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Update zur medikamentösen Therapie des Nierenzellkarzinoms von der ASCO GU 2024

Neue Daten vom SCO GU 2024 zeigen robuste Vorteile von Kombinationstherapien in Bezug auf progressionsfreies Überleben, Gesamtüberleben und Ansprechraten. (Symbolbild © Adobestock – Андрей К)

Update zur medikamentösen Therapie des Nierenzellkarzinoms von der ASCO GU 2024

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Nierenzellkarzinom

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6 MIN

Erschienen in: UroForum

Yahor Katayeu, Boris Hadaschik, Christopher Darr, Viktor Grünwald

Das Nierenzellkarzinom zählt in Deutschland zu den selteneren Krebserkrankungen (ca. 3 % aller Fälle) [1]. Im Jahr 2020 wurden etwa 14.160 Neuerkrankungen verzeichnet, wobei Männer fast doppelt so häufig betroffen waren wie Frauen [2]. Die meisten Tumoren werden im organbegrenzten Stadium entdeckt und können durch eine operative Therapie geheilt werden. Das Auftreten von Metastasen geht jedoch mit einer ungünstigen Prognose einher und erfordert medikamentöse Behandlungen. Das mediane Überleben liegt heute bei über 50 Monaten, abhängig von verschiedenen Prognosefaktoren. In den letzten Jahren konnten sich die Kombinationstherapien als Standard in der ersten Linie durchsetzen. Die aktuellen Daten zeigen in der Langzeitnachbeobachtung robuste Vorteile einer kombinierten Therapie gegenüber einer Monotherapie und unterstützen dieses Therapieprinzip. In diesem Artikel fassen wir den aktuellen Stand der Therapie zusammen.

Neue Daten vom SCO GU 2024 zeigen
robuste Vorteile von Kombinationstherapien in Bezug auf progressionsfreies Überleben, Gesamtüberleben und Ansprechraten.
(Symbolbild © Adobestock – Андрей К)
Neue Daten vom SCO GU 2024 zeigen
robuste Vorteile von Kombinationstherapien in Bezug auf progressionsfreies Überleben, Gesamtüberleben und Ansprechraten.
(Symbolbild © Adobestock – Андрей К)

Langzeitdaten zum Gesamtüberleben und progressionsfreiem Überleben

Keynote 426

Die Daten der Keynote 426 wurde auf dem ASCO 2023 aktualisiert. Auf dem ASCO 2024 wurden keine neuen relevanten multizentrischen Daten vorgestellt: Die progressionsfreie Überlebensrate unter der Therapie mit Pembrolizumab + Axitinib ist auch nach 5 Jahren signifikant besser als unter einer Monotherapie mit Sunitinib (18,3 % vs. 7,3 %). Die Gesamtüberlebensrate betrug nach 5 Jahren 41,9% bei Pembrolizumab + Axitinib gegenüber 37,1% im Vergleichsarm mit Sunitinib. Die objektiven Ansprechraten (Gesamtansprechen auf die Erstlinientherapie) unterstreichen diesen Vorteil von Axitinib plus Pembrolizumab gegenüber der Monotherapie mit Sunitinib (60,6 % vs. 39,6 %) [3].  

Checkmate 214

CM214 war die erste Studie, in der eine Kombinationstherapie getestet wurde. Es wurden Ipilimumab und Nivolumab mit der alten Standardtherapie Sunitinib verglichen. Beim ASCO GU 2024 wurden erstmalig Studiendaten mit einer Nachbeobachtungszeit vom 8 Jahren vorgestellt. Auch unter dieser sehr langen Nachbeobachtung zeigte die kombinierte Immuntherapie (Nivolumab plus Ipilimumab) eine anhaltende Überlegenheit gegenüber der Monotherapie mit Sunitinib. Die Gesamtüberlebensrate nach 8 Jahren in der Gruppe mit intermediate/poor Risk lag bei 32,9 % (Ipilimumab und Nivolumab) vs. 22 % für die Monotherapie mit Sunitinib. Bei den Patienten mit günstiger Prognose (favorable Risk Group) betrugen die jeweiligen Werte nach 8 Jahren 42,8% vs. 34,4 % zugunsten der kombinierten Therapie. Bislang ist die Kombination von Ipilimumab und Nivolumab nicht für Betroffene mit günstigem Risikoprofil zugelassen, aber die aktuellen Daten lassen auch für diese Patientenkohorte die Monotherapie mit Sunitinib in den Hintergrund treten [4].

Checkmate 9ER

Eine weitere aktuelle Standardtherapie ist die Kombination von Nivolumab plus Cabozantinib, die ebenfalls mit der Monotherapie mit Sunitinib verglichen wurde. Die Nachbeobachtungszeit des aktuellen Updates lag bei 55,6 Monaten und konnte wie bei den anderen Kombinationsstudien einen robusten Vorteil der kombinierten Therapie zeigen. So lag die Progressionsfreiheit bei 16,4 vs. 8,4 Monat (bei einer Hazard- Ratio 0,58) und die Gesamtüberlebensrate betrug 46,5 vs. 36,0 Monate bei der Behandlung mit der Kombination Nivolumabplus Cabozantinib vs. Sunitinib-Monotherapie. Das Tumoransprechen war unter der Kombination ebenfalls signifikant verbessert (55,7 % vs. 27,7 %) [5].

