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Status quo, Vorteile und Herausforderungen: Ambulante Weiterbildung in der Augenheilkunde

Symbolbild ärztliche Weiterbildung

Status quo, Vorteile und Herausforderungen: Ambulante Weiterbildung in der Augenheilkunde

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mgo medizin

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Erschienen in: CONCEPT Ophthalmologie

Aus- und Weiterbildung im ambulanten Setting muss stärker in den Fokus – so die einhellige Meinung der Referenten einer Veranstaltung des Zentralinstitutes für die kassenärztliche Versorgung (ZI) im November 2023. Dafür spricht nicht nur, dass Versorgung schon heute weit überwiegend ambulant und es also sehr geboten ist, die nachwachsende Ärztegeneration darauf vorzubereiten. Zudem fallen mit der anstehenden Ambulantisierung Weiterbildungsmöglichkeiten in der stationären Versorgung weg. Ein Beitrag von Dr. Ursula Hahn.

Die fachärztlichen Fächer schauen mit Neid auf die Weiterbildung in der allgemeinärztlichen Versorgung. Die strukturierte ambulante Weiterbildung dort ist auch aus der Not geboren: Das stationäre Spektrum der (universitären) Krankenhausabteilungen für Allgemeinmedizin ist extrem klein und damit fehlen auch stationäre Weiterbildungsangebote. Ein wichtiger Grund für die starke allgemeinärztliche ambulante Weiterbildung ist sicher aber auch die im Vergleich zur fachärztlichen Versorgung bessere Finanzierung. Dr. Bernhard Gibis, Dezernent bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, erläuterte im Rahmen des Symposiums zu „ärztlicher Aus- und Weiterbildung im ambulanten Bereich“, dass Ärzte für eine Weiterbildung 5.400 Euro pro Monat – paritätisch von Kassenärztlicher Vereinigung (KV) und GKV finanziert – bekommen [1]. Die Weiterbildungskultur umfasse bei Ärztekammern oder KVen angesiedelte Koordinierungsstellen sowie unterstützende Kompetenzzentren an allgemeinmedizinischen Lehrstühlen. Das alles koste viel Geld, Gibis schätzt die Ausgaben auf rund eine halbe Milliarde Euro nur für allgemeinmedizinische Weiterbildung.

Die fachärztliche ambulante Weiterbildung kann weder finanziell noch organisatorisch mithalten. Über alle Fächer werden maximal 2.000 Weiterbildungsassistenten von KVen auf Antrag gefördert. Augenheilkunde gehört nach Kenntnisstand der Autorin in allen KVen zu den förderfähigen Fächern, die Förder beträge unterscheiden sich jedoch deutlich und sind nirgends so hoch wie in der Allgemeinmedizin. Einige KVen haben Regeln, die im Widerspruch zur Weiterbildungsordnung stehen: So hören wir z. B. von einer KV, die nur für rein konservative Kollegen den Förderbetrag für einen Weiterbildungs-Assistenten genehmigt. Auch die Praxis von Ärztekammern zur Genehmigung einer Weiterbildungsberechtigung ist in einigen Fälle restriktiv. In organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht sind weiterbildende Praxen weitgehend auf sich selbst gestellt. Gibis hält das allgemeinmedizinische System auch nicht für ausrollbar, das würde schlicht zu viel kosten.

Ambulante Weiterbildung ist auch bei Fachärzten im Aufwind

Trotz der unzureichenden Unterstützung hat die ambulante ärztliche Weiterbildung in der fachärztlichen Versorgung in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen [2]. Von 2015 bis 2020 stieg die Zahl der Weiterbildungsassistenten (nach Köpfen) insbesondere in der Versorgungsebene der allgemeinen fachärztlichen Versorgung, zu der auch die Augenheilkunde gehört (Abbildung 1). Die Steigerungsrate betrug hier 68 Prozent, gefolgt von der spezialisierten fachärztlichen Versorgung (u. a. Internisten mit Schwerpunkten) mit 41 Prozent und der gesonderten fachärztlichen Versorgung (u. a. Nuklearmediziner) mit 35 Prozent. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein großer Teil der Weiterbildungsassistenten in Teilzeit tätig ist, über alle Fächer hinweg braucht es für ein Vollzeitäquivalent (also eine volle Stelle) zwei Weiterbildungsassistenten.

