Ophthalmologie » Onkologische Ophthalmologie

»

Augentumoren: Früh erkannt inzwischen besser heilbar

Gerät zur Protonentherapie

Augentumoren: Früh erkannt inzwischen besser heilbar

Praxiswissen

Ophthalmologie

Onkologische Ophthalmologie

mgo medizin

mgo medizin

Autor

5 MIN

Erschienen in: CONCEPT Ophthalmologie

Tumoren im Auge sind zwar selten, können jedoch unerkannt zum Tode führen. Der häufigste bösartige Tumor – das Aderhautmelanom – tritt meist im höheren Lebensalter auf. Bei Kindern bilden sich maligne Tumoren dagegen meist als Retinoblastome aus den Netzhautzellen. In den vergangenen Jahren konnten erhebliche Fortschritte in der Behandlung beider Tumorarten dank besserer Frühdiagnostik und Therapieoptionen erzielt werden.

Wie die Heilungsaussichten bei diesen Tumorarten konkret aussehen und welche Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten derzeit bestehen und künftig möglich sein könnten, erläuterte Prof. Dr. Nikolaos Bechrakis, Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) und Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Essen auf der Vorab-Pressekonferenz zum DOG-Kongress 2023.

Aderhautmelanom bei Erwachsenen

Bei Erwachsenen handelt es sich um meist bräunlich pigmentierte Melanome der Aderhaut, mit einer Häufung zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr. In Deutschland sind jährlich circa 600 bis 700 Patientinnen und Patienten betroffen. Bemerkbar machen sich Aderhautmelanome meist durch eine Verschlechterung des Sehvermögens, können aber auch über Monate unentdeckt bleiben, denn sie sind im Anfangsstadium fast nie schmerzhaft und die Symptome können von den Betroffenen längere Zeit unbemerkt oder unbeachtet bleiben. Fortgeschrittene beziehungsweise aggressive Aderhautmelanome können über die Blutbahn metastasieren und befallen dann meist die Leber.

Die Früherkennung von Aderhautmelanomen ist sehr wichtig, um die bestmöglichen Heilungschancen sowohl für den Augen- und Seherhalt zu ermöglichen, aber auch für die Vermeidung der Fernmetastasierung und der damit verbundenen Sterblichkeit. Die Früherkennung kann nur durch eine gründliche Untersuchung und Dokumentation des Augeninneren erfolgen und hierzu sind speziell entwickelte Weitwinkelfotoapparate des Augenhintergrundes sehr hilfreich. Es ist absehbar, dass in naher Zukunft auch Blutuntersuchungen zur Früherkennung von Risikofaktoren zur Anwendung kommen werden. Erste Pilotstudien konnten dies bestätigen.[1]

Zur Therapie des Aderhautmelanoms hat die Augenheilkunde in enger interdisziplinärer Kooperation mit der Strahlentherapie in den letzten Jahrzehnten sehr große Fortschritte beim Erhalt des Sehvermögens erzielen können.[2] Dabei kommen sehr stark gebündelte Bestrahlungstechniken des Auges zur Anwendung, bei denen möglichst die für das Sehvermögen kritischen Strukturen wie der Sehnerv und die Makula geschont werden können. Die Strahlen werden entweder stark gebündelt ins Auge projiziert oder als hochkonzentrierte Kontaktbestrahlung angewendet. Im ersten Fall ist die Protonentherapie durch ihre physikalischen Eigenschaften ideal geeignet, wogegen bei der Kontaktbestrahlung meist das Radioisotop Ruthenium zur Anwendung kommt. Die lokale Tumorkontrolle beträgt circa 95 Prozent und bei über 80 Prozent der Betroffenen kann das erkrankte Auge mit einem nützlichen Sehvermögen erhalten bleiben.

Die größte Herausforderung für die kommenden Jahre besteht in der Reduktion der Sterblichkeit in den fortgeschrittenen und aggressiven Ausprägungen des Aderhautmelanoms. Auch hierbei hat es kürzlich einen Fortschritt durch die Verlängerung des mittleren Überlebens um circa sechs Monate bei Patientinnen und Patienten mit metastasierten Aderhautmelanomen gegeben.[3] Weitere vielversprechende Studien zur medikamentösen Reduktion und lebensverlängernden Therapie sind aktuell in Planung.

