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Die Ära der endoskopischen Steintherapie – Technische Innovationen in der Ureterorenoskopie

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Die Ära der endoskopischen Steintherapie – Technische Innovationen in der Ureterorenoskopie

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8 MIN

Erschienen in: UroForum

Roman Herout, Sven Oehlschläger

Zahlreiche Innovationen auf dem Gebiet der Endourologie haben die interventionelle Steintherapie in den letzten 15 Jahren sehr verändert. Dies hat weltweit zum verstärkten Einsatz von endourologischen Verfahren zur Harnsteintherapie mit einer gleichzeitigen Abkehr von der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) geführt. Die Ureterorenoskopie (URS) ist heute das am häufigsten eingesetzte Verfahren, um Harnsteine zu therapieren. An dieser Stelle sollen kurz bisherige Entwicklungen zusammengefasst und ein Ausblick auf in Implementierung befindliche Innovationen gegeben werden.

Symbolbild © Pepermpron – stock.adobe.com
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Hintergrund

Lange Zeit war die offen-operative Therapie die einzige Möglichkeit, Steine aus dem Harntrakt zu entfernen. Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden erste endoskopische Entfernungen von Harnblasensteinen möglich [1]. Hinsichtlich der Harnleitersteine stand für die offen chirurgisch praktizierte Ureterolithotomie (Bardenheuer, 1881) mit der Entwicklung einer speziellen Schlinge zur Extraktion von Harnleitersteinen im Jahr 1938 durch Ludwig Zeiss (Zeiss‘- Schlinge) erstmals eine Alternative zur Verfügung [2].

Durch Verbesserungen von speziellen Lichtleitern (Glasfasern) und der Miniaturisierung gelang es in den 1980er Jahren Endoskope zu entwickeln, mit denen der obere Harntrakt gespiegelt werden konnte. Nachteil war, dass die damaligen Ureterorenoskope mit der Option der Steinextraktion noch einen sehr großen Durchmesser (Ch. 11 bzw. 13) aufwiesen. Somit war die URS zum damaligen Zeitpunkt, allein aufgrund der Größe der Geräte, wesentlich invasiver, da das Ostium regelhaft bougiert oder inzidiert werden musste und die Geräte einen unveränderten Schaftdurchmesser über die gesamte Instrumentenlänge besaßen, im Gegensatz zur konischen Form der modernen URS-Geräte. Weitere Fortschritte zur Komplettierung der ureterorenoskopischen Steintherapie stellten die Einführung des Lithoklasten als pneumatisches System sowie der Sonotrode als Ultraschall-basiertes System dar. Diese Fragmentierungsmethoden wurden vorrangig für distale Harnleitersteine, unter Ausnutzung des anatomisch vorhandenen Widerlagers des distalen Harnleiters, eingesetzt.

Die erste flexible Ureterorenoskopie (fURS) gelang 1964 Herrn Viktor F. Marshall, als er mit einem flexiblen Bronchoskop den Harnleiter spiegelte [3]. Die Entwicklung der heute im klinischen Alltag eingesetzten modernen flexiblen URS-Geräte mit Arbeitskanal sowie aktiver Steuerung mit Deflexion der Spitze nahm in den 1980er Jahren ihren Anfang [4].

Da die URS noch in den Kinderschuhen steckte und die Technik der perkutanen Nephrolitholapaxie (PCNL) durch Alken erst 1981 implementiert wurde, war das Aufkommen der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (Chaussy, 1980) eine Revolution in der Steintherapie, da sich die Patienten keiner invasiven Steintherapie mehr unterziehen mussten [5]. Die anfängliche Dominanz der Methode kam im weiteren Verlauf jedoch zum Stillstand.

Exkurs zur Laserlithotripsie

Ebenfalls in den 1980er Jahren wurde der Holmium:Yttrium Aluminum Garnet (Ho:YAG) Laser entwickelt, jedoch erst 1995 erstmals für die Fragmentation von Harnsteinen eingesetzt. Dabei wurde der Mechanismus der Energieabsorption in Wassermolekülen in den Rissen und Poren von Steinen genutzt, um so Konkremente zu fragmentieren [6, 7]. In den Anfängen dieser Lasernutzung stellte die Retropulsion der Steinfragmente, insbesondere für die Therapie der blockierenden mittleren und proximalen Harnleitersteine bei konsekutiv dilatiertem Hohlsystem, ein klinisch relevantes Problem dar. Um die Lithotripsie und Extraktion der in die Niere gepushten Steine in einem Eingriff zu erreichen, wurde vor allem in spezialisierten Steinzentren die fURS forciert. Heutzutage ermöglichen moderne Laser zur optimalen Lithotripsie der Steine eine individuelle Feinjustierung des Laserimpulses, so dass mittels niedriger Energie und hoher Pulsfrequenz feinere Fragmente und mit hoher Energie und niedriger Pulsfrequenz größere Fragmente, entsprechend der mineralischen Härte des zu behandelnden Steines, entstehen [8].

