Reicht die medikamentöse Behandlung eines Glaukoms nicht aus, stehen mehrere operative Verfahren zur Verfügung. Welcher Eingriff für welche Patientinnen und Patienten geeignet ist und warum dieser auch mit einer Kataraktoperation kombiniert werden kann, berichtete Prof. Dr. Verena Prokosch auf der Kongress-Pressekonferenz der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Die Europäische Glaukomgesellschaft (EGS) hat ein Weißbuch zur operativen Glaukomtherapie erstellt.
Mit rund 15 Prozent der Erblindungsfälle ist das Glaukom in Deutschland die zweithäufigste Ursache für den Verlust der Sehfähigkeit. Im Verlauf der Erkrankung gehen die Fasern des Sehnervs zugrunde, die das Sehsignal von der Netzhaut des Auges zum Gehirn leiten. Der einzig momentan behandelbare Risikofaktor hierfür ist ein erhöhter Augeninnendruck. Wie empfindlich der Sehnerv ist, ist dabei individuell verschieden. „Dieser Prozess bleibt oft lange unbemerkt“, sagte Glaukom-Spezialistin Prokosch vom Zentrum für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Köln.
Ist das Glaukom erst einmal diagnostiziert, kann der schleichende Sehverlust heute gut aufgehalten werden. Dabei kommen in der Regel zunächst Augentropfen zum Einsatz, die den Augeninnendruck regulieren. „Im Praxisalltag und in Studien zeigt sich jedoch, dass mindestens die Hälfte der Patientinnen und Patienten die Tropfen nicht konsequent täglich anwendet“, betont Prokosch. Gelinge die medikamentöse Drucksenkung aus diesem oder anderen Gründen nicht, müsse der Augeninnendruck per Laser oder durch eine Operation in Schach gehalten werden.
OP oft erst spät
Noch immer beobachtet die Kölner Augenärztin jedoch, dass diese Eingriffe, bei denen der Abfluss des Kammerwassers verbessert oder das produzierende Gewebe verödet wird, erst sehr spät im Verlauf der Erkrankung vorgenommen werden. „Hierzu tragen zum einen Vorbehalte der Patienten und Patientinnen bei, die zunächst ja keine Beschwerden haben und den invasiven Eingriff scheuen“, so Prokosch. Durch die Operation sei zudem keine Verbesserung des Sehvermögens zu erwarten, da einmal eingetretene Schäden nicht rückgängig gemacht werden könnten. Vorübergehend könne sich der Visus durch den Eingriff sogar verschlechtern.
Weißbuch zur operativen Glaukomtherapie
Aber auch auf ärztlicher Seite müssen sich die Praktizierenden erst einmal einen Überblick verschaffen, zu welchem Zeitpunkt operiert werden sollte und welche Technik im konkreten Fall geeignet ist. „Denn mittlerweile stehen mehr als ein Dutzend verschiedene Operationsmethoden zur Senkung des Augeninnendrucks zur Verfügung – darunter etliche minimalinvasive Verfahren, die den Abfluss des Kammerwassers durch die Implantation winziger Stents erleichtern“, berichtet Prokosch. Um den Überblick zu erleichtern, hat die Europäische Glaukomgesellschaft (EGS) nun ein Weißbuch zur operativen Glaukomtherapie erstellt, das in diesen Tagen veröffentlicht wird und Empfehlungen für die Wahl des individuell geeigneten Operationsverfahrens gibt.
Kombinationseingriff häufig vorteilhaft
„Fest steht jedoch, dass für Patientinnen und Patienten, die unter einem grünen Star in mildem Stadium leiden, die Operation des Grauen Stars ein guter Zeitpunkt ist, um gleichzeitig einen minimalinvasiven Glaukom-Eingriff vorzunehmen“, betont Prokosch. „Von einem solchen Kombinationseingriff, bei dem nicht nur die trübe Linse ausgetauscht, sondern auch der Kammerwasserabfluss durch einen Mikro-Stent verbessert wird, profitieren die Betroffenen deutlich.“ Im Ergebnis könne der Augeninnendruck zusätzlich um einige Einheiten reduziert werden. Andererseits sei es aber auch wichtig, bei fortgeschrittenen Fällen Operationsverfahren zu wählen, die den Druck noch stärker senken können – und so hoffentlich das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen können.
Viel Aufklärungsbedarf
Über diese Möglichkeiten sollten Betroffene ärztlicherseits informiert werden – oder aber selbst aktiv danach fragen. Denn: „Hier besteht noch viel Aufklärungsbedarf“, resümiert Prokosch. Mit der Wahl des richtigen Operationsverfahrens zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Krankheitsstadium könne es der modernen Medizin jedoch gelingen, den Betroffenen deutlich mehr sehende Jahre zu schenken.
Quelle: DOG-Pressekonferenz am 28.08.2023 in Berlin
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