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Cannabiskonsum stört Sehvermögen

Cannabisblatt und Auto auf regennasser Straße

Cannabiskonsum stört Sehvermögen

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Erschienen in: CONCEPT Ophthalmologie

Kann man unter THC-Einfluss noch sicher Auto oder Motorrad fahren – oder ist das Sehvermögen zu stark eingeschränkt? Über Störungen der Tiefenwahrnehmung, verlangsamte Reaktionen, Blendungsempfindlichkeit und Linksabbiegerunfälle nach Cannabiskonsum berichtete der Toxikologe Prof. Dr. Frank Mußhoff auf der Vorab-Pressekonferenz zur DOG 2024.

Im Rahmen der Einführung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) zum 1. April 2024 sei die Ampelkoalition davon ausgegangen, dass es nach Einführung des Gesetzes zu einem höherfrequenten Konsum kommen könne, erläuterte Mußhoff, Geschäftsführer des Forensisch Toxikologischen Centrums GmbH, München. Sie habe daher die Sanktionshäufigkeit bei Personen, die Konsum und Fahren getrennt haben, reduzieren wollen und dazu den Grenzwert für den Wirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum von 1 ng/ml auf 3,5 ng/ml erhöht.

Wie Mußhoff weiter ausführte, sehen Fachgesellschaften und Polizei das als sehr kritisch an, denn ein Cannabiskonsum kann sich in den ersten sechs Stunden erheblich auf die Fahrsicherheit auswirken. Ein gelegentlicher Konsument, von dem aufgrund fehlender Gewöhnung wohl eine höhere Gefahr ausgehe, liege nach sechs Stunden durchaus wieder unter einem Wert von 1 ng/ml. Bei einem Grenzwert von 3,5 ng/ml liege er deutlich früher unter dem Wert, auch wenn er Konsum und Fahren nicht getrennt habe und bei der Verkehrsteilnahme noch deutlich unter der Wirkung stehe.

Kritisch für die Teilnahme am Straßenverkehr seien unter anderem:

1. Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit

2. die Verlängerung von Reaktions- und Entscheidungszeit

3. eine Störung der Bewegungskoordination

4. Auswirkungen auf das Sehvermögen.

Probleme beim Sehen im Straßenverkehr

Insbesondere die Punkte 1 und 2 stünden bei Auffälligkeiten im Straßenverkehr im Vordergrund. Aktuelle Studien belegten aber auch erhebliche Beeinträchtigungen der Sehfunktionen. Unter Cannabiseinfluss sei demnach die Tiefenwahrnehmung gestört. Räumliches Sehen kommt durch die Zusammenarbeit beider Augen vor allem beim Betrachten naher Gegenstände und durch Verarbeitungsprozesse im Gehirn zustande, was unter THC-Einfluss gestört sei. Im Straßenverkehr bedeute dies, dass Geschwindigkeiten, Abstände und Entfernungen nicht richtig eingeschätzt würden. In der Folge komme es zum Beispiel zu Kurvenunfällen durch verspätetes Bremsen oder zu Unfällen mit Entgegenkommenden beim Linksabbiegen. Auch das Kontrastsehen solle gemindert sein, ferner werde mehr Streulicht in den Augen THC-beeinflusster Studienteilnehmer gemessen. Als Folge seien sie bei Gegenlicht stärker geblendet. Beides sei insbesondere bei Nachtfahrten bedeutsam. In einer weiteren Studie wurde belegt, dass die Schwierigkeiten mit der Tiefenwahrnehmung mit Spurhalteproblemen einhergehen.

Bei Cannabiseinfluss setzten Augenbewegungen verzögert ein. So würden beispielsweise ein spielendes Kind am Fahrbahnrand oder ein auf die Straße rollender Ball deutlich langsamer erkannt. Die im Straßenverkehr wichtige Fähigkeit, eine Umgebung schnell und effektiv zu erfassen und unmittelbar darauf zu reagieren, sei damit beeinflusst, sagte Mußhoff. Bei regelmäßigen Konsumenten dauerten diese Defizite sogar an.

Falsches Signal

Eine Grenzwerterhöhung im Straßenverkehr zeitgleich mit einer Teillegalisierung von Cannabis sei ein falsches Signal und könne zu einer Bagatellisierung der Wirkung führen. Nach dem Konsum von Cannabis könne es zu sehr erheblichen verkehrssicherheitsrelevanten Wirkungen kommen, so dass es zwingend geboten sei, zwischen Konsum und Fahren zu trennen. Als ausreichend seien nach Empfehlung des ADAC 24 Stunden anzusehen; regelmäßige Konsumenten mit einer Kumulation von THC könnten aber auch weitaus länger sogar über dem neuen Grenzwert liegen.

Literatur:

  1. Manning, B., Downey, L. A., Narayan, A., & Hayley, A. C. (2024). A Systematic Review of Oculomotor Deficits Associated With Acute and Chronic Cannabis Use. Addiction Biology 29(1):e13359
  2. Ortiz-Peregrina, S., Ortiz, C., Casares-López, M., Jiménez, J. R., & Anera, R. G. (2021). Effects of Cannabis on Visual Function and Self-Perceived Visual Quality. Scientific Reports 11(1):1655
  3. Ortiz-Peregrina, S., Ortiz, C., Castro-Torres, J. J., Jiménez, J. R., & Anera, R. G. (2020). Effects of Smoking Cannabis on Visual Function and Driving Performance. A Driving-Simulator Based Study. Int. J. Environ. Res. Public Health 17(23): 9033

Quelle: Vorab-Pressekonferenz zur DOG 2024 am 01.10.2024

Bildquelle: ©Claudia Nass – stock.adobe.com

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