Flexible URS – Reusable vs. Single-use Geräte

Mitte der 2000er Jahre gelang dann mit der Einführung von digitalen Bildsensoren auf den Ureterorenoskopen ein weiterer Meilenstein in der fURS. Diese Bildsensoren konnten so weit miniaturisiert werden, dass sie an der Spitze des Gerätes verbaut werden konnten. Die Industrie formte hierfür den Begriff „chip on the tip“. Auf diese Weise gelang es, die Ergonomie der Endoskope zu verbessern (keine schwere Kamera am Ende des fURS-Gerätes) und die Bildqualität durch digitale Aufwertung des Bildes mit Unterdrückung unerwünschter Farbelemente zu optimieren.

Insgesamt sind die fURS-Geräte im Vergleich zu den semirigiden URS wesentlich fragiler und Schäden an der Spitze durch Hitze im Rahmen einer Steinlaserung sowie Schäden am Mantel des Gerätes führen zu hohen Reparaturkosten [9]. Folglich wurden Geräte für den Einmalgebrauch entwickelt und 2015 erstmals für die Anwendung am Menschen zugelassen. Die Vorteile der single-use Instrumente liegen vor allem in der universellen Verfügbarkeit und der Einsparung der Reparatur- und Sterilisationskosten. Die Funktion der Einmalgeräte kann intraoperativ technisch und zeitlich unlimitiert ausgenutzt werden (u. a. Arbeiten bei voller Flexion mit risikoreicher Laserposition – nahe an der Gerätspitze), da das Gerät nach dem Einsatz ohnehin verworfen wird. Dies ermöglicht eine hohe Desintegrations- und Erfolgsrate, vor allem auch beim Einsatz in komplexen Hohlsystemen. Seit 2015 drängen immer mehr Hersteller auf den enorm anwachsenden Markt für diese fURS-Einmalgeräte.

Dusting als Gamechanger in der Steinfragmentierung

Das Konzept der fURS für größere Steinmassen ist, im Gegensatz zur PCNL, auf eine komplette klassische perioperative Steinfreiheit zu verzichten. Nach Fragmentierung der Harnsteine in größere Fragmente müssten diese theoretisch sehr mühevoll und zeitaufwändig in vielen Arbeitsgängen mittels Steinfangkörbchen extrahiert werden. Das Konzept des sogenannten „Dusting“ eines Konkrementes, also die Fragmentierung in winzigste Bruchstücke, wurde durch die Einführung der Laserlithotripsie wissenschaftlich untersucht [10]. Die Größe der Bruchstücke liegt dabei deutlich unter der Größe der klinisch signifikanten Restkonkremente, die für eine klinisch relevante Rezidivsteinbildung verantwortlich sind.

Ein vermeintlich signifikantes Restfragment bei einer kurzfristig anberaumten, postoperativen Bildgebung kann daher, durch die Sinterung der Bruchstücke in einem präformierten Hohlraum, fehlgedeutet werden. Das Vorhandensein eines signifikanten Restkonkrementes ist daher erst ab > 3 Monaten röntgenologisch fundiert dokumentierbar. Neben dem klassischen Dusting wurden diverse Abwandlungen in die klinische Praxis implementiert. Hier sei vor allem das sogenannte „Pop-dusting“ oder „Popcorning“ erwähnt, wo die Laserfaser in einer fixierten Position nahe den Steinfragmenten, idealerweise in einem engen Kelch, gehalten und durch Modulation der Einstellungen eine rasche Zerkleinerung der Fragmente in kleine Bruchstücke, bestenfalls < 250 µm, erfolgt [11, 12].

