Quelle und Bildquelle: © Aus UroForum, Heft 10/2023
Torsten Brosche
Eine Harninkontinenz ist für die betroffenen Patientinnen eine gesundheitliche und finanzielle Belastung, die die Lebensqualität beeinträchtigt. Mit dem Needleless-System steht ein neues Single Incision TOT zur Verfügung, welches seit Februar 2023 in der Frauenklinik des DRK-Krankenhauses Chemnitz-Rabenstein durchgeführt wird. Im Folgenden werden die Ergebnisse des Needleless-Systems an der Klinik vorgestellt.
Einleitung
Harninkontinenz wird definiert als jeglicher unfreiwilliger Urinabgang. Für die betroffenen Frauen stellt dies eine erhebliche gesundheitliche und finanzielle Belastung dar und beeinträchtigt ihre Lebensqualität erheblich. Hauptrisikofaktoren für Harninkontinenz sind Schwangerschaft, Geburt und zunehmendes Alter. In Europa ist jede dritte Frau (25–45 %) von Harninkontinenz betroffen [1], wobei die Prävalenz von 10 % bei den 20– bis 24-jährigen Frauen auf 40 % bei den über 90-jährigen zunimmt. Belastungsinkontinenz zeigt sich als unwillkürlicher Urinabgang synchron mit einer körperlichen Belastung, wie zum Beispiel Niesen oder Husten. Altersabhängig findet sich die reine Belastungsinkontinenz bei 17 % aller erwachsenen Frauen (bei 20– bis 44-jährigen Frauen 10 %; bei 45– bis 59-jährigen Frauen 15 %; bei > 60-jährigen Frauen 33 %) [2].

Der „Goldstandard“ zur Behandlung der weiblichen Belastungsharninkontinenz ist seit vielen Jahren der Einsatz von spannungsfreien suburethralen Bändern (TVT/TOT). Single Incision Bänder (Minischlingen) wurden entwickelt, um die Invasivität der Operation zu verringern und typische Komplikationen wie Blasenverletzung, Hämatombildung und Schmerzen zu vermeiden. Des Weiteren wird durch die Verwendung von Minischlingen die Menge des Fremdkörpermaterial verringert. Die bisherigen Minischlingen hatten eine Länge von 6,6 cm und wurden mit einem Anker aus festem Polypropylene im Gewebe fixiert. Dabei kommt es nicht zum Einwachsen, sondern nur zur Verkapselung des Ankers. Mit Needleless der Firma Neomedic steht ein neues innovatives Single Incision TOT zur Verfügung, das eine Länge von 11,5 cm hat und aus einem monofilen Polypropylennetz ohne Führungsnadel besteht (▶ Abb. 1). Die beiden ankerlosen Enden sind verbreitert, was als T-Tasche bezeichnet wird. Diese führt zu einem Einwachsen ins Gewebe (▶ Abb. 2).

Minischlingen wurden in randomisierten kontrollierten Studien umfassend erforscht. Sie zeigen nach 12 Monaten die gleiche Wirksamkeit wie retropubische oder transobturatorische Schlingen [3, 4, 5]. Darüber hinaus war Needleless die erste Minischlinge, die die 522 Post-Marketing-Überwachungsstudien der FDA bestanden hat.
Material und Methoden
Die Frauenklinik des DRK-Krankenhauses Chemnitz-Rabenstein ist seit vielen Jahren ausgewiesenes Beckenbodenzentrum und als solches nach den fachlichen Anforderungen der Fachgesellschaften Deutsche Kontinenzgesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Deutsche Gesellschaft für Urologie, Deutsche Gesellschaft .für Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie zertifiziert.
Wir begannen im Februar 2023, Patientinnen mit einer Belastungsharninkontinenz nach entsprechender urogynäkologischer Diagnostik einschließlich Urodynamik, ISIQ und VAS-Fragebogen, erfolgloser konservativer Therapie, entsprechendem Leidensdruck und Wunsch nach operativer Therapie mit dem Needleless System zu behandeln. Nach präoperativer Antibiose erfolgt zunächst die Infiltration eines Lokalanästhetikum suburethral sowie bds. paraurethral. Anschließend erfolgt eine ca. 2 cm lange Längsinzision im Bereich der vorderen Scheidenwand in Höhe der mittleren Urethra. Dabei ist zu bedenken, dass das Needleless Band 1,2 cm breit und somit 20 % breiter als herkömmliche Bänder ist (▶ Abb. 3). Mit einer Präparierschere wird nun die Scheide in Richtung 2:00 Uhr und 10:00 Uhr mobilisiert. Unbedingt sollte auch hier ausreichend Platz für eine freie Bandentfaltung geschaffen werden. Anschließend wird eine Overholt Klemme in die T-Tasche eingeführt und das Band fixiert (▶ Abb. 4). Die Klemme wird mit dem gefalteten Netz in den paraurethralen Raum platziert und durch Druckkraft in den inneren Obturatoriusmuskel eingebracht, bis die blaue Mittelmarkierungsnaht 1 cm tiefer in Bezug auf die Harnröhre liegt. Lösen der Klemme in der T-Tasche erfolgt durch Öffnen des Instrumentes und zurückziehen nach Wiederverschluss (▶ Abb. 5). Gleiches Vorgehen auf der kontralateralen Seite, bis sich die blaue Markierungsnaht in der Mittellinie befindet (▶ Abb. 5). Das Band soll am Ende spannungsfrei unter der Urethra liegen.