Retinoblastom bei Kindern

Das Retinoblastom ist der häufigste bösartige Tumor des Augeninneren bei Kindern mit jährlich circa 60 Neuerkrankungen in Deutschland und über 8.000 weltweit. Durch die Früherkennung und zahlreiche gezielte individualisierte Therapiemöglichkeiten konnten in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte in der Behandlung erzielt werden. Somit konnte die Sterblichkeit in den industrialisierten Ländern auf unter 5 Prozent gesenkt werden und ein Sehvermögen bei über 70 Prozent der Kinder erhalten werden. Im Gegensatz dazu liegt die Sterblichkeit in Entwicklungsländern immer noch bei circa 50 Prozent.[4] Sozioökonomische Faktoren, die den Zugang zum Gesundheitssystem erschweren, sind hierzu ausschlaggebend und sowohl für die Früherkennung als auch für die adäquate Nachsorge hinderlich.

Die interdisziplinäre enge Abstimmung und Kooperation von Augenheilkunde, pädiatrischer Onkologie, Neuroradiologie, Strahlentherapie, Genetik und Pathologie sind bei der bestmöglichen Therapie des Retinoblastoms ausschlaggebend und können durch moderne telemedizinische Systeme (z.B. Videokonferenzen) unterstützt werden. Erste Studien zeigen, dass die Diagnose und eventuell auch Therapieentscheidungen durch die Identifikation von im Blut zirkulierender spezifischer Tumor-DNA (ctDNA) beeinflusst werden können.[5–7] Ob dies einen Einfluss auf das Überleben und die Lebensqualität der Betroffenen haben wird, muss noch erarbeitet werden.

Literatur:

1.         Le Guin CHD, Bornfeld N, Bechrakis NE, et al. Early detection of metastatic uveal melanoma by the analysis of tumor-specific mutations in cell-free plasma DNA. Cancer Med 2021; 10(17): 5974-5982.

2.         Bechrakis NE, Bornfeld N, Heindl LM, Skoetz N, Leyvraz S, Joussen AM. Uveal Melanoma – Standardised Procedure in Diagnosis, Therapy and Surveillance. Klin Monbl Augenheilkd 2021; 238(7): 761-772.

3.         Nathan P, Hassel JC, Rutkowski P, et al. Overall Survival Benefit with Tebentafusp in Metastatic Uveal Melanoma. N Engl J Med 2021; 385(13): 1196-1206.

4.         Global Retinoblastoma Study Group. The Global Retinoblastoma Outcome Study: a prospective, cluster-based analysis of 4064 patients from 149 countries. Lancet Glob Health 2022; 10(8): e1128-e1140.

5.         Im DH, Pike S, Reid MW, et al. A Multicenter Analysis of Nucleic Acid Quantification Using Aqueous Humor Liquid Biopsy in Retinoblastoma: Implications for Clinical Testing. Ophthalmol Sci 2023; 3(3): 100289.

6.         Li HT, Xu L, Weisenberger DJ, et al. Characterizing DNA methylation signatures of retinoblastoma using aqueous humor liquid biopsy. Nat Commun 2022; 13(1): 5523.

7.         Ghose N, Kaliki S. Liquid biopsy in Retinoblastoma: A review. Semin Ophthalmol 2022; 37(7-8): 813-819.

Quelle: Vorab-Online-Pressekonferenz zur DOG 2023 am 21.09.2023

DOG-Terminhinweis:

Symposium der Sektion DOG-Ophthalmologische Onkologie:

Best Care – Diagnostik- und Versorgungsstrategien bei Augentumoren

Freitag, 29. September 2023, 16:45–18:00 Uhr, Raum 2

Foto: Universitätsklinik Essen

Schlagworte zu diesem Beitrag

Ein Beitrag von

mgo medizin

mgo medizin

Autor

Autor des Beitrags

Weitere Beiträge zu diesem Thema

Team im OP bei Operation

Mikrochip-Implantat verbessert Sehvermögen bei AMD

News

Mit Hilfe eines implantierbaren Mikrochips konnte bei Patienten mit geographischer Atrophie – einer schweren Spätform der AMD – erstmals das zentrale Sehvermögen teilweise wiederhergestellt werden.

Ophthalmologie

Hinterer Augenabschnitt

Beitrag lesen
Logo Fielmann Akademie Schloss Plön

Internationale Expertenrunde zum Keratokonus

Kongressberichte

Das 67. Fielmann Akademie Kolloquium diskutierte gemeinsam mit der European Academy of Optometry and Optics (EAOO) den State-of-the-art der Keratokonus-Behandlung.

Ophthalmologie

Vorderer Augenabschnitt

Beitrag lesen
Sehtest am Gerät mit einer Optikerin und einer Kundin.

Augenoptiker-Verband ZVA fordert Reform der Sehhilfenversorgung

Berufspolitik

Der ZVA plädiert für eine transparente Lösung: Den gesetzlich Versicherten soll künftig eine auskömmliche Pauschale in Form eines Festzuschusses für die Anschaffung einer Sehhilfe gewährt werden.

Ophthalmologie

Sonstiges

Beitrag lesen