Neben dem Ho:YAG hat sich mit der Markteinführung des Thulium-Faserlasers (TFL) im Jahr 2019 ein zweiter Laser in der Steintherapie etabliert. Der TFL kann mit einer höheren Frequenz betrieben werden, wodurch ein noch besseres Dusting der Harnsteine erfolgen kann. In einer rezenten Metaanalyse mit systematischem Review konnte dem TFL eine Nicht-Unterlegenheit in Bezug auf die Steinfreiheitsrate (SFR) attestiert werden bei signifikant geringerer intraoperativer Komplikationsrate. Hinsichtlich der Operationszeit, der Laserzeit sowie der Gesamtkomplikationsrate konnten keine signifikanten Unterschiede gefunden werden [13].

Moderne (f)URS

Durch die oben angeführten technischen Innovationen stellt die URS heutzutage eine Option für nahezu sämtliche Steine im Hohlsystem dar und die Grenzen hinsichtlich Steingröße werden immer weiter nach oben korrigiert, wodurch naturgemäß eine Konkurrenz zur PCNL entsteht. Diese ist vor allem auch in der modernisierten Variante (mini, micro-PCNL, tubeless) ein wesentlicher Bestandteil im Armamentarium der modernen Endoskopiker.

Im klinischen Alltag kommt es durch die verbesserte und breiter eingesetzte CT Diagnostik zur einer erhöhten Anzahl von elektiv zu sanierenden Patienten mit Steinen < 10 mm. Zwangsläufig wird damit die fURS als einfach anzuwendende und wenig invasive Methode der Steinsanierung im klinischen Alltag noch mehr in den Vordergrund gerückt. Die breit verfügbaren und kostengünstigen Einmalgeräte werden diesen Trend noch beschleunigen. Bei allem Fortschritt der fURS haben aktuelle Daten allerdings gezeigt, dass sich mehr als 10 % der Patienten nach erfolgter URS einem weiteren Eingriff aufgrund eines Restkonkrementes unterziehen müssen [14].

Absaugung – ein weiterer „Gamechanger“ in der flexiblen URS?

Eine rezente Innovation, die eine weitere Erhöhung der SFR ermöglichen könnte, ist die Verbindung einer Harnleiterschleuse mit einer Absaugung. Dadurch können kleinste Steinfragmente bzw. „Dust“ direkt abgesaugt werden, und so die SFR erhöht, die Sicht verbessert und der intrarenale Druck verringert werden. Erste Erfahrungen erbrachten eine exzellente SFR von > 95 % bei einer Reinterventionsrate von < 3 % [15]. Neben den Harnleiterschleusen mit Absaugung steht mittlerweile auch ein flexibles Einmal-URS Gerät mit integrierter Absaugvorrichtung zur Verfügung.

Die Erniedrigung des intrarenalen Drucks hat hochwahrscheinlich auch positive Effekte in Hinblick auf infektiöse Komplikationen, da ein Zusammenhang zwischen erhöhtem Druck in der Niere und ebendiesen besteht [16]. Hierbei sei erwähnt, dass mittlerweile ebenfalls ein fURS-Gerät entwickelt wurde, welches den intrarenalen Druck in Echtzeit während der fURS messen kann. Durch diese Druckmessung könnten in Zukunft Referenz- bzw. auch Grenzwerte definiert werden, wodurch bei Nichtüberschreiten gegebenenfalls postoperative Infektionen nach fURS minimiert und die Patientensicherheit noch weiter erhöht werden könnte.

Fazit

Die Technik der URS ist für den klinischen Routineeinsatz ausgereift. Der Einsatz der fURS an Patienten setzt das Wissen um das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten (Gesundheitsstatus der Patienten, Steingröße / Steinlokalisation, technischer Stand des URS / Lithotripsiesystems) voraus.

Es muss klar sein, dass jegliche operative Steinsanierung die Therapie eines Symptoms darstellt. Die Behandlung der Steinerkrankung setzt sich aus der Steinentfernung, der Steinanalyse und der Nachsorge im Sinne einer Metaphylaxe zusammen. Die Anbindung von Hochrisiko-Steinpatienten an ein Steinzentrum bzw. eine spezielle Ambulanz ist geboten. 

Literatur unter www.uroforum.de

Dr. med. Roman Herout
Klinik und Poliklinik für Urologie
Technische Universität Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
E-Mail: roman.herout@ukdd.de

Korrespondenzadresse:
Dr. med. Roman Herout
Klinik und Poliklinik für Urologie
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