Ergebnisse
Insgesamt wurden von Februar bis Oktober diesen Jahres 33 Patientinnen mit dem NEEDLELESS-System behandelt. Das Durchschnittsalter betrug 64 Jahre (41–82), die Parität bei durchschnittlich 2 Geburten (0–6). Der Vorlagenverbrauch lag median bei 4 (1–8). Laut ISIQ-Fragebogen hatten 72,4 % der Frauen eine schwere Inkontinenz (ISIQ > 10). Die Indikation war in 63,6 % eine reine Belastungsharninkontinenz sowie in 36,4 % eine Mischharninkontinenz. In 82 % der Fälle erfolgte der Eingriff als first-line Therapie. Es kam zu keinen intraoperativen Komplikationen. Die durchschnittliche OP-Zeit betrug 8 Minuten. Keine Patientin erhielt einen Dauerkatheter. Alle konnten spontan und mit physiologischen Restharnmengen (< 50 ml) miktionieren. Die Entlassung erfolgte generell am ersten postoperativen Tag.
Die Nachuntersuchung erfolgte zunächst 4 Wochen postoperativ telefonisch sowie 6 Monate nach OP in der urogynäkologischen Sprechstunde. 30 der 33 Patientinnen waren bei der Kontrolle komplett kontinent, 2 Patientinnen hatten keinen Urinverlust mehr bei Belastung, nur gelegentlich bei Lagewechsel. Bei diesen bestand kein Leidensdruck mehr. Bei einer Patientin war die Inkontinenzsituation nach NEEDLELESS Einlage unverändert zu der präoperativen Situation.

Zusammenfassung
Obwohl wir erst im Februar 2023 mit dieser Operationsmethode begonnen haben, kann man sagen, dass die Durchführung eine relativ geringe Lernkurve (insbesondere für Operateure die schon Schlingen durchführen) hat. Bei unseren ersten Operationen kam es zu keiner intraoperativen Komplikation. Insbesondere die Operationsdauer und der Blutverlust waren sehr gering. Auch postoperativ traten keine Komplikationen auf. Alle Patientinnen konnten am ersten postoperativen Tag schmerzfrei und mit physiologischen Restharnmengen entlassen werden. Die ersten Ergebnisse zeigten eine Erfolgsrate von über 95 %. Unsere Hauptindikationen sind urogynäkologisch und onkologisch voroperierte Patienten, Adipositas, sowie Patientinnen mit ausgeprägten Hautveränderungen im Genitalbereich (z. B. Akne inversa).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Needleless in den bisherigen Studien vergleichbare Kurzzeit- Ergebnisse wie die klassischen Schlingen aufweist [3]. Des Weiteren zeigt sich eine kürzere Operationszeit, ein geringerer Blutverlust sowie geringere Schmerzen. Weitere groß angelegte und gut konzipierte prospektiven Studien sind erforderlich, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit zu bestätigen.

Korrespondenzadresse:
Dr. med. Torsten Brosche
Leitender Oberarzt
Leiter Sächsisches Beckenbodenzentrum
Frauenklinik DRK Krankenhaus
Chemnitz-Rabenstein
Unritzstrasse 23 09117 Chemnitz
Tel.: 0371 8324005
brosche.torsten@drk-khs.de