Abb. 1: Kenngrößen zu ambulanter Weiterbildung.
* zur Versorgungsebene Allgemeine fachärztliche Versorgung gehören Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Orthopäden (mit Unfallchirurgen), ärztliche Psychotherapeuten, Urologen und Kinderärzte
** Kassenärztliche Bundesvereinigung, Statistische Daten aus dem Bundesarztregister, Tabelle 1, verschiedene Jahrgänge, www.kbv.de/html/bundesarztregister.php
*** Quelle: Vortrag B. Gibis beim ZI-Forum ärztliche Aus- und Weiterbildung, Berlin, 8.11.2023

Rund 40 Prozent der Weiterbildung im ambulanten ophthalmologischen Setting

Die Augenheilkunde in Krankenhäusern und Praxen/MVZ ist im Kanon der allgemeinen fachärztlichen Fächer Vorzeigekandidat für ambulante Weiterbildung, allerdings ist auch in unserem Fach noch viel Luft nach oben. Das bessere Standing bei ambulanter Weiterbildung ist nicht überraschend, es korrespondiert mit dem hohen Ambulantisierungsgrad und der großen Zahl von vertragsärztlichen Zentren mit großer Versorgungsbandbreite. Damit einher geht auch, dass vergleichsweise wenig Fachärzte stationär versorgen: Es sind gerade mal 13 Prozent der Ophthalmologen; die Bandbreite ansonsten bei Fächern der allgemeinen fachärztlichen Versorgung reicht von 26 Prozent (HNO) bis 69 Prozent (Neurologie) [3].

Ein Indikator für eine überdurchschnittliche ambulante Weiterbildung im Fach ist der Anteil der aktiv Weiterbildenden an allen Vertragsärzten ohne Ermächtigten (Abbildung 1): In der Augenheilkunde war 2020 rund jeder siebte ambulante Facharzt auch Weiterbilder, in der allgemeinen fachärztlichen Versorgung war es hingegen nur rund jeder zwölfte. Auch die Zahl der Weiterbildungsassistenten ist im Vergleich zu der Fachärztezahl in der ambulanten Versorgung in der Augenheilkunde deutlich höher.

Wie verteilen sich die ophthalmologischen Weiterbildungsassistenten auf stationäre und ambulante Settings? Laut der beim ZI-Symposium vorgestellten Daten waren 2020 die ambulanten Augenheilkunde-Weiterbildungen 498 Vollzeitäquivalente (also nicht Köpfe, sondern volle Weiterbildungsstellen) stark, laut der Qualitätsberichte der Krankenhäuser waren in den 118 ophthalmologischen Hauptabteilung im gleichen Jahr 780 Vollzeitäquivalente für Ärzte ohne Facharzt in der stationären Versorgung im Einsatz [4]. Rund 40 Prozent der Zeiten von Weiterbildungsassistenten entfallen damit auf die ambulante Versorgung, davon wieder der deutlich größere Teil auf die ambulante Versorgung an Krankenhäusern.

Vorteile der ambulanten Weiterbildung

In Anbetracht der fachübergreifend eher geringen Assistentenzahl in ambulanter Weiterbildung wundert es nicht, dass diese Option unter jungen Medizinern oft nicht bekannt ist. Dabei gibt es zahlreiche weiterbildende Praxen und nicht krankenhausgebundene MVZ, die üblicherweise nach Arztzahl groß sind, operativ und oft auch belegärztlich tätig. So bilden die dem OcuNet Verbund angeschlossenen Zentren alle weiter und verantworten so zusammen mit anderen großen Praxen und MVZ die Qualifizierung der nachwachsenden Augenarztgeneration. Weiterbildungsassistenten geben ihren ambulanten Weiterbildungsstätten schon seit Jahren in Evaluationen gute Noten [5]. Auf dem ZI-Symposium berichtete der Chef der Ärztekammer Westfalen-Lippe für mehrere Fächer – darunter auch die Augenheilkunde – von einer im Vergleich zur stationären Weiterbildung höheren Weiterempfehlungsbereitschaft (Abbildung 2 [7]). Weiterbildungsassistenten – so ebenfalls  das übereinstimmende Ergebnis von Befragungen – schätzen insbesondere die planbareren Arbeitszeiten und die bessere Work-Life-Balance [6].

