Der vesikoureterale Reflux beruht auf einer angeborenen Störung der Harnwege. Das Krankheitsbild führt zu einer großen Anzahl von Harnwegsinfektionen, denen mit einer frühen prophylaktischen Antibiotikabehandlung vorgebeugt werden soll. Aber die Medaille hat zwei Seiten.

Weniger bekannt sind die möglichen Nierenschäden, die aufgrund der langfristigen Behandlung nicht ausgeschlossen werden können. Giovanni Morello vom Ospedale Maggiore Policlinico in Mailand und Kollegen haben Daten im New England Journal of Medicine publiziert, die die Frage der Nierenschäden zumindest offenhalten. Die Harnwegsinfektionen können eine Pyelonephritis auslösen, die wiederum dauerhafte Nierenschäden auslösen kann.
Die europäische PREDICT-Studie hat die Auswirkungen der Antibiotikaprophylaxe jetzt näher betrachtet. Speziell ging es um Säuglinge, die noch keine Harnwegsinfektion erlitten hatten. An 39 Zentren in Europa – darunter Heidelberg und Köln in Deutschland – wurden 292 Babys im mittleren Alter von 3,4 Monaten auf eine Antibiotikaprophylaxe oder eine Kontrollgruppe randomisiert. Bei den Patienten war ein vesikoureteraler Reflux, Grad drei bis fünf, diagnostiziert worden. In der Prophylaxegruppe war Amoxicillin-Clavulanat das am häufigsten eingesetzte Antibiotikum (49,3 %).
In der zweijährigen Therapie- bzw. Beobachtungszeit kam es in der Antibiotikaprophylaxe-Gruppe bei 31 Kindern (21,2 %) zu einer Harnwegsinfektion gegenüber 52 Kindern (35,6 %) in der unbehandelten Gruppe. Die Hazard Ratio von 0,55 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,35 bis 0,86 signifikant.
In der Gruppe mit Antibiotikaprophylaxe wurden häufig Resistenzen festgestellt. In 16 von 31 Proben wurden Erreger gefunden, die auf mindestens zwei Antibiotika der ersten Wahl unempfindlich waren. In der Vergleichsgruppe war dies nur bei neun von 52 Proben so. Die Rate Ratio betrug 2,98 (1,50 bis 5,92). Ein eindeutiger Vorteil für die Gesundheit der Nieren wurde wiederum nicht gesehen.
Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich nicht schließen, dass alle Kinder mit einem vesikoureteralen Reflux prophylaktisch mit Antibiotika behandelt werden sollten. Die US- und europäischen Fachgesellschaften empfehlen ebenfalls eher einen vorsichtigen selektiven Ansatz, bei dem die Entscheidung von Faktoren wie Alter und Geschlecht des Patienten, Schweregrad des vesikoureteralen Refluxes sowie einer Blasen- oder Darmfunktionsstörung bzw. Nierenvernarbung abhängig gemacht werde.