CLEAR

Die CLEAR-Studie hat die Vorteile einer Kombinationstherapie mit Lenvatinib plus Pembrolizumab vs Sunitinib-Monotherapie untersucht. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 4 Jahren konnte auch diese Kombination deutliche Vorteile bei der Progressionsfreiheit (23,9 % vs. 9,2 %) und dem Gesamtüberleben zeigen (HR 0,47). Die 4-Jahresüberlebensraten waren in beiden Armen ähnlich (53,7 % bei Lenvatinib plus Pembrolizumab vs. 54,3 % bei Sunitinib), allerdings muss angemerkt werden, dass der Monotherapiearm im historischen Vergleich sehr gut abschneidet und auch das erste Mal ein medianes Gesamtüberleben von 53,7 Monate zeigen konnte. Die Kombinationstherapie mit Lenvatinib plus Pembrolizumab hat die bislang besten Daten zum Gesamtansprechen zeigen können (18,3 % CR und 53 % PR – insgesamt 71,3 %) und setzt damit eine neue Benchmark in der Wirksamkeit der Systemtherapie.

JAVELIN Renal 101 und JAVELIN Renal 100

Beide Studien wurden nicht separat beim ASCO GU 2024 diskutiert. Vollständigkeitshalber und aufgrund der zugelassenen Therapie- Option führen wir diese Studie auch in diesem Beitrag auf. Aktuell liegen uns die Daten mit 5-jähriger Nachbeobachtungszeit der Javelin Renal 101 Studie vor. Im Rahmen der Studie wurden Vorteile der kombinierten Therapie mit Avelumab plus Axitinib im Vergleich zu Sunitinib als Erstlinientherapie bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom nachgewiesen. Das mittlere OS betrug mit Avelumab plus Axitinib 42,2 Monate im Vergleich zu 37,8 Monaten mit Sunitinib ((HR) 0,79, einseitig p = 0,0116) und das mediane PFS betrug 13,9 Monate gegenüber 8,5 Monaten mit Sunitinib [6]. Avelumab plus Axitinib hat nach wie vor die besseren Therapieergebnisse im Vergleich zur Monotherapie mit Sunitinib, allerdings ist es die einzige Immun-TKIKombinationstherapie, die keine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens erreichen konnte.

Wirksamkeit, Sicherheit/Verträglichkeit und Therapieansprechen

Neben der Wirksamkeit sind auch die Sicherheit und Therapieverträglichkeit zentrale Themen in der Studienbewertung. Aktuelle Daten haben für alle Kombinationsstudien eine deutliche Verbesserung des Ansprechens gegenüber der Monotherapie gezeigt [3, 5, 7, 8, 10]. Das Ansprechen der Zytokintherapie lag historisch bei 15 %, das der TKI-Monotherapie bei 25–30 % [3, 4, 7, 9, 11]. Das Therapieansprechen der Kombinationstherapie wurde bereits im vorangegangen Abschnitt besprochen. Die Therapie musste aufgrund von Nebenwirkungen bei 28,1 % Patienten, die mit Kombinationstherapie Nivolumab plus Cabozantinib behandelt wurden, abgesetzt werden. Hierbei wurde nur Nivolumab bei 10,0 %; nur Cabozantinib bei 10,3 %; Nivolumab plus Cabozantinib gleichzeitig bei 6,6 %; Nivolumab und Cabozantinib nacheinander in 1,3 % Fälle abgesetzt. Die Monotherapie mit Sunitinib führe bei 10,9 % der Patienten zur Unverträglichkeit mit konsekutivem Absetzen der Therapie [5].

Bei der Behandlung mit Kombination Ipilimumab und Nivolumab blieben behandlungsbedingte Nebenwirkungen vom Grad 3–4 unverändert im Vergleich mit alten Daten [4].

Der Einfluss der Therapie auf die Sterblichkeit ist abhängig von der Nachbeobachtungszeit. Während wir für die Therapie mit Nivolumab plus Ipilimumab (HR 0,68) über die verschiedenen Zeitpunkte hinweg eine stabile Risikoreduktion sehen, ist dieser Effekt bei den TKI-IO Kombinationen anders. Hierbei lag bei der ersten Berichtserstattung die Hazard Ratio (HR) der Therapie mit lenvatinib plus Pembrolizumab bei 0,47, bei Axitinib plus Pembrolizumab bei 0,53 und bei Nivolumab plus Cabozantinib 0,58. Mit längerer Nachbeobachtung nahm dieser Effekt ab, blieb aber auch bei der Langzeitnachbeobachtung zumeist statistisch signifikant erhalten.

Fazit

Heutige Daten unterstützen nachdrücklich den Einsatz einer Erstlinien- Kombinationstherapie bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom. Die Auswahl der spezifischen Therapie hängt von mehreren Faktoren ab, wie dem ECOG-Status, Alter und Begleiterkrankungen des Patienten, da diese auf die Therapieverträglichkeit Einfluss nehmen. Weitere Faktoren umfassen die Symptomatik bei Diagnosestellung, die Tumorausbreitung, histologische Subtypen und das klinische Therapieziel. TKI-IO Kombinationen zeigen ihre stärkste Effektivität in den ersten 2 Jahren der Behandlung, mit der Reduktion der Frühsterblichkeit. Die reine Immunkombination mit Ipilimumab plusNivolumab zeigt hingegen konstantere Vorteile und liefert mit 8-Jahres-Daten stabile Langzeitergebnisse.

Die Fülle der zugelassenen Therapieoptionen ermöglicht eine patientenindividuelle Auswahl der Therapie, die nach Abwägung von Nutzen, Risiken und individuellen Faktoren bestmöglich ausgewählt werden kann.

Literatur unter
www.uroforum.de

Korrespondenzadresse:

Univ.-Prof. Dr. med. Viktor Grünwald
Westdeutsches Tumorzentrum Essen
Innere Klinik (Tumorforschung) und Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Uroonkologie Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55,
45147 Essen
Tel.: +49 207232637

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