Abb. 2: Evaluation der Weiterbildung – Ergebnisse einer Umfrage der Ärztekammer Westfalen-Lippe 2022, Quelle [7]

Die Wertung, dass das Leistungsspektrum vertragsärztlicher Weiterbildungsstätten kleiner als das stationärer Einrichtungen sei, ist sicher zu pauschal. Viele (große) weiterbildende Praxen und MVZ bilden nicht nur im ambulanten Setting die Bandbreite der Versorgung ab, über große Beleg- oder Hauptabteilungen vermitteln sie auch das Fachwissen in diesem Versorgungsbereich. Entscheidend sind immer die jeweilige Organisation und die Expertise der Ärzte – die Recherche lohnt sich auf jeden Fall. Die Lernbedingungen in der nicht krankenhausgebundenen Weiterbildung können auch aufgrund des besseren Verhältnisses von Weiterbildungsassistenten zu Fachärzten günstiger sein: In Praxen und MVZ ist ein 1:1-Verhältnis üblich (Abbildung 1), in Krankenhäusern und insbesondere an Universitäten entfallen oft zwei und mehr Assistenten auf einen Facharzt [8].

Interne und externe Weiterbildungsmaßnahmen

Anders als in der Allgemeinmedizin fehlt in den fachärztlichen Fächern ein Weiterbildungsbetriebsstätten-übergreifender organisatorischer und inhaltlicher Masterplan. Curricula aus einzelnen Weiterbildungsstätten werden selten veröffentlicht; aus Gesprächen mit Weiterbildungsassistenten und Weiterzubildenden in den Zentren des OcuNet Verbunds wissen wir jedoch von diversen internen Weiterbildungsmaßnahmen wie regelmäßigen Assistentenschulungen, individueller Planung des Durchlaufs durch die verschiedenen Weiterbildungsabschnitte und Vereinbarung von Lernzielen. Einige der Zentren haben Kooperationen mit (Universitäts-)Kliniken und organisieren so eigene Verbundweiterbildungen. Andere Zentren bieten die Bandbreite der Weiterbildungsinhalte  alle unter einem Dach. Wiederum andere mit vielen fachlich unterschiedlich ausgerichteten Standorten sehen dort jeweils Weiterbildungsabschnitte vor.

Externe Weiterbildungsmaßnahmen und insbesondere Vorbereitungskurse für die Facharztprüfung werden zum Beispiel im Rahmen der verschiedenen Kongresse angeboten. Der OcuNet Verbund organisiert seit zehn Jahren die sogenannten Camps, deren Curriculum sich an den Anforderungen der Weiterbildungsordnungen [9] orientiert und die interne Weiterbildung abrundet. Bei den akademisch geprägten Camps stehen ebenso theoretische Grundlagen des Fachs, Querschnittsthemen, wichtige klinische Felder oder seltenere ophthalmologische Leistungsbereiche auf der Agenda. Die Camps sind abendliche, monothematische und digitale Videositzungen unter der Woche, das Themenspektrum in 2024 umfasst unter anderem ophthalmologische Notfälle und Komplikationen, Ophthalmogenetik, medizinische Dokumentation und Gutachten, Mikrobiologie und Infektiologie, „Diabetische Retinopathie – ein Überblick“ sowie „Welche Premiumlinsen für welche Patienten?“ [10]. Eine Ärztekammer hat bestätigt, dass die Teilnahme auf die Weiterbildung angerechnet werden kann, wenn sich der Weiterbildungsbeauftragte vom Erfolg in einem Gespräch überzeugt hat. Der Anspruch der Zentren des OcuNet Verbunds ist, insgesamt einen Beitrag zu guter Weiterbildung zu leisten – daher sind die eCamps für alle Weiterbildungsassistenten (und gerne auch interessierte Fachärzte) geöffnet und können dank des Sponsoringbeitrags der Industrie kostenfrei angeboten werden. Dr. Stefanie Schmickler, Mitglied in der Programmkommission der eCamps, formuliert es so: „Wichtig ist, dass wir eine gute und breite Weiterbildung umsetzen, auch wir und unsere Nachkommen wollen im Alter gut versorgt sein.“

