert und kann als Monotherapie oder im Sinne einer Add-on-Therapie zum kortikoidhaltigen Externum eingesetzt werden: Beispielsweise kann die jeweilige Anwendung im Wechsel morgens/abends erfolgen, auch um das Kortikoid ausschleichen zu können.
In der Phase geringer Entzündungsaktivität ist Hamamelis – auch studiengesichert – zur längerfristigen Anwendung geeignet. Der aus Blättern und Zweigen der virginischen Zaubernuss, so die deutsche Bezeichnung von Hamamelis, hergestellte Extrakt enthält als Wirksamkeits-bestimmende Inhaltsstoffe u.a. Gerbstoffe, Flavonoide und ätherisches Öl, die adstringierende, antipruriginöse, lokal hämostyptische und wundheilungsfördernde Eigenschaften haben.
Zur Behandlung der atopischen Dermatitis sind weitere Arzneipflanzen bekannt, wie z.B. Johanniskraut und Süßholz. Trotz identifizierter Inhaltsstoffe und in Kenntnis der Wirkung am Patienten stehen sie nur in Form von „pflegenden Cremes“ beziehungsweise als „pflanzliche Kosmetika“ zur Verfügung. Das betrifft auch das Nachtkerzenöl, welches zudem in einer Dosierung von 1.000mg/Kapsel bis zu 6mal tägl. eingenommen werden kann, und nur als „Nahrungsergänzungsmittel“, nicht jedoch als Arzneimittel angeboten wird.
Integument und Intestinum
Im Zuge der Mikrobiomforschung und der Bedeutung der intestinalen Flora rückt die Frage nach einem möglichen Zusammenhang von Darm und Haut vermehrt in den Mittelpunkt. Empirisch begründete Beobachtungen lassen einen solchen Zusammenhang als wahrscheinlich vermuten, was sich an der kontroversen Einschätzung zum Zuckerverbrauch als Trigger einer verstärkten Akne vulgaris ablesen lässt. Unstrittig ist der Zusammenhang zwischen atopischer Dermatitis und Nahrungsmittel, was in der zitierten S3-Leitlinie zu folgender Einschätzung führt: Bei gesicherter Nahrungsmittelallergie soll bei Patienten eine therapeutische Eliminationsdiät durchgeführt werden. Bei einer persistierenden Hauterkrankung zeigt erfahrungsgemäß eine moderate Ernährungsumstellung mit Vermeidung von Convenience-Produkten in Verbindung mit einer probiotischen Therapie oft frappierende Besserungen, ohne dabei den psychologischen Faktor zu unterschätzen – das Ernährungstagebuch kann eine hilfreiche Maßnahme sein.
Fazit
Die in der Hausarztmedizin häufig thematisierten Hauterkrankungen lassen unter Einbeziehung pflanzlicher Dermatotherapeutika das therapeutische Repertoire sinnvoll erweitern. Betroffenen mit Verständnis begegnen, pflanzliche Behandlungsoptionen thematisieren und dabei abwägende Empfehlungen zu geben, sind originäre Schritte ärztlichen Handelns.
Autor: Dr. med. Markus Wiesenauer
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