Die Forderung der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ nach mittel- bis langfristiger Abschaffung der sogenannten „Doppelten Facharztschiene“ hat in der Deutschen Gesellschaft für Urologie erhebliche Unruhe erzeugt. Die Fachgesellschaft will sich keinesfalls damit abfinden, von Lauterbach & Co. aufs Abstellgleis der Versorgung geschoben zu werden.
Nach Recherchen von „Uroskop“ und „UroForum“ wächst die Gewissheit im DGU-Vorstand, dass Urologinnen und Urologen bereits heute als Grundversorger im Gesundheitssystem angesehen werden müssen. Das ehemalige DGU-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Speck brachte es gegenüber der Redaktion auf den Punkt: „Insofern könnte auch der Urologe/die Urologin als Primärarzt gesehen und seine/ihre Position im Gesundheitssystem gestärkt – wie bei Hausärzten Honorarzuschläge, Entbudgetierung usw.) – und der hausärztliche Sektor entlastet werden.“ Insbesondere in der Andrologie und Geriatrie, aber auch in der Metaphylaxe des häufigen Harnsteinleidens finden sich laut Dr. Speck „urologische und andere Symptome, die eine weitere fachärztliche Abklärung anstoßen“. Diese Auffassung teilt auch DGU-Vorstandsmitglied Prof. Frank König, Co-Vorsitzender im Ressort Wissenschaft und Praxis: „Es darf die Überlegung angestellt werden, ob der Urologe nicht schon jetzt als Grundversorger in einer Lotsenposition fungiert.“

Urologen sind Fachärzte für Männer und mehr
Längst hat sich nach Ansicht von Prof. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär und Sprecher des DGU-Vorstands, herausgestellt, dass die Urologie aus dem Bereich der Grundversorgung nicht mehr wegzudenken ist. „Was der Frauenarzt für die Frau, ist der Urologe für den Mann – und weit mehr!“ Demographischer Wandel und die Zunahme altersbedingter und Krebserkrankungen führen im nächsten Jahrzehnt zu einer Steigerung des Leistungsbedarfes im Fachgebiet Urologie um ca. 30 %. „Damit ist die Fachgruppe zusammen mit der Onkologie am meisten im Fokus der Leistungserwartung im deutschen Gesundheitswesen. Diese Herausforderung verschärft sich durch Attraktivitätsverlust der medizinischen Berufe, durch Nachwuchsmangel und durch flexible Arbeitszeitmodelle“, betont Prof. Michel.

Wartezeiten verlängern sich ins Unendliche
Bereits heute haben die akuten Versorgungsprobleme Auswirkungen auf die urologische Praxis. „Interne Leistungsreserven und Effizienzsteigerungen sind ausgeschöpft; Wartezeiten auf dringend notwendige Operationen und Prozeduren verlängern sich seit der Coronapandemie“, schildert Dr. Speck den Alltag. Nur eine jahrzehntelang gewachsene Arbeitsteilung von Praxis- und Klinikurologie – fälschlich als doppelte Facharztschiene bezeichnet – konnte in der Vergangenheit den Anforderungen gerecht werden. Dies sei die einzig denkbare Basis für die urologische Versorgung der Zukunft. DGU-Vorstandsmitglied Prof. König betrachtet den niedergelassenen Urologen als eine wesentliche Stütze. „Nur die Struktur der freiberuflich organisierten Praxis“, so der Berliner niedergelassene Urologe, „ermöglicht die Versorgung, Koordinierung und Strukturierung komplexer Behandlungspfade.“
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie weiß die Errungenschaften für die Versorgung urologischer Patient(inn)en in Deutschland zu schätzen und warnt eindringlich davor, politische und ideologische Pläne zu entwickeln, die am Ende nur jenen schaden: den Patientinnen und Patienten.

BvDU: „Es gibt keine doppelte Facharztschiene“
Der Begriff einer doppelten Facharztschiene ist eine sprachliche Geburt, deren Ausgangspunkt auch nach Auffassung des Berufsverbands der Deutschen Urologie (BvDU) jeglicher Grundlage entbehrt. Es gebe in Deutschland keine „doppelte Facharztschiene. Aus Verbandssicht seien die in Deutschland existierenden Wege der ärztlichen Versorgung als komplementär zu sehen; sie ergänzten sich zu einer Einheit. „Ein Vorschlag, der vollkommen an der Realität in der Praxis und der gesetzlichen Grundlage in der ambulanten Versorgung vorbeigeht“, so Dr. Axel Belusa, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Urologie. Zur ausreichenden ambulanten Versorgung durch Vertragsärzte gehöre, dass diese wohnortnah erfolgen müsse und es hierfür grundversorgende Ärzte im ambulanten medizinischen Bereich geben müsse.

Unter die Grundversorger subsumiert der BvDU neben den Hausärzten auch bestimmte Facharztgruppen wie die Urologie. Gerade in der Urologie funktioniere auch die sektor-übergreifende Versorgung hervorragend. Die Urologie sei stark in den Hybrid-DRG vertreten; zudem seine viele Urologinnen und Urologen belegärztlich tätig. Dr. Peter J. Goebell, erster Vizepräsident des Berufsverbands der Deutschen Urologie, betont: „Es bleibt zu hoffen, dass bald bessere Reformansätze vorgelegt werden. Sonst schlägt die bereits begonnene Vernichtung von Existenzen von ambulanten vertragsärztlichen Praxen mit voller Wucht weiter zu.“
Der Berufsverband stellt sich außerdem gegen den Beschluss für ein Primärarztsystem, für das sich der Deutsche Ärztetag in Mainz ausgesprochen hat. Zudem lehnt der Berufsverband die Hausarztzentrierte Versorgung sowie das von der KBV lancierte Bonussystem ab. Eine Überbeanspruchung des Systems könne dadurch verhindert werden, dass der Mehrfachbesuch bei mehreren Ärzten gleicher Fachrichtung beschränkt würde und zudem der Zugang zu fachspezifischen Notaufnahmen begrenzt werde.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum
Bildquellen:© DGU, Runkel, Privat, BvDU