Ambulante Weiterbildungstärken

Nicht nur das schon heute überwiegend ambulante Leistungsspektrum und die zunehmende Ambulantisierung sprechen für mehr ambulante Weiterbildung. Wir brauchen auch schlicht mehr Weiterbildungsassistenten. Alle kennen die Prognosen zur demografischen Entwicklung in der Gesamtbevölkerung und in der Augenärzteschaft, alle wissen um den rasanten medizinischen Fortschritt, allen ist bewusst, dass die Produktivität des durchschnittlichen Augenarztes in der Zukunft sinkt. Konsequenzen: Die Nachfrage nach augenmedizinischen Leistungen nimmt zu, das Angebot wird kleiner [11]. Wir bräuchten deutlich mehr Facharztabschlüsse, tatsächlich aber stagniert deren Zahl [12]. Und wenn wir es schaffen, mehr junge Ärzte für das Fach zu begeistern, brauchen wir auch die zusätzlichen Weiterbildungskapazitäten – und die liegen in der ambulanten Versorgung. Die Zentren im OcuNet Verbund teilen die Einschätzung der Referenten der ZI-Veranstaltung: Es braucht neben mehr Bekanntheit, neben Aufräumen mit (Vor-)Urteilen, vielleicht auch neben mehr Engagement in Praxen und MVZ vor allem auch die richtigen organisatorischen und (KVeinheitlichen) finanziellen Eckdaten, um ambulante Weiterbildung in fachärztlichen Fächern voran zu bringen.

Referenzen:

1.         www.zi.de/service/veranstaltungen/detailansicht/aerztliche-aus-undweiterbildung-im-ambulanten-bereich

2.         www.zi.de/fileadmin/Downloads/Service/Veranstaltungen/Zi-Forum/Zi-Forum_Weiterbildung_2023–11–08_Gibis.pdf

3. www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Ueber_uns/Statistik/2021/2021_Statistik.pdf, Tabelle 3

4.         Berechnung: Strukturierte Qualitätsberichte der Krankenhäuser (www.g-ba.de/themen/qualitaetssicherung/datenerhebung-zur-qualitaetssicherung/datenerhebungqualitaetsbericht/), selektiert nach Augenheilkunde, Hauptabteilungen. Datenfeld B-[X].11.1: Die Zahl der Vollzeitäquivalente für Weiterbildungsassistenten wurde als Subtraktion der Gesamtzahl für Fachärzte von der der Ärzte ermittelt (www.g-ba.de/downloads/62–492–3257/Qb-R_2023–09–06_iK-2023–09–29.pdf)

5.         www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/Bundesrapport_2011.pdf

6.         www.hartmannbund.de/wp-content/uploads/2021/04/HB-Umfrageergebnisse_Ueberblickspraesentation.pdf

7.         Vortrag Dr. Gehlen im Rahmen des ZI-Symposiums am 8.11.2023 „Ärztliche Aus- und Weiterbildung im ambulanten Bereich“. www.zi.de/fileadmin/Downloads/Service/Veranstaltungen/Zi-Forum/Zi-Forum_Weiterbildung_2023–11–08_Gehlen.pdf

8.         www.zi.de/fileadmin/Downloads/Service/Veranstaltungen/Zi-Forum/Zi-Forum_Weiterbildung_2023–11–08_Gibis.pdf

9.         Hahn U. Neue Weiterbildungsordnung – mehr als nur ein fachliches Update. Concept Ophthalmologie 2022; 2: 38–41.

10.       www.ocunet.de/de/ocunet/ocunetverbund/weiterbildung.html

11.       Weißbuch zur Situation der ophthalmologischen Versorgung in Deutschland (2023) – dog.org Deutschland 2023: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG), München, 2023.

12. www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Ueber_uns/Statistik/2021/2021_Statistik.pdf, Tabelle 9

Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. rer. medic. Ursula Hahn / Geschäftsführerin OcuNet Verbund / Friedrichstr. 47 / 40217 Düsseldorf / zentrale@ocunet.de

Der Beitrag erscheint auch in der Printausgabe CONCEPT Ophthalmologie 09/2023.

Bildquelle: